■ Kroatien: Erstmals Ustascha-Kriegsverbrecher verurteilt: Vergangenheitsbewältigung?
Nun hat es die kroatische Justiz doch noch geschafft. Sie hat den ehemaligen Kommandeur des Ustascha-Konzentrationslagers Jasenovac, Dinko Sakic, zu 20 Jahren Haft verurteilt und damit ein Zeichen in viele Richtungen gegeben. Positiv ist, dass sich die kroatische Justiz wenigstens nach außen von den Untaten des Ustascha-Kommandeurs abgegrenzt hat. Und damit den Forderungen des Auslands, vor allem der EU, nachgegeben hat. Ohne eine Verurteilung hätte das ohnehin schon angeschlagene Verhältnis des Tudjman-Staates zu Europa noch weiter gelitten. Und das kann sich nicht einmal mehr Franjo Tudjman erlauben.
Die so genannte unabhängige Justiz hat staatstragend reagiert. Das gilt auch nach innen. Bei näherem Besehen sind Signale dieses Urteils nämlich weiterhin zweideutig. Das Gericht hat darauf verzichtet – und das war in dem gesamten Verlauf des seit einem halben Jahr dauernden Verfahrens deutlich –, sich intensiv mit der Funktion des KZs im Ustascha-Staat auseinander zu setzen. Zwar wurde der Mord an zehntausenden von Serben und Juden zugegeben, da führt ja auch kein Weg mehr daran vorbei, bei der Ermordung der Roma und der kroatischen Widerständler tat man sich schon schwerer.
Dass Jasenovac lediglich ein Lager darstellte, in dem nur Gegner der „kroatischen Nation“ in einer Kriegssituation interniert waren, wie die Verteidiger es gerne hinstellen wollten, ist eine Mär und ein Mythos, auf den der heutige kroatische Nationalismus der Ära Tudjman nicht verzichten will. In Wirklichkeit war es ein Vernichtungslager, in dem sich Totalitarismus und Rassismus des Ustascha-Regimes spiegelten – Denkformen, die im rechten Spektrum der kroatischen Gesellschaft auch heute grassieren.
Der Hinweis auf die Wiederkehr dieser Denkformen auch bei anderen Nationen des Balkans, auf die großen Verbrechen der jüngsten Vergangenheit, die mit denen der Ustascha und der Tschetniks des zweiten Weltkriegs vergleichbar sind, führt in Kroatien nicht weiter. Das hat die inzwischen keineswegs mehr nur regimetreue Presse klar zum Ausdruck gebracht. Das Tudjman-Regime verliert an Boden, die für den Winter angesetzten Parlamentswahlen werden nach allen Meinungsumfragen zu einer vernichtenden Niederlage für die Regierungspartei führen. Das Urteil gegen Sakic mag halbherzig sein. Doch damit ist ein Zeichen gesetzt, das die Richtung angibt. Kroatien hat mit der Bewältigung der Vergangenheit begonnen. Erich Rathfelder
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