Krisenclub SC Freiburg: Ausmisten im Abstiegskampf
Im beschaulichen Breisgau wird es hektisch. Sechs Spieler sollen den SC Freiburg im Winter verlassen. Unter ihnen ist auch der beliebte Kapitän Heiko Butscher.
FREIBURG taz | Der Berg hatte schon eine Weile gekreißt, zumindest hat es im Inneren gehörig gegrummelt. "Wer nicht mitzieht, muss gehen", "Geschlossenheit" sei "wichtig".
Solche und ähnliche Sentenzen hatten Manager Dirk Dufner und Trainer Marcus Sorg in den zurückliegenden Wochen oft vor sich hin geraunt. Nun hat der SC Freiburg Fakten geschaffen. Der Tabellenletzte teilte fünf Spielern mit, dass sie in der Rückrunde keine Rolle mehr spielen und suspendierte einen sechsten.
Offenbar ist in Freiburg die Erkenntnis gereift, dass man nur dann eine Chance hat, den Klassenerhalt zu schaffen, wenn man den Kader massiv verstärkt. In größerem Stil dürfte das aber nur möglich sein, wenn es gelingt, Angreifer Papiss Demba Cissé noch im Winter für eine zweistellige Millionensumme zu transferieren.
Doch das wäre - Cissé hat 9 der 21 Freiburger Treffer erzielt - eine sportliche Schwächung ("sollten ihn nach Möglichkeit behalten"), die Trainer Marcus Sorg nur zähneknirschend mitmachen würde. Eine andere Möglichkeit ist es, den Kader auszudünnen, um die Personalkosten zu reduzieren. Offenbar ist das das Ziel der Maßnahmen, die die Badische Zeitung in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch bekannt machte.
Gleich fünf Spielern, Manuel Salz, Kisho Yano, Maximilian Nicu, Felix Bastians und Heiko Butscher, wurde nahegelegt, sich einen neuen Verein zu suchen. Bei den drei Erstgenannten überrascht allenfalls das Vorgehen, nicht die sportliche Einschätzung. Der dritte Torwart Salz spielt in den Planungen ebenso wenig eine Rolle wie der japanische Angreifer Kisho Yano. Der ehemalige Herthaner Nicu hinterließ bei seinen wenigen Einsätzen ebenfalls einen schwachen Eindruck.
Butscher als Säule des Mannschaftsgefüges
Einigermaßen überraschend ist hingegen die intendierte Trennung von Butscher und Bastians. Linksverteidiger Bastians ist vereinsintern seit Längerem angezählt. Spätestens, seit er im Oktober ausgerechnet zu dem Berater wechselte, der beim SC zur Persona non grata erklärt wurde, war das nicht mehr zu überhören.
Zuweilen klang es, als gelte Bastians intern als Hauptschuldiger an den zahlreichen vom Defensivverbund begünstigten Gegentoren. Nun stimmt es, dass der selbstbewusste Blondschopf im taktischen Bereich gravierende Defizite hat und eine schwache Vorrunde spielte. Vielen Beobachtern gilt er jedoch als der Spieler, der in der anfälligen Viererkette am ehesten Bundesligaformat hat. Nicht auszuschließen, dass der SC darauf hofft, für den Verteidiger im Winter eine Ablösesumme zu bekommen.
Für den größten Aufruhr sorgt indes in Freiburg die Tatsache, dass auch Kapitän Heiko Butscher unter den Spielern ist, die vom Verein für verzichtbar erklärt wurden. Zwar tat sich der Verteidiger nach diversen Verletzungen zuletzt schwer und leistete sich einige Schnitzer. Doch im sozialen Gefüge der Freiburger Profimannschaft ist seine Bedeutung kaum zu überschätzen.
Die Putzfrau ins rechte Licht gerückt
Butscher ist der Spieler, der Jüngere aufbaut, wenn sie ein Gegentor verursacht haben, der selbst von der Bank aus seine Mitspieler pusht und der bei der Weihnachtsfeier die Ansprachen hält, die auch die Putzfrau ins rechte Licht rückt. Genau dafür war er seit 2007 auch von Kollegen, Trainern und dem Manager immer wieder gelobt worden. Menschlich, heißt es aus Vereinskreisen, tue einem die Entscheidung ausgesprochen leid.
Anders gestaltet sich der Fall bei Yacine Abdessadki. Der Mittelfeldspieler wurde mit sofortiger Wirkung suspendiert. Er soll sich beim Auswärtsspiel in Köln im Mannschaftshotel danebenbenommen haben. Den Schaden, heißt es beim Verein, musste der SC anschließend begleichen.
"So etwas können wir nicht tolerieren, das fällt auf den ganzen Verein zurück", sagt Manager Dirk Dufner. "Es sind Dinge geschehen, die wir einem Profi mit Vorbildfunktion nicht durchgehen lassen können." Es treffe, heißt es beim SC, nicht zu, dass es sich bei dem Vergehen nur um eine entwendete Shampooflasche handele. Das hatte Bild.de unter Berufung auf einen Berater des Marokkaners berichtet, der nicht zu dessen offizieller Berateragentur zählt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance