Krise in der Ukraine: Gegenseitiger Beschuss
Trotz Waffenruhe gibt es fast täglich Kämpfe. Die UNO beziffert die Opferzahl auf mehr als 300 seit September. Poroschenko will Putin kommende Woche treffen.
DONEZK/CHARKOW/KIEW dpa/afp | Bei Kämpfen im Osten der Ukraine sind am Samstag erneut fünf Menschen getötet worden. In Donezk starben drei Zivilisten bei Gefechten, weitere Opfer gab es laut Armee- und Behördenangaben in der Region Lugansk und beim Angriff auf einen Konvoi der Grenztruppen. Präsident Petro Poroschenko kündigte für den kommenden Freitag ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in Mailand zu Gesprächen über den Konflikt an.
Die Armee teilte mit, ihre Stellungen in den Regionen Donezk und Lugansk seien in der Nacht angegriffen worden. Die Industriestadt Donezk wird seit Monaten größtenteils von prorussischen Separatisten kontrolliert. Der Flughafen im Norden sowie mehrere Dörfer im Osten der Stadt werden jedoch von den Regierungstruppen gehalten.
Zwar hat sich der Konflikt seit Beginn einer Waffenruhe am 5. September stark abgeschwächt, doch gibt es weiterhin fast täglich Kämpfe. Auch aus der benachbarten Region Lugansk wurden am Samstag Gefechte gemeldet. Laut dem Provinzgouverneur wurde ein älterer Mann beim Einschlag einer Granate in sein Haus in Popasne getötet.
Südlich von Donezk starb nach Armeeangaben ein Soldat bei einem Angriff auf einen Konvoi der Grenzschutztruppen. Laut den Behörden in Kiew wurden damit seit Anfang September 120 Soldaten und Zivilisten getötet; die UNO beziffert die Opferzahl auf mehr als 300.
Gespräche in Mailand
Poroschenko kündigte bei einem Besuch in der ostukrainischen Stadt Charkiw an, er werde am kommenden Freitag beim Europa-Asien-Gipfel in Mailand mit Putin zu Gesprächen über die Beilegung des Konflikts zusammenkommen. „Ich erwarte nicht, dass es einfache Verhandlungen werden", sagte der ukrainische Präsident am Samstag in Charkow.
Dabei solle es sowohl um Frieden in der Ostukraine als auch um den Gasstreit zwischen Kiew und Moskau gehen, sagte Poroschenko weiter. Er werde außerdem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sowie die Regierungschefs Italiens und Großbritanniens, Matteo Renzi und David Cameron, treffen, sagte er örtlichen Medien zufolge. Eine Bestätigung des Kreml lag zunächst nicht vor. Ein Gespräch beim europäisch-asiatischen Gipfeltreffen (Asem) in Mailand am 16. oder 17. Oktober sei aber nicht ausgeschlossen, hatte ein Berater Putins zuvor gesagt.
Poroschenko hatte am Freitag Polizeigeneral Alexander Kichtenko zum Nachfolger des entlassenen Donezker Gouverneurs Sergej Taruta ernannt, der mehrfach seinen Friedensplan kritisiert hatte. Die Führung in Kiew bereitet nach dem Wechsel des Gouverneurs in der umkämpften Konfliktregion Donezk die Parlamentswahlen auch im Separatistengebiet vor.
Das Militär werde deswegen nicht mit den Aufständischen kämpfen, sagte der neue Kiew-treue Chef des Gebiets Donezk. „Aber wir werden die Wahlen auf jeden Fall in den Gebieten abhalten, die die ukrainischen Behörden kontrollieren“, fügte Kichtenko russischen Agenturen zufolge hinzu.
Die Forderungen nach Unabhängigkeit
Die moskautreuen Separatisten in Donezk und Lugansk wollen sich an den Wahlen zur Obersten Rada am 26. Oktober nicht beteiligen. Sie planen eigene Wahlen Anfang November und wollen damit ihre Forderung nach Unabhängigkeit bekräftigen. Die Regierung in Kiew schließt eine Abspaltung der Ostukraine aus.
Kichtenko kündigte Verhandlungen mit den Aufständischen an. Die Separatisten lehnten Gespräche mit ihm aber entschieden ab. Die Gebietshauptstadt Donezk und weite Teile der Region seien unter ihrer Kontrolle, sagte Separatistenführer Andrej Purgin. Purgin forderte eine Einhaltung der vor fünf Wochen vereinbarten Waffenruhe. Sowohl die Armee als auch die prorussischen Separatisten warfen sich gegenseitigen Beschuss in der Nacht zum Samstag vor.
Separatistenführer Alexander Sachartschenko rief eine „absolute Waffenruhe“ aus. Wenn diese eingehalten werde, solle in wenigen Tagen der vereinbarte Abzug schwerer Kriegstechnik von der Front beginnen, sagte er zufolge. Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko teilte mit, Kiew sei zu einem Rückzug seiner Geschütze bereit, sobald auch die Aufständischen ihre Waffen zurückzögen.
Russland warf der Ukraine vor, mit tödlichen Angriffen auf Zivilisten gegen die Feuerpause zu verstoßen. Zwar seien die Gefechte im Konfliktgebiet zuletzt zurückgegangen, doch setzten Regierungstruppen den Beschuss in Donezk, Lugansk und anderen Orten fort, sagte der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin in einer vom Außenministerium in Moskau veröffentlichten Rede. Kelin forderte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu einer Untersuchung auf. Kiew gab zunächst keine Stellungnahme ab.
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