Krise in Zentralafrikanischer Republik: Auf der Flucht vor den Milizen
Die muslimische Rebellenallianz Seleka verlässt die Hauptstadt Bangui. Mehr als 30.000 Muslime sind bereits vor Massakern in den Tschad geflohen.
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BERLIN taz | In der Zentralafrikanischen Republik zieht sich die mehrheitlich muslimische Rebellenallianz Seleka aus der Hauptstadt Bangui zurück, die sie im März 2013 erobert hatte. Gut zwei Wochen nach dem Rücktritt des Seleka-Führers Michel Djotodia als Staatschef am 10. Januar machten sich nach Berichten von Augenzeugen Kolonnen von Seleka-Militärs einschließlich hoher Generäle auf den Weg aus der Stadt nach Norden. Die bedrängte Rebellenallianz gibt damit endgültig ihren Machtanspruch auf.
Die Seleka-Kämpfer waren im Dezember unter massiven Druck der neuen französischen Interventionstruppe in Bangui geraten, die sie unter der Drohung mit gewaltsamer Entwaffnung gezwungen hatte, sich in ihre Kasernen zurückzuziehen.
Dass daraufhin die mehrheitlich christlichen Anti-Balaka-Milizen, die sich als „Selbstverteidigungsmilizen“ gegen Seleka aufgerüstet hatten, die Kontrolle über weite Teile Banguis übernahmen und zahlreiche Massaker an Muslimen begingen, schienen die französischen Truppen in Kauf zu nehmen.
Inzwischen gibt es nur noch wenige Stadtviertel in Bangui, wo sich Seleka-Kämpfer aufhalten. Peter Bouckaert von Human Rights Watch berichtet auf Twitter, Seleka-Kommandeure hätten ihm am Sonntag gesagt, die Organisation sei jetzt aufgelöst und jeder kämpfe für sich selbst. Andere Quellen berichteten, die Seleka-Einheiten würden jetzt versuchen, sich in den Städten Sibut und Kaga Bandoro nördlich von Bangui zu sammeln.
Über 30.000 Muslime aus der Zentralafrikanischen Republik sind mittlerweile im Tschad als Flüchtlinge angekommen. Weitere sind unterwegs. Auch in Kamerun landen muslimische Flüchtlinge. Augenzeugen berichten, fast täglich würden Anti-Balaka-Milizen in Ortschaften einrücken, aus denen sich Seleka zurückgezogen hat – wer als Muslim dann dageblieben ist, muss damit rechnen, getötet zu werden. In den letzten Tagen sind erneut über 100 Muslime massakriert worden.
Angesichts dieser explosiven Lage erscheint die neue Übergangspräsidentin Catherine Samba-Panza machtlos. Sie bestimmte am Wochenende den bisherigen Vizepräsidenten der Regionalbank BDEAC, André Nzapayéké, zu ihrem Premierminister. Nzapayéké gilt als betont unpolitische Wahl und soll als Chef eines Technokratenkabinetts, in dem die bewaffneten Gruppen möglichst wenig zu sagen haben, zumindest die öffentliche Verwaltung wieder arbeitsfähig machen.
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