piwik no script img

Kritische Aktionäre beherrschten Hauptversammlung

■ Deutsche Bank–Vorstand mußte sich Vorwürfe über sein Dritte–Welt– und Südafrika–Geschäft vorhalten lassen / Auch Beifall von den Anteilseignern

Von Ulli Kulke

Einen Bärendienst leistete Aktionär Spretling dem versammelten Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank vor den Aktionären des Hauses. Er meinte, den erlauchten Herren einen Gefallen tun zu müssen, indem er sie ausführlich gegen Vorwürfe verteidigte, die ihre Geschäftsbeziehungen zum südafrikanischen Apartheid–Regime betrafen: Die Apartheid sei bereits so gut wie überwunden, und die Schwarzen lehnten jegliche Sanktion ab, dozierte der selbsternannte „Kenner des Landes“. Spätestens nach Spretlings Worten am Donnerstag im Berliner Kongreßzentrum war dann allerdings das eingetreten, was er selbst sowie Hauptversammlungsleiter und Aufsichtsratschef Guth zuvor mit bewegten Worten hatten verhindern wollen: Die Hauptversammlung war politisiert. Die „Kritischen Aktionäre der Deutschen Bank“ hatten ihr Ziel erreicht. Die Themen Kreditbeziehungen zur Dritten Welt und vor allem Südafrika beherrschten den Saal, nachdem Vorstandssprecher Christians die Erfolgsbilanz des vergangenen Jahres vorgelegt und sich von den ersten Rednern aus der Mitte der über 2.000 Aktionäre hatte feiern lassen. Vor allem Klein(bürgerliche)– Aktionäre füllten den Saal im „Riesenraumschiff“. Die Deutsche Bank begreift ihre Hauptversammlungen als eine Art Tournee im Jahresrhythmus, bei der sie sich ihren jeweils Ortsansässigen unter den 245.000 Aktionären vorstellt. Was zu melden hat von ihnen kaum jemand, die Aktien– Stimmrechte liegen in wenigen berechenbaren Händen. „Ach der ist das“ erinnerten sich einige von ihnen, als Klaus Milke, Sprecher der kritischen Aktionäre, ans Mikrofon trat. Souverän, wie sie nun mal ist, hatte die Bank in ihrer Hochglanzbroschüre über die letztjährige Hauptversammlung den damaligen ersten Auftritt Milkes in Wort und Bild gewürdigt. Sein diesjähriger Vorschlag, die Dividende auf 10 Prozent der vorgesehenen Ausschüttung zugunsten eines Schuldenfonds für die Dritte Welt zu begrenzen, schied dann die Geister. Keine Frage, für die überwiegende Mehrheit war das „unbegreiflich und auch ärgerlich“, wie Milke selbst in seiner Rede vorhersah. Sie stand hinter dem Standesvertreter der Kleinaktionäre, Martius, als der später ins Mikrophon krähte: „Der Milke macht Politik, das gehört nicht hierher, einen herzlichen Glückwunsch an den Vorstand für das gute Geschäftsergebnis.“ Indes, rund zweihundert Hände spendeten dem kritischen Aktionär Beifall, während die Vorstandsriege cool ins weite Rund blickte. Als Reizwort für sie erwies sich allerdings das Thema Deutsche Bank und Faschismus, das Pfarrer Kraatz als Vertreter einer Aktionärin in seinem Vortrag über die Geschäftsbeziehungen zu Südafrika streifte. Aufsichtsratschef Guth war nahe dran, ihm das Wort abzuschneiden. Seinen kurzen Erfahrungsbericht über die Haftbedingungen in Südafrikas Gefängnissen konnte Kraatz dann nur noch unter knisternder Spannung im Saal halten. Aktionärin Jochimsen, Unternehmerin im Unterhaltungsgeschäft, signalisierte darauf Schwierigkeiten: „Es fällt mir schwer, nach diesem Herrn zu reden. Aber um nun wieder sachlich zu werden...neue Anlagefor men...Frankfurter Börse...etc.“ Nicht in Schwierigkeiten bringen ließen sich der smartsouveräne Herrhausen und Altroutinier Christians als Vorstandssprecher in ihren schablonenhaften Antworten. Man sei selbstverständlich gegen Apartheid, zu deren Überwindung man auch hinter den Kulissen arbeite, aber Sanktionen nützten nunmal niemandem. Im übrigen liege es in der Natur von Zins und Kredit, wenn die Dritte Welt jetzt mehr Geld in die Industrieländer liefere, als sie von dort erhalte und mit Politik wolle man darüberhinaus nichts zu tun haben. Trotzdem, der Anspruch des unpolitischen war der Bank für einen Tag geraubt. Selbst Handelsblatt und Frankfurter Allgemeine widmen ihre gestern erschienenen Berichten über die Hauptversammlung vor allem einem Thema: Kritische Aktionäre, Südafrika und Drittwelt–Verschuldung. Aber da war noch etwas. Eigentlich hätte man ja froh sein können, als das ganze zum Schluß noch zum Spektakel umzukippen drohte, das die Veranstaltung immerhin wieder aufs Geschäftliche brachte. Mitten in die Lobestiraden über den letztjährigen Super– Rekordgewinn, weltweite Expansionen, Aufstockung der Eigenmittel sowie Zuwachs der Mitarbeiter platzte Aktionär Grevenkamp mit einer Mammutrede: Die Deutsche Bank verscherbele bei Neuemissionen nur wertlose Ak tien, mit der Bank gehe es sowieso bergab und der Vorstand sei schon gar keines keines Vertrauens würdig. Die angebliche Dollarabwertung, die das Geschäftsergebnis drücke, sei nur erstunken und erlogen. Keine Frage, hier hatte sich jemand in Aktien verhoben und den fühlbaren Kursknick der Bank–Aktie nicht vorhergesehen, was ihn zornig machte. Da war der Ehrenvorsitzende des Hauses gefordert, der vorher alle Stürme von Anwürfen inklusive Erinnerung an den Faschismus ruhig überstanden hatte. Hermann Josef Abs trat ans Mikrofon und wies den Vorstand an, auf diesen Aktionär nicht zu antworten. Man wollte lieber erfreut der letzten auf der Rednerliste lauschen. Trefflich terminiert sprach sich da ein Lehrling Worte vom Herzen nach dem Motto: Ich bin klein, mein Herz ist rein und ich möchte nur arbeiten in der deutschen Bank allein. Daß Grevenkamp den Herren nochmal in die Suppe spuckte, und im nochmaligen Schlußwort anregte, man solle lieber Obsthändler engagieren, wenn man Matsch für Tomaten verkaufte, hörte kaum noch jemand, der Saal war nur noch zu einem Drittel gefüllt: Immerhin die Stimmrechte waren noch fast alle da, wie der Vorstand beglückt feststellte. Die Show war vorbei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen