piwik no script img

Kritische Aktionäre starten KampagneMit Aktien gegen Greenwashing

Seit 25 Jahren nerven kritische Aktionäre Vorstände von Bayer, BASF, Daimler. Nun starten sie eine Kampagne gegen Firmen, die sich grüner geben, als sie sind.

Graues Kraftwerk ganz in Grün? Wenn sich Firmen grüner geben als sie sind, ist das unlauter. Dagegen will die Kampagne vorgehen. Bild: mistro / photocase.com

HAMBURG taz | Aus belächelten Spinnern sind anerkannte Vorstandskritiker geworden. So sieht es jedenfalls der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre an seinem 25. Geburtstag. Die Konzernkritiker feierten am Mittwoch in Bonn und starteten zugleich ihre neue Kampagne: "Stop Greenwashing!"

Erste Wurzeln haben die Kritischen Aktionäre schon Mitte der Siebzigerjahre geschlagen. Im Wuppertaler Werk des Chemieriesen Bayer kam es zu zwei folgenschweren Unfällen, ein Jahr später drohte in der Bayer-Fabrik in Dormagen eine Katastrophe, als hochgiftiges Gusathion freigesetzt wurde. Die Vorfälle führten zur Gründung der längst legendären Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG).

Die Bürgerinitiative – damals war der Begriff der Nichtregierungsorganisation noch unbekannt – wurde zur Keimzelle der linken Bewegung der Kritischen Aktionäre: 1984 sprachen CBG-Mitglieder erstmalig auf einer Aktionärsversammlung von Bayer. Am 23. Februar 1986 fand dann die Gründungsversammlung des Dachverbandes in Solingen statt.

Heute ist das Geburtstagskind Anlaufstelle für mehr als zwei Dutzend Mitgliedsorganisationen und rund 5.000 Kleinaktionäre, die ihm die Stimmrechte ihrer Aktien übertragen. Dazu gehört auch die kirchennahe Stiftung Nord-Süd-Brücken. Sie kauft Aktien etwa von Adidas und Puma und stellt sie den Kritischen Aktionären zur Verfügung – um so die "Kampagne für saubere Kleidung" zu unterstützen. "Wir versprechen uns davon Öffentlichkeit und Presse für unsere Anliegen", sagt Nord-Süd-Brücken-Geschäftsführer Walter Hättig.

Längst nehmen Manager die Kritiker ernst. So stimmten sie als einzige Aktionärsvereinigung gegen die Übernahme des maroden amerikanischen Autobauers Chrysler durch Daimler – die Fusion endete mit einem Milliardenverlust.

Auf einer Hauptversammlung von Bayer gelang es ihnen erstmals, mit über einer Million Stimmen die Tagesordnung zu ändern. Früher wurden ihre Forderungen etwa nach Nachhaltigkeit und Transparenz in der Unternehmensführung noch als exotisch abgetan. Heute sind diese in Politik und Wissenschaft anerkannt.

Bereits 1994 hatte der Dachverband die Aktion "Mehr Frauen in Führungspositionen" gestartet, über die aktuell in der Politik gestritten wird. "Hervorragend" findet Gratulant Rudolf Hickel die Aktionärskritiker. Der Bremer Wirtschaftswissenschaftler sagt: "Wir wissen, dass in den Konzernen, die von Managern und einer Finanzaristokratie determiniert werden, die Kontrollgremien nicht ausreichen." Die Leerstellen füllten nun teilweise Kritische Aktionäre.

Seit einem Vierteljahrhundert nerven die Marathonkritiker Vorstände, Aufsichtsräte und viele unpolitische Aktionäre von BASF, Salzgitter und Allianz, von Deutscher Bank und Daimler. Und zwar "erfolgreich", meint Geschäftsführer Markus Dufner. So stehe Bayer heute weltweit im Fokus der medialen Öffentlichkeit, habe der Bundesgerichtshof die Meinungsfreiheit des Alt-Kritikers Jürgen Grässlin gegen den Daimler-Konzern verteidigt und sei in Bulgarien der Bau eines Atomkraftwerks gestoppt worden.

Mit einer "guten Mischung aus erfahrenen Leuten und vielen Jungen mit frischen Ideen" soll es 2011 dem "Greenwashing" der DAX-Konzerne an den Kragen gehen. "Damit wollen Konzerne ihrem unsozialen, umweltfeindlichen und nicht nachhaltigen Geschäft einen grünen Anstrich verpassen", tadelt Dufner. Energieriesen, die "saubere" Elektroautos mit Atomstrom antreiben, oder "grüne" Großbanken, die Waffen finanzieren, sollen schon bald am Pranger stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • W
    Wuzzelbud

    Der "kritische Kunde" unterstützt meistens einen Konzern, dessen "gute" Produkte nur einen sehr geringen Anteil des Gesamtumsatzes ausmachen und der Hauptanteil immernoch durch schädliche Produktionsverhältnisse erzielt wird.

     

    Hinzu kommt, dass "kritische Verbraucher" größtenteils nicht als homogene Masse mit einheitlichen Forderungen existieren. Diese sind meistens willkürlich.

     

    Wer auf die Preise der "besseren" Produkte achtet, dem wird auffallen, dass sie um ein Vielfaches höher sind, als die der herkömmlichen Artikel. Es schließt sich von selbst aus, dass alle nur noch diese Produkte kaufen bzw. Unternehmen durch Konsum zum Guten gezwungen werden können.

  • MH
    Mario H.

    @Hannes Berger: nur eine kurze Nachfrage: wer gegen den Grenzschutzzaun ist, stellt den Staat Israel infrage und ist damit Antisemmit? Naja...

    Sonst gebe ich auch dem @Wuzzelbud Recht: es reicht absolut nicht aus, die Aktionärsseite zu kritisieren, auch der Kunde muss seinen Teil beitragen. Aber man darf freilich nicht auf auf den Billiganbieter Kik hinweisen, auch Nike und Apple haben mit Ausbeutung Geld verdient. Da hilft nur der kritische Verbraucher, der nachfragt. Und dementsprechend einkauft...

  • W
    Wuzzelbud

    Das es Aktionäre gibt, die Greenwashing verhindern wollen ist ja sehr löblich. Die Frage ist wo es hinführen soll. Alle großen Unternehmen, die auf dem internationalen Markt mithalten wollen, profitieren von menschenverachtenden Arbeitsverhältnissen und mangelnden staatlichen Regelungen bzw. der Armut an sich (z.B KIK in Bangladesch). Die Löhne liegen dort unter den, wenn vorhanden, eh schon zu niedrigen Mindestlöhnen und Menschen wissen nicht wie sie überleben sollen.

    Damit der Konsument zu Hause mit ruhigem gewissen weiter seine günstigst hergestellten Produkte kaufen kann und auch bloß nichts mitbekommt von den Produktionsverhältnissen wird auf all die guten Seiten des Produkts verwiesen. Dies dient zur Profitsicherung und ist üblich.

    Doch, wenn diese Verblendung wegfällt ist das Problem an sich noch nicht verschwunden und dadurch, dass man nur noch "richtige" Produkte kauft, lässt sich ein Wirtschaftssystem nicht ändern. Es wird auch weiterhin so sein, dass Standorte mit kleinstmöglichen Kosten bevorzugt werden. Ob von KIK, Adidas oder Bayer.

    That´s capitalism, baby!

     

    Das Buch "Ende der Märchenstunde" von Ex-taz-Redakteurin Kathrin Hartmann kann ich nur empfehlen.

  • HB
    Hannes Berger

    Leider musste ich auf der HV 2010 der Deutschen Bank erleben, dass dort die sog. "Kritischen Aktinäre" und der sog. "Pax Christi" insofern antisemitische Hetze betrieben haben, als sie die Existenz des Staates Israel dadurch infrage gestellt haben, dass sie gegen dessen Grenzschutzanlagen gegen Selbstmordattentäter und gegen seine sicherheitstechnischen Unternehmen polemisiert haben.

     

    In Deutschland ist das eine besonders große Schande.