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Krise stimuliert GoldpreisDer Goldrausch der Deutschen

In der Wirtschaftskrise investieren mehr und mehr Menschen in Edelmetalle. Sie setzen auf einen schimmernden Mythos. sonntaz-Autor Hannes Koch auf der Spur des Goldes.

In der Krise steigt die Nachfrage nach Goldbarren. Bild: ap

Berlin taz | Gold gilt als wertbeständigste Anlage - in Krisenzeiten zumal. Spätestens als im Oktober letzten Jahres Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) verkündet haben, dass der deutsche Staat die Spareinkommen der Bundesbürger garantiert, ist die Gier nach Gold gewachsen. Das Versprechen der Politiker machte viele Menschen erst darauf aufmerksam, wie schlecht es um ihre Ersparnisse bestellt sein könnte. Sie begannen nach sicheren Anlagen für ihr möglicherweise bald entwertetes Geld zu suchen - und kauften Gold.

Die Krise hat Deutschland zum Goldstaat Nr. 1 gemacht. Allein im letzten Jahr haben Anleger hierzulande 108 Tonnen Gold gekauft - mehr als in jedem anderen Land der Welt. Goldshops und Ankaufsstellen seriöser und windiger Art eröffnen allerorten. Die Nachfrage scheint keine Grenzen zu kennen. Sonntaz-Autor Hannes Koch ist durchs Land gereist und zeichnet in seiner zweiseitigen Reportage den Fluss des Goldes nach. Er trifft Menschen, die vom Gold leben, die es verarbeiten oder damit handeln.

Heiko Ganß etwa, 41, der Geschäftsführer des Edelmetallhändlers pro aurum in Berlin, schildert, wie die Kundschaft im letzten Herbst sein Geschäft geentert hat: "Die Leute standen bis auf die Straße." Ein Kunde habe sich erkundigt, wie viel Zuladung sein Pkw maximal vertrage. Die Auskunft der Autofirma lautete: 650 Kilo hielten die Achsen wohl aus. Also bestellte der Mann bei pro aurum 650 Kilogramm Silber in Barren und wuchtete sie in den Kofferraum. Er zahlte rund 270.000 Euro.

Bild: taz

Die zweiseitige Reportage lesen Sie in der sonntaz vom 22./23.8.09 - ab Sonnabend zusammen mit der taz am Kiosk.

Ein paar Jahre früher hätte solch ein Kauf nicht mal die Hälfte gekostet. So teuer wie in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise waren Edelmetalle noch nie. Mitte August 2009 kostete eine Feinunze Gold (31,1 Gramm) fast 940 Dollar. Das bisherige Allzeithoch war im März 2008 mit über 1.000 Dollar erreicht. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren musste man für Gold nur etwa ein Drittel bezahlen, vor 30 Jahren weniger als ein Viertel. Goldhändler Ganß weiß, warum die Kunden trotzdem Gold kaufen: "Durch seinen inneren Wert bietet es Sicherheit."

Einer, der den schwankenden Wert des Geldes kennt, ist Norbert Strahler, 52. Der Chef der Berliner Goldschmiede-Innung weiß alles über Geschichte und Bedeutung des begehrten Metalls. Besaßen früher nur der Adel und die Kirche Gold, begann im 18. Jahrhundert "die Demokratisierung des Goldes", sagt Strahler. Auch das Bürgertum wollte und durfte nun Gold besitzen. Indem mehr Menschen Zugang zu dem begehrten Material erhielten, sank allerdings die Wertschätzung, die man ihm entgegenbrachte. Was viele besitzen, ist nicht mehr exklusiv.

Dass aber in Krisenzeiten wie diesen Gold so etwas wie Sicherheit und Beständigkeit vermittelt, spürt man bei Heraeus in Hanau. Hier wird Altgold eingeschmolzen, von hier beziehen Händler wie Heiko Ganß ihre Barren, erhält Goldschmied Strahler sein Material. Bei 1.200 Grad wird aus Ketten, Ringen, Zähnen wieder reines Gold und findet seinen Weg zurück zu jenen, die es sich leisten können.

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10 Kommentare

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  • B
    bobby

    Danke für infos.

  • K
    Konstantin

    Hallo

     

    Danke für diesen interessanten Artikel! Ich habe schon oft hier Beiträge gelesen und freue mich immer wieder über die gleichbleibend gute Qualität.

     

    Was das Thema selbst angeht:

     

    Ich würde ja sagen, Gerüchte hin oder her, man darf Gold als Anlage nicht unterschätzen. Wie heißt es so schön? Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast ;-) Über längere Zeit wird sich der Preis so oder so wieder stabilisieren - so war es schon immer und so wird es auch immer bleiben

     

    http://www.Briefmarkenhaus-Heubach.de/gold.html

     

    Gruß, Konstantin

  • T
    tbx

    Warum es für Gold und den US-Dollar aufwärts geht…

     

    ...ich bin auf kurze Sicht sowohl in Bezug auf den US-Dollar als auch hinsichtlich der Entwicklung des Goldpreises optimistisch. Das scheint eine paradoxe Haltung zu sein.

     

    Ich möchte vorausschicken, dass alle Marktprognosen letztendlich auf Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten beruhen. Beim Traden geht es um das Wetten. Eine zukünftige Entwicklung kann einen relativ hohen Wahrscheinlichkeitsgrad haben oder aber auch einen sehr hohen. Aber hundertprozentig sicher lässt sich keine Entwicklung voraussagen...

     

    Grüße

     

    Tbx

     

    http://blog.taipan-online.de/688/2009/warum-es-fur-gold-und-den-us-dollar-aufwarts-geht/eingeben

  • KD
    Klaus Donani

    Früher gab es wenigstens noch Geld, dann gab es Lagerscheine, gegen die man bei der Reichsbank Gold und Silber bekam. Mittlerweile gibt es nur noch Papierscheine, die Geld genannt werden, für die man aber bei der Bundesbank nichts mehr eintauschen kann. Es ist einfach Papier. Faktisch kann man dafür immer weniger kaufen. Kellogs Cornflakes kosteten gestern im Supermarkt 5,75 Euro, - umgerechnet über 11 DM, das hätte doch früher keiner bezahlt. Wer sein Vermögen erhalten will, dem bleibt gar nichts anderes übrig, als sein "Geld" in Gold und Silber zu tauschen. Für 1000 Reichsmark von 1913 gab es damals mehr als 10 Unzen Gold = heute mehr als 7000 Euro. Wer den 1000-Reichsmark-Schein von damals behalten hat, bekommt dafür in Ebay heute 50 cent, - wenn man Glück hat. Das sagt ja wohl alles.

  • M
    Maribu

    Gier nach Gold?? Nachfrage ohne Grenzen?? Bei 108 Tonnen?? Das sind im Schnitt gerade 1,35 Gramm pro Bürger und reicht noch nicht mal für nen Ehering.

    Kann schon sein, dass viele dank des segensreichen Wirkens von Wirtschaft, Politik und Banken gezwungen sind, Omas Goldkette einschmelzen zu lassen. Aber wozu macht die Taz da den großen Goldrausch draus?

  • R
    Ralf

    Laut Spiegel fuehrt Indien pro Jahr 700 bis 800 Tonnen Gold ein, die zwar in Schmuck verarbeitet werden, aber trotzdem Geldanlage sind. (Quelle: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,542654,00.html) Um Deutschland zum Goldland Nummer 1 zu machen, hat der taz-Autor moeglicherweise die gleiche Berechnungsformel verwendet, mit der sich die SPD zur Zeit die Wahlerfolge ausrechnet.

  • M
    moritz22

    Die Leute haben recht, sich in beständige Sachwerte zu flüchten. Diese Finanzkrise ist noch lange nicht überstanden - im Gegenteil: es ist damit zu rechnen, dass sie sich im Laufe der nächsten Jahre noch vergrößert, und der Staat ist jetzt schon bis Oberkante Unterkiefer verschuldet.

    Besorgniserregend sind in diesem Zusammenhang aber zwei Dinge. 1.: Der größte Teil des deutschen Staatsgoldes lagert in den USA. Werden wir im Ernstfall, also bei einem Totalzusammenbruch der Weltwirtschaft auch tatsächlich Zugriff darauf erhalten? Bei den Erfahrungen, die wir z.B. mit Bush & Co. machen mußten, darf dies bezweifelt werden. Seltsam, das solche Fragen nicht öffentlich diskutiert werden und das anscheinend niemand etwas dabei findet, daß ein anderer Staat Zugriff auf die deutschen Goldreserven hat. 2.: In Krisenzeiten ist der Staat berechtigt, das Gold der Bürger zu enteignen und einzukassieren, Bankschließfächer zu versiegeln etc. (Hat Roosevelt in den USA auch so gemacht). So etwas traue ich den Steuereintreibern in Berlin im Krisenfall auch ohne weiteres zu, und das GG macht es möglich.

    Am besten also Gold ohne persönliche Angaben/Registrierung kaufen und zuhause aufbewahren - notfalls im Garten verbuddeln. Und lieber kleine Einheiten kaufen, anstatt 100-Gramm-Barren, damit man im Ernstfall flexibler ist.

  • DA
    dinos aureus

    Gold müsste eigentlich viel teurer sein. Denn viele Kosten rund um die Goldgewinnung stecken nicht im Goldpreis, sondern als tickende Zeitbombe in verwüsteten, chemisch verseuchten Landschaften, zerstörten Existenzen und verkommener Moral - Kosten, die wohl kaum an Ort und Stelle eingetrieben werden können. Falls überhaupt jemand dafür zahlt, dann die reichen Länder. Aber die belasten nicht nur die Goldkäufer, sondern alle. Und das ist unsozial.

     

    Eigentlich bräuchten wir eine Ökosteuer auf Edelmetalle.

  • KW
    Klaus Wedel

    Zeitgemäßer Artikel. Hervorragend dass die TAZ nen Linksruck gekriegt hat.

     

    Man kann nur jedem raten, ihr erspartes abzuziehen und in Edelmetalle zu tauschen.

     

    GEschäfte mit Banken und Versicherungen sollten in den nächsten Jahren Tabu sein - in eigenem Interesse.

  • TR
    Thomas R. Koll

    Ich bin ja gespannt ob die Amerikaner es schaffen würden den privaten Goldbesitz wieder zu verbieten, so wie's ja bis 1973 der Fall war.