Krise im Kosovo: Aus für Koalitionsregierung
Die Demokratische Liga kündigt die Zusammenarbeit mit Premier Hashim Thaci auf. Neuwahlen noch in diesem Jahr sollen die politische Blockade überwinden helfen.
SARAJEVO taz | Schwere politische Krise im Kosovo: Die Koalitionsregierung zwischen der derzeit stärksten Partei von Premierminister Hashim Thaci PDK (Demokratische Partei Kosova) und der LDK (Demokratische Liga Kosova) ist überraschend geplatzt. Die LDK will am heutigen Montag ihre sechs Minister zurückziehen und damit Neuwahlen schon in 45 Tagen erzwingen. Erst in der vergangenen Woche hatte man sich auf Neuwahlen für den 13. Februar geeinigt.
Über die Gründe ist bislang von offizieller Seite noch keine Stellungnahme erfolgt. Hintergrund für die Krise im Kosovo ist ein Urteil kosovarischen Verfassungsgerichts von Ende September. Dieses hatte Staatspräsident Fatmir Sejdiu untersagt, gleichzeitig auch Präsident der LDK zu bleiben. Daraufhin trat Sejdiu von seinem Amt als Staatschef zurück. Da der Präsident aus den Reihen des Parlamentes gewählt werden muss und sich keine Mehrheit für einen alternativen Kandidaten gefunden hatte, wurden die Auflösung des Parlaments und erst am vergangenen Freitag Neuwahlen für den 13. Februar beschlossen. Nach der Verfassung müssen Neuwahlen jetzt jedoch früher angesetzt werden.
Der prominente LDK-Politiker Bujar Bukoshi erklärte, es seien zu viele Konflikte zwischen den Regierungsparteien entstanden, so dass es keine Möglichkeiten für eine weitere Zusammenarbeit gegeben habe. Nach Meinung von Beobachtern könnte sich die Entscheidung für den schnellen Rückzug der LDK an dem Streit über den Verkauf der staatlichen Post und Telekom und dem Staatshaushalt entzündet haben. Die LDK hatte am vergangenen Mittwoch zusammen mit allen Oppositionsparteien das Parlament demonstrativ unter Protest verlassen, so dass die Volksvertretung nicht mehr beschlussfähig war.
Der bekannte politische Analytiker Shpend Ahmeti, der mit anderen Intellektuellen und Experten eine neue politische Partei gegründet hat, die "Fryma e Re - FER" (Atemzug frischer Luft), sieht in dem Schritt der LDK den Versuch, sich aus der Verantwortung für die katastrophale Politik der Regierungskoalition seit der Unabhängigkeit im Februar 2008 zu stehlen. Weiterhin, so Shpend Ahmeti, würde damit auch der Dialog mit Serbien verzögert.
Andere Beobachter gehen davon aus, dass PDK-Anhänger vom Verkauf der Post und Telefongesellschaft profitieren würden. Der schnelle Rückzug der LDK aus der Regierung hat nun den Verkauf erst einmal gestoppt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“