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Krisensitzung der ParteispitzeFDP steuert ins Abseits

Noch vor der NRW-Landtagswahl und der Steuerschätzung will die Partei ein Konzept für Steuersenkungen vorlegen. Das soll den Abwärtstrend in Umfragen stoppen.

Kein gutes Spiegelbild: Die FDP verliert seit der Bundestagswahl an Zustimmung. Bild: dpa

Christian Lindner ist eigentlich ein blendender Verkäufer. Wenn der neue FDP-Generalsekretär erklärt, wie seine Partei ihre vielen Probleme bewältigen will, dann klingt das ganz einfach: Das Wirtschaftswachstum werde für die Gegenfinanzierung der geplanten Steuersenkungen sorgen, sagte Lindner am Montag nach der Sitzung des FDP-Präsidiums. Und für die Kommunen, die sich vor weiteren Einnahmeausfällen fürchten, werde sich beizeiten schon ein Finanzierungskonzept finden. Das Dumme ist nur: Immer weniger Menschen nehmen den Freidemokraten noch ihre Versprechungen ab. Im Gegenteil: Nach der eilig anberaumten Krisensitzung der Parteispitze am vergangenen Sonntag wächst die Ratlosigkeit darüber, wie die FDP ihre Ziele erreichen will.

Lindner bekräftigte das überraschende Ergebnis des Treffens von Präsidium und Fraktionsvorstand am Sonntagabend: Noch vor der Steuerschätzung im Mai, nämlich auf ihrem Bundesparteitag am 24. und 25. April, werde die FDP ein Konzept für Steuersenkungen und deren Gegenfinanzierungen präsentieren. Worin das Neue dieses Steuersenkungskonzepts bestehen soll, darüber schwieg der FDP-Generalsekretär: "Ich habe nie gesagt, dass es neu ist. Ich sage nur, dass wir es machen werden." Auch zur Frage, wie sich Steuersenkungen ohne belastbare Zahlen berechnen lassen, ließ Lindner offen: Seine Partei mache sich da "nicht von der Steuerschätzung im Mai abhängig. Sie ist überbewertet."

Das sieht die CDU ganz anders: "Ich bin sicher, dass wir die abschließenden Entscheidungen über die nächsten Schritte erst im Lichte der Steuerschätzung treffen werden können", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Das hätten vor drei Wochen die Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien so festgelegt.

Jüngere FDP-Politiker suchen einen Ausweg aus dem Dilemma, dass ihre Partei nur über ihre Forderung nach Steuersenkungen wahrgenommen wird. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, sagte der taz: "Zum Konzept, das wir auf dem Parteitag präsentieren wollen, zählen ja auch mehr Hinzuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger und die Zusammenfassung von Transferleistungen. Das gehört auch zu unserer Losung ,Arbeit muss sich wieder lohnen".

Mit ihrem Steuer-Vorstoß versucht die Partei, ihren schwindenden Rückhalt in der Bevölkerung noch vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai wiederaufzubauen. In mehreren Umfragen kommt die FDP bundesweit nur noch auf 8 bis 9 Prozent. Im einwohnerstärksten Bundesland droht gar ein Ende der schwarz-gelben Regierung.

Zwar lobte NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) am Montag, wie gut er mit der FDP in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet habe. Und fügte hinzu: "Das möchte ich fortsetzen." Doch hatte Rüttgers noch am Wochenende gedroht, er werde Steuersenkungen auf Kosten der Kommunen im Bundesrat nicht mittragen.

Viele Kommunen fürchten, sie müssten für die Steuersenkungspläne der FDP bezahlen: durch sinkende Steuereinnahmen und Kürzungen bei Bädern und Bibliotheken beispielsweise. Dem will die Partei bereits bis zum März mit einem Konzept zur Entlastung von Städten und Gemeinden begegnen. "Die kommunalen Finanzen bedürfen dringend einer generellen Neuausrichtung", sagt die kommunalpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, der taz. Die schwankenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer seien "nicht nur kein verlässliches Fundament für die kommunalen Haushalte", sondern "in Zeiten der Krise für viele Kommunen schlicht Existenz bedrohend", urteilt Piltz. "Wir setzen uns dafür ein, dass die Kommunen für ihre vielfältigen Aufgaben eine bessere Finanzausstattung erhalten." Doch das würde wohl weitere Kosten verursachen, und deren Gegenfinanzierung bleibt unklar. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Kommission, die sich um die Reform der Gemeindefinanzen kümmern soll, gibt es noch gar nicht.

Die Grünen wollen sich die Chance zum Angriff auf ihren schwächelnden Hauptkonkurrenten nicht entgehen lassen. Am Montag haben sie zu den Steuersenkungsplänen der FDP eine Aktuelle Stunde beantragt.

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17 Kommentare

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  • JB
    J. B.

    Mein Einschätzung steht seit der Hochrechnung im letzten Jahr: Diese Regierung hat sich spätestens im nächsten Jahr selbst abgeschafft.

    Wer wettet mit mir?

  • D
    Daniel

    "Das Wirtschaftswachstum werde für die Gegenfinanzierung der geplanten Steuersenkungen sorgen"

     

    Ja, klar. Das hat ja schon immer gut funktioniert, die ganzen 90er hindurch wurde eine Entlastung für Konzerne und Spitzenverdiener nach der anderen so "begründet". Ähnlich den "freiwilligen Selbstverpflichtungen", mit denen sich jeweils sehr erfolgreich rein gar nichts bewegt. Vortäuschung falscher Tatsachen ist das.

     

    Die tatsächliche Gegenfinanzierung bestand dann jeweils im Sozialabriss. Und weil das nicht immer so ganz einfach war, wurden auch gleich noch die Rentenkassen vollständig geplündert mit den bekannten Folgen, der Schuldenberg verdoppelt, usw. usf.

     

    Dumm nur, dass die heute 18-jährigen damals noch in die Windeln...

     

    Einige Kommentatoren scheinen sich dagegen nur allzu gut noch zu erinnern.

  • P
    P.Haller

    Eigentlich ist es ja müssig, sich über diese FDP aufzuregen. Das ist ja nun mal ein Verein, der absolut von nichts eine Ahnung hat. Von solchen Vereinen gibt es in D sicherlich noch ne ganze Menge.

     

    Das Schlimme aber ist, dass das doch jeder schon jahrelang beobachten konnte und es trotzdem diesem Haufen aus spätpubertierenden Jungfuzzis und abgehalfterten Berufshinterbänklern ermöglichte uns zu regieren !

    Wir bzw. ein grosser Teil von uns wollte das so, und nun können wir mal 4 Jahre lang versuchen. wie wir dieses Elend aushalten können !

    Also nicht jammern, denn wie heisst es doch: "Nur das dümmste aller Kälber sucht sich seinen Schlächter selber"

    Und im konkreten Fall ist eben der Schlächter die F.D.P. basta !

  • S
    swan

    wann sind denn wieder WAHLEN !

     

    wäre es nicht besser,das volk würde im februar zur wahl gehen.

    diese sommerhitze läßt bestimmt manch hirn nicht ganz klar denken.da haben wir wieder den salat.

  • N
    neosoul

    Zitat Westerwelle: (...) Wir machen keine Politik nach Meinungsumfragen (...) zur Frage, warum die FDP weiterhin an Steuersenkungen festhält, obwohl die Mehrheit der Deutschen lt. einer Umfrage, auf Steuerentlastungen verzichten will zu Gunsten des Schuldenabbaus.

     

    Auch wenn es ein "Wahlversprechen" war, sollte die Politik fähig sein, die Wünsche des Volkes zu erhören und darauf zu reagieren, wenn diese eine neue Situation darstellen.

     

    Wahrscheinlich ist es doch nur der Wunsch der Klientel von FDP, die aber wohl nur 8 % aller Wähler sind - zum Glück.

  • MG
    Matthias G.

    Die FDP ist und bleibt eine verlogene Kleinst-Klientel-Partei. Ich wünsche mir, dass sie im Mai aus dem Landtag fliegt!

  • R
    Rolf

    Naivität ist das Geringste, das man den freiwilligen FDP-Wählern zurufen muss. Und die für die Scheinerfolgsbesoffenheit der Westerwelles und Homburgers die Ursache war. Doch haben diese gekauften Stimmen Bestand - daran muss man nach den neuesten Umfragen erheblich zweifeln.

     

    Diese Partei, deren Medien-Erfolge mit Millionen von Spendengeldern unterfüttert wurden, wird sich nur um eins sorgen:

     

    Wie befriedige ich meine Spenden-Klientel? Sonst nichts!

  • V
    vic

    Steuerschätzungen sind überbewertet, sagt Herr Lindner von der FDP.

    Außer sie passen in´s parteipolitische Konzept?

    Wenn die Hotelpartei ihren Steuer-Fehler nun vor die NRW Wahl vorzieht, wird das hoffentlich dazu führen, dass sie die 5 % Hürde nicht überspringt.

    Die Arbeitnehmer werden doch nicht schon wieder so blöd sein und denken SIE wären mit Steuersenkungen gemeint. Und wie ist das mit all den Menschen, die jetzt bereits so wenig Finanzmittel zur Verfügung haben, dass sie gar keine Steuern abführen können?

    Aber trotzdem Krankenversicherung, Solidarbeitrag, Mehrwersteuer?

    Ein großes Bundesland ohne FDP - ach was wär´ das schön.

  • K
    Kira

    Die FDP will einfach nicht lernen und zieht sich, wie andere Parteien vor ihr auch , ihr genehme Gründe für den Abfall in der Wählergunst an den Haaren herbei.

     

    'das die Steuersenkungen nicht schnell genug kämen' soll es nun sein , als wenn ein Grossteil der Bevölkerung davon überhaupt was merken würde ......

    nun könnte man jedoch auch mal auf die der FDP ungenehmen Gründe eingehen , indem man sich ansieht wodurch die FDP bzw. die Regierung bis dato aufgefallen ist .

     

    - 'wirtschaftsfreundliche Kandidaten' in der Arzeineimittelsicherheit zu positionieren , ganz so als hätte es die Pandemieverarschung seitens der WHo und der Pharmacoms nicht gegeben.

    - Forcierung einer EU Mitgleidschaft der Türkei , ganz so als wären nicht 70%+ der Bevölkerung generell dagegen und die meisten der wenigen Befürworter kommen eher aus dem linksgrünen Lager und keinesfalls von der FDP.

    - Hartz4 für Taliban ... ohne Worte

    - herumgezicke beim Ankauf der Steuerdaten , ganz so als wüssten wir nicht welche Klientel Steuern in Millionenhöhe hinterzieht

     

    Es bedarf nun wirklich keiner prophetischer Fähigkeiten um zu erkennen das oben genannte Punkte einen guten Anteil an der momentanen Beliebtheit der FDP haben , und die Realitätsverzerrung welche diese im Bezug auf die Steuerreform als alleinigen Grund an den Tag legt verschlimmert deren Situation noch

  • T
    tazitus

    Ich suche ein Wort für eine Form von Irrationalität, die ständig weiter um sich greift. Es geht um Fress-Banquette der Adipösen und Übersättigten gegen den Hunger in der Welt; Steuersenkungen gegen Staatsverschuldung; Energieverschwendung zur Rettung des Weltklimas.

     

    "Guidoismus" als Begriff für diese verquere Art, das Gegenteil von dem zu tun, was Klein-Fritzchen für vernünftig halten würde, bietet sich an; aber ich mag diesen Wahn so nicht nennen, da es auch viele vernünftige Menschen gibt, die diesen Vornamen (jetzt tapfer) tragen. Wäre "Vernunftumkehr" ein passender Begriff?

  • R
    Richtig!?!

    Abseits der liberalen Steuerpolitik, sehe ich den Abwärtstrend in den Umfragen der FDP nicht als ein Aufschrei für eine sozialere Politik sondern viel mehr als Hilferuf aus der scheinbar Auswertungslogik der aktuellen wirtschaftlichen Situation!

     

    Jedoch hat die FDP diesen Umfragerückgang mehr wie verdient, da es ihnen gewiss klar war, dass ihr Steuerkonzept, mit dem sie die Wähler vor der Wahl gekauft hatten, nicht so einfach und vor allem effektiv umsetzbar ist!

     

    Feuer mit Feuer zu bekämpfen funktioniert eben nur, wenn man auf erfahrene Feuerwehrmänner zurückgreifen kann ;)

  • M
    Martin

    Das wird ja dann hoffentlich ein Debakel für die FDP in NRW werden. Wie die Lemminge müssen sie herbeten, dass Steuersenkungen für ihre Klientel aus reichen Erben, Hotelbesitzern und sogenannten Leistungsträgern nicht dazu führt, dass Geld fehlt, dass die Kommunen am Stock gehen, sondern angeblich im Gegenteil zu höheren Einnahmen, von denen man aber überhaupt nichts sieht. Es sei wie bei Jesus mit dem Wunder der Brotvermehrung. Aus den Schulden wird auf uns, wenn wir sie nur fleißig vermehren, ein neuer Regenregen fallen - wenn wir dank FDP nur genügend Geld an die Reichen unter uns verschenken und dann noch mehr. Gebt ihnen, die noch mehr wollen, und dann werdet ihr seelig. Und freut euch, wenn ihr im Schwimmbad bei 17 Grad zittert. Es ist Zeichen eure Liebe zu denen, die seit Jahresbeginn täglich im Champagner baden können, die Hoteliers. Jährlich über eine Milliarde verschenkt. Und Millionen für die FDP als Spende. So ist es ein Geben und ein Nehmen. Aber reichen tut es den Reichen noch lange nicht. Das Plündern geht weiter.

  • A
    Amos

    Die politischen Parteien (außer der Linken) sind mittlerweile alle so liberal, dass die FDP eigentlich überflüssig geworden ist. Und da könnte man schon anfangen Geld zu sparen, indem man diese Klientel-Partei gar nicht mehr wählt. Es gibt zunehmend mehr Rentner und Geringverdiener. Also sollte sich die Politik schon mal darauf einstellen, denn die pro Liberalen werden immer chancenloser. Das Volk braucht

    keine Parteien,die nur das Kapital vertreten, sondern

    Volksvertreter. Wie heißt es doch so schön:Alle Macht geht vom Volke aus und nicht: alle Macht geht von denen aus, die das Kapital besitzen. Ich selbst habe nichts gegen anständige Kapitalisten, aber besieht man sich Henkel und Co in den Talkchows so

    wird doch klar, dass nicht wenige dieser Rubrik etwas gegen das einfache Volk haben.

    Volk haben.

  • MH
    Michael Huber

    Man fragt sich wirklich, was diese "enttäuschten" FDP-Wähler eigentlich erwartet haben? Man mag ja von dem Wahlversprechen "Steuersenkung" halten, was man will, aber man kann sich doch nicht beschweren, wenn eine Partei umsetzt, was sie vor der Wahl versprochen hat. Ansonsten wurde bisher sowieso noch nicht viel beschlossen, abgesehen von der etwas unglücklichen Hotelier-Beglückung, die im Vergleich zu den Zumutungen durch die Vorgängerregierungen (Mehrwersteuererhöhung, Ökosteuer...) jedoch eine Petitesse ist.

  • WW
    Walter Wasilewski

    F ür

    D en

    P rofit

    Wir brauchen eine Politik für den Menschen.

    Eine Politik die das Leben lebenswert macht

    Eine Poltik in der die Arbeit eine Familie ernährt.

    Eine Politik in der Kinder sorgenfrei aufwachsen können

    Eine Politik die auch uns Alte am Leben teilhaben lässt

    Eine Partei für Profit einer Gesellschaftsschicht brauchen wir nicht.

    Walter Wasilewski

  • V
    vic

    Man darf gespannt sein, ob NRWs Wähler sich als so dumm erweisen wie die FDP glaubt.

  • JK
    Juergen K

    Dann hat die

     

    Fleisch gewordene Wirtschaftskompetenz

     

    gar nix auf der Pfanne gehabt, als sie die Regierung angetreten hat ?

     

    Also mit NULL Anhnung als Praktikaanten in die Verfassungsänderung ?!