Kritik am Auftritt in Putin-Show: Snowden will keine Marionette sein
Whistleblower Snowden rechtfertigt seine Beteiligung in einer TV-Sendung mit Wladimir Putin. Sigmar Gabriel fühlt sich dagegen an „Schauprozesse“ erinnert.
LONDON/HAMBURG afp | Der US-Geheimdienstenthüller Edward Snowden hat seine Beteiligung an einer Fernsehfragestunde mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gerechtfertigt. Mit seiner Frage zu den Überwachungspraktiken in Russland habe er „Gelegenheiten für ernsthafte Journalisten und die Zivilgesellschaft“ schaffen wollen, die Debatte „voranzutreiben“, erklärte Snowden in einem Beitrag für den britischen Guardian vom Freitag. Wegen seiner am Donnerstag via Video eingespielten Frage an den russischen Staatschef sieht sich Snowden der Kritik ausgesetzt, er lasse sich als Marionette des Kreml missbrauchen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Video-Schaltung zwischen Snowden und Putin. „Mich erinnert das an Schauprozesse, in denen man Leute vorführt“, sagte der Bundeswirtschaftsminister am Donnerstagabend in der ARD-Sendung „Beckmann“. Er habe das „einfach obszön“ gefunden, fügte Gabriel hinzu – „nicht von Snowden, sondern von Putin“.
Snowden hatte Putin gefragt, ob Russland „die Kommunikation von Millionen Bürgern auf irgendeine Weise abfängt, speichert oder analysiert“. Putin antwortete, es gebe in Russland keine „Massenüberwachung“ der Bevölkerung, die Geheimdienste würden strikt überwacht. Der russische Präsident führte dann aus, dass die Art der„ Massenüberwachung“ der Bevölkerung, wie sie Snowden in den USA aufgedeckt hatte, in Russland undenkbar sei.
Der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Snowden hatte im August in Russland für ein Jahr Asyl erhalten, nachdem er mit seinen Enthüllungen über die Abhörpraktiken des US-Geheimdienstes NSA weltweit für Furore gesorgt hatte. Die USA wollen Snowden verhaften und ihm den Prozess machen. Gabriel sprach sich dafür aus, Snowden im Rahmen des NSA-Untersuchungsausschusses zu vernehmen. Allerdings rate er dazu, die Befragung „dort zu machen, wo er ist“. Gabriel sprach sich dagegen aus, Snowden für die Befragung nach Deutschland zu holen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin