piwik no script img

Krise in der ElfenbeinküsteGbagbo gräbt sich ein

Der Expräsident hat sich im Bunker seiner Residenz verschanzt. Diplomatische und dann militärische Versuche, ihn herauszuholen, sind gescheitert.

Gbagbo hat bei den Wahlen im November gegen Ouattara verloren, verweigert aber die Amtsübergabe. Bild: reuters

BERLIN taz | Der Fernsehsender des ivorischen Präsidenten Alassane Ouattara zeigt Ausschnitte aus dem deutschen Spielfilm "Der Untergang" über die letzten Tage Adolf Hitlers in seinem Bunker in Berlin 1945. Die Parallele zu Abidjan 2011 haben viele Ivorer auch schon vorher gezogen: Laurent Gbagbo, der Expräsident, hat sich im Bunker seiner Residenz im Stadtviertel Cocody verschanzt und widersetzt sich allen Versuchen, ob diplomatisch oder militärisch, ihn herauszuholen.

Ein Angriff der Ouattara-Armee auf die Residenz Mittwoch früh wurde am Mittag eingestellt, offenbar ergebnislos. Die rund 150 Gardisten Gbagbos, darunter Berichten zufolge angolanische Söldner, die noch immer die weitläufige Residenz schützen, sollen die Angreifer zurückgeschlagen haben, nachdem sich die ersten bereits im Gebäude befanden. Bis 2005 führte vom Keller der Gbagbo-Residenz ein Tunnel zur benachbarten Residenz des französischen Botschafters; Gbagbo ließ diesen damals zumauern.

Aus Kreisen der Ouattara-Armee hieß es, Gbagbo habe Scharfschützen auf umliegenden Dächern postiert, unter anderem auf dem Dach der Residenz des japanischen Botschafters. Am Dienstag hatte Gbagbos Militärführung nach schweren Luftangriffen der UN-Truppen und französischen Eingreiftruppe in Abidjan den Kampf für beendet erklärt, faktisch die Kapitulation erklärt und Verhandlungen über das Schicksal der Gbagbo-Streitkräfte und Gbagbos selbst aufgenommen. Diese scheiterten offenbar am Abend.

Franzosen versuchen zu vermitteln

Französische Vermittler sollen Gbagbo ein von der Regierung Ouattara verfasstes Dokument zur Unterzeichnung vorgelegt haben, auf dem er Ouattaras Wahlsieg anerkennt. Er verweigerte die Unterschrift. Am Abend gab Gbagbo einem französischen Fernsehsender ein bizarres Interview, in dem er sagte, er liebe das Leben und wolle nicht als Märtyrer sterben. Es gab unterschiedliche Gerüchte darüber, dass Südafrika ihm ein sicheres Geleit ins Exil angeboten habe und schon ein Flugzeug dafür bereitstünde.

Am Nachmittag verlagerten sich die Kämpfe in Richtung Präsidentenpalast, der mehrere Kilometer entfernt im Stadtzentrum liegt und wo Ouattara gerne seine Arbeit aufnehmen würde, egal ob Gbagbo noch im Keller der Residenz sitzt. Französische Panzerfahrzeuge versuchten, Stellung vor der nahe gelegenen französischen Botschaft zu beziehen, und wurden von Gbagbo-Einheiten beschossen.

In zahlreichen Stadtvierteln Abidjans gab es während der Nacht undim Laufe des Mittwochs massive Plünderungen seitens der auf sich allein gestellten "patriotischen" Milizen, die bislang Gbagbo unterstützten. Mehrere Menschen wurden entführt, wie Augenzeugen berichteten. Es kursieren angeblich Todeslisten von prominenten Ouattara-Sympathisanten, die jetzt umgebracht werden sollen. In einzelnen Stadtvierteln organisierten die Menschen Bürgerwehren, um sich gegen Plünderer zu schützen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • AA
    Andreas Ackermann

    "Warum veröffentlicht ihr nicht stattdessen endlich einmal die Wahlsiege Quattaras in den Rebellengebieten mit bis zu 97,7% Zustimmung?"

     

    97.7% Zustimmung hatte Ouattara in Denguélé. Das mag zunaechst mal unglaublich erscheinen. Wenn man sich aber in Erinnerung ruft, dass

     

    - die Politik Gbagbos von vornherein dem Norden gegenueber offen feindselig war, insbesondere gegenueber den seit Generationen aus Burkina, Mali etc. dort Eingewanderten und Denguele quasi mit an der Nordspitze ist,

    - Ouattara in Denguélé geboren wurde und veehrt wird,

    - er in der von unter anderem Gbagbo und Yao N'Dre (Verfassungsrat), der UN, der Wahlkommission und allen unabhaengigen Beobachtern als frei und fair gepriesenen ersten Runde bereits 93.42% bekommen hat und das Gros der verbliebenen Prozente an Leute ging, die ihre Waehler gebeten haben, in der zweiten Runde fuer Ouattara zu stimmen,

     

    dann erscheint's mir schon gut moeglich.

     

    Gbagbo hat in Akoupe 91.3% gemacht. Soweit ich weiss, ist die suedliche Gegend unter anderem aufgrund von dem Cocoa-Anbau deutlich mehr gemischt als Denguélé. Sind diese 91% nun glaubwuerdig, oder gilt das auch als Beweis, dass Gbagbo da betrogen hat? Wenn nicht, wo ziehst du die Grenze? Alles ueber 95% ist Betrug und alles drunter oder gleich ist ok?

  • M
    Malte

    Liebe Taz, in den meisten Artikeln über die Elfenbeinküste finden sich mehrere(!) Kommentare wie, "Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Berichterstattungen nicht so einseitig wären" - jetzt seit ihr dran!

  • HG
    Horst Günther

    Ouattara hat die Whlen eben nicht gewonnen, vor allem nicht eindeutig!

    Warum muss er dann von Gbagbo eine Verzichterklärung (diplomatisch ???) erzwingen?

  • SA
    Seksan Ammawat

    Was immer die TAZ auch an Quattara gefressen hat, dieser Bericht unterschreitet die Schwelle einer auch nur noch halbwegs erkennbaren Objektivität. Das schreckliche Massaker, welches die Quattara Rebellen vor wenigen Tagen begingen, nicht einmal mehr erwähnend, werden lediglich Gerüchte über angebliche Todeslisten mit Quattara Anhängern verbreitet. Quellenangaben fehlen konsequent. Warum veröffentlicht ihr nicht stattdessen endlich einmal die Wahlsiege Quattaras in den Rebellengebieten mit bis zu 97,7% Zustimmung? Dann könnte sich jeder Leser, der es nicht selber im Internet recherchiert, ein besseres Bild von dieser angeblich fairen und glaubhaften Wahl machen. Es ist einfach, Mantras, wie Quattara habe die Wahlen gewonnen, nachzubeten. Das Nachbeten macht sie aber nicht korrekt. Die Wahrheit ist komplexer, dafür aber wahr: 1. Wir wissen nicht, wer die Wahlen gewonnen hat, 2. Beide Seiten haben Menschenrechtsverletzungen begangen.

  • J
    Jan

    "Es sei unglaublich, dass das Schicksal eines Landes bei "einer Pokerpartie ausländischer Mächte" ausgetragen würde, sagte Gbagbo bei LCI. "

     

    Langsam bekommt diese Behauptung einen Bart. Er nennt sich Präsident, will aber den Wahlsieg seines Kontrahenten nicht anerkennen. Stattdessen müssen mal wieder die "ausländischen Mächte" als Sündenböcke herhalten. Auch wenn die großen Industrienationen mit afrika alles andere als fair umgehen, geht es hier nur um einen Mann der sich wie im Todeskampf an die Macht klammert.

  • B
    Bandira

    Alassane Ouattara, der von Frankreich und der UNO (!) herbeigebombte Präsident...ist das nicht der Massenmörder, dessen Soldaten noch schnell hunderte aus anderen Ethnien umbrachten? Wenn er als Präsident eingesetzt ist müssen aber nach libyschem Muster umgehend Sanktionsdrohungen der UNO und des freien Westens gegen seine Regierung folgen. In Folge müssen, wie gegen Libyen, die freien und unabhängigen westlichen Medien und die GRÜNEN die Kriegstrommeln gegen ihn schlagen. Letztendlich wird dann konsequenterweise der herbeigebombte Präsident, ganz legal, eben nach libyschem Vorbild, von den freien westlichen Kampfbombern wieder aus dem Palast herausgebombt. Oder verstehe ich da zu wenig von der 'freien Welt'?

  • BN
    B. Nampé

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Ich bin immer wieder erschüttert über die Berichterstattung über den Konflikt in der Elfenbeinküste. Wir haben regen Kontakt in die Elfenbeinküste und die Informationen, die von dort kommen sind ganz andere, als die die hier veröffentlich werden. Nämlich nicht, dass die Franzosen dort sind, um die Bevölkerung zu unterstützen. Die Bevölkerung will Ouattara nicht, der sich seinen Wahlsieg erschlichen hat und erst vor kurzem in einem westlichen Dorf 800 Menschen niedergemetzelt hat. Wer Ouattara will sind die Franzosen, damit sie sich nach vor an der Wirtschaft dort mitbeteiligen können. Geht es nicht immer um Rohstoffe, wenn Europa ihre Hilfe anbietet?

    International wurde Ouattara als neue Führung anerkannt, aber das ivorische Volk hat ihn nicht so eindeutig anerkannt. Hier laufen ganz schmutzige Geschäfte, die im Verborgenen liegen. Der vorgeschobene Machtkampf ist nur die offizielle Version des Konfliktes.

    Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Berichterstattungen nicht so einseitig wären.