Kriterium für Atom-Ende: Laufzeitverlängerung kann ausfallen
Sobald die Erneuerbaren 40 Prozent des Stroms liefern, geht der letzte Reaktor vom Netz, sagt der Umweltminister. Meint er das ernst, kann die Laufzeitverlängerung ausfallen.
BERLIN taz | Im Streit über längere Laufzeiten der Atomkraftwerke hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) sich klar positioniert: Entscheidend sei allein die Geschwindigkeit, mit der die Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse zunehme. "In dem Augenblick, in dem wir 40 Prozent Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion in Deutschland haben, gibt es keine Notwendigkeit mehr für Kernenergie", erklärte Röttgen. Derzeit liefern Ökoenergien 16 Prozent des Stroms, AKWs 23 Prozent.
Bis wann die Erneuerbaren einen Anteil von 40 Prozent erreichen können, darüber gibt es unterschiedliche Prognosen. Das Umweltministerium ging im letzten Jahr - noch unter SPD-Minister Sigmar Gabriel - von 35 Prozent im Jahr 2020 aus. 40 Prozent würden dann etwa im Jahr 2022 erreicht - und damit genau zum Zeitpunkt, da auch gemäß dem derzeit geltenden Ausstiegsbeschluss das letzte AKW vom Netz gehen sollte.
Die Regierung als Ganzes erwartet in ihrem Energieszenario von 2007, dass 2020 erst 30 Prozent Erneuerbare erreicht werden. Diese Zahl nennt auch Röttgen als Ziel. Dann würde die 40-Prozent-Marke etwa 2025 erreicht - sodass der Atomausstieg nur um drei Jahre aufgeschoben würde und nicht um acht bis zehn Jahre, wie von Union und FDP im Wahlkampf gefordert.
Deutlich optimistischer ist der Bundesverband Erneuerbare Energien. Er prognostiziert für 2020 schon 47 Prozent Ökostrom. "Wenn wir unsere Zusage einhalten und Herr Röttgen seine, dann dürften die Atomkraftwerke nicht länger laufen, sondern kürzer", folgert Präsident Dietmar Schütz.
Auch Rainer Baake, Chef der Deutschen Umwelthilfe, reagiert positiv: "Der Minister nähert sich schrittweise der Erkenntnis, dass sich die von der Koalition gewollte Laufzeitverlängerung mit der Versorgungssicherheit nicht begründen lässt." Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Grünen, befürchtet hingegen, dass die Kopplung von Atom und Erneuerbaren eher den Ausbau der Erneuerbaren bremst, statt den Atomausstieg zu beschleunigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen