Krise im Kongo: Friedenssschluss, ganz nebenbei
Kongos Regierung und die M23-Rebellen unterzeichnen in Kenia eine in getrennte Erklärungen aufgeteilte Friedensvereinbarung.
KAMPALA taz | Nach einem Jahr zäher Verhandlungen haben die ehemaligen M23-Rebellen (Bewegung des 23. März) und die Regierung der Demokratischen Republik Kongo ihre Friedensgespräche beendet. Sie unterzeichneten am späten Donnerstag zwei getrennte Erklärungen in Nairobi bei den Feiern zu Kenias 50. Unabhängigkeitsjahrestag.
M23-Präsident Betrand Bisimwa sicherte in seiner Erklärung zu, dass er das Ende der Rebellion garantiere und die M23 eine politische Partei gründe. Die M23-Kämpfer werden sich in ein Demobilisierungsprogramm einfügen.
Im Gegenzug sichert Kongos Regierung zu, ein Programm aufzusetzen, die Rebellen ins zivile Leben zurück zu führen. Ihnen werde Amnestie zugesichert, solange sie keine Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben.
Die Regierung verspricht die Freilassung von M23-Kriegsgefangenen und eine Versöhnungskommission, die Rückführung der Flüchtlinge aus den Nachbarländern sowie den wirtschaftlichen Aufbau der kongolesischen Ostprovinzen, alles Forderungen der M23.
Im selben Atemzug unterzeichneten die Vorsitzenden der beiden mit der Krise im Kongo befassten Regionalorganisationen ICGLR (Internationale Konferenz der Region der Großen Seen) und der SADC (Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika) eine Erklärung zum erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen, die unter Mediation des ICGLR-Vorsitzenden, Ugandas Präsident Yoweri Museveni, seit Dezember 2012 in Kampala stattgefunden hatten.
Niemand hatte mehr damit gerechnet
Die Unterschriften geschahen jetzt eher überraschend, gerade dann, als niemand mehr damit rechnete. Die Verhandlungen in Kampala waren im November für gescheitert erklärt worden. Nachdem Kongos Regierungsarmee Anfang des Monats die M23 militärisch geschlagen hatte und die M23-Kämpfer ins Nachbarland Uganda geflüchtet waren, wo sie sich bis heute aufhalten, empfand es die Regierung nicht mehr als notwendig, ein Abkommen mit geschlagenen Rebellen zu schließen. Ihre Vertreter verweigerten die Unterschrift unter den fertig ausgehandelten Text, weil sie ihn nicht als „Abkommen“ bezeichnet haben wollten.
Auch der M23 schien es zunächst recht, keine Zugeständnisse als Verlierer machen zu müssen. Von ihrem Exil in Uganda aus keimten nach Scheitern der Gespräche die ersten Hoffnungen auf, vielleicht doch noch einmal mit gestärkter Moral die kongolesische Regierung militärisch unter Druck setzen zu können.
Doch Ugandas Präsident Museveni und Vertreter der internationalen Gemeinschaft machten beiden Seiten Druck. Für sie war es wichtig, die Verhandlungen mit irgendeiner Unterschrift offiziell zu beenden, um das Gesicht zu wahren.
So blieb den beiden Gegnern jetzt keine Wahl, als zähneknirschend in Nairobi ihre beiden Erklärungen zu unterzeichnen, die die für die jeweilige Seite relevanten Teile des Entwurfs vom November fast unverändert übernehmen.
Eineinhalb Jahre Krieg
Eineinhalb Jahre lang hatten sich Kongos Regierungsarmee und die M23 in der Provinz Nord-Kivu im Ostkongo entlang der Grenze zu Ruanda und Uganda Gefechte geliefert. Zu Beginn gelang es der M2,3 einen Landstrich zu erobern, einen Staat im Staat aufzubauen, Steuern zu erheben.
Im November 2012 eroberte sie die Millionenmetropole Goma und hielt sie elf Tage lang besetzt. Die Regierung war so gut wie geschlagen. Das zwang Präsident Joseph Kabila damals in Kampala an den Verhandlungstisch.
Doch im Juli 2013 wendete sich das Blatt im Sommer. Die UN-Mission im Kongo stationierte eine aktive Eingreiftruppe, die auf Seiten der Armee gegen die M23 vorgehen durfte. Gemeinsam gelang es, die M23 zurückzudrängen, bis sie sich Anfang November schließlich geschlagen nach Uganda absetzte.
Reibungslose Umsetzung fraglich
Wie sich die vereinbarten Punkte der unterzeichneten Erklärungen in die Praxis umsetzen lassen, das muss die Zukunft zeigen. Ugandas Präsident Museveni erklärte bereits, er werde die Kämpfer und die M23-Militärführung nicht mit Gewalt an Kongos Regierung ausliefern. Kongos Verteidigungsministerium hatte bereits signalisiert, dass man den obersten M23-Führern keine Amnestie garantieren werde.
Insofern ist es für diese sowieso erst einmal sicherer und bequemer, in Uganda Unterschlupf zu finden. Ugandische Quellen munkeln, die M23-Führer würden bereits mit ugandischen Reisepässen ausgestattet, um sich nach einem Exilland umsehen zu können oder in Uganda selbst unterzutauchen.
Die rund 1600 einfachen M23-Kämpfer, die nach Uganda geflohen sind, wurden entwaffnet und nahe der Grenze in einem Militärlager untergebracht. Ob M23-General Sultani Makenga diesen jungen Männern tatsächlich den Befehl zur Rückkehr in den Kongo und zur Demobilisierung geben wird, darüber schweigt die M23-Führung noch.
Die politischen M23-Führer werden derzeit vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in der westugandischen grenznahen Stadt Kisoro registriert. Viele hausen dort seit einem Monat mit Frauen und Kindern. Die meisten suchen für ihre Familien ein sicheres Heim in Uganda.
Offiziell kein Grund zum Feiern
Internationale Diplomaten feiern die Unterschriften von Nairobi als „Grundlage für Frieden“ in der Region und drängen auf baldige Umsetzung. In Kongos Hauptstadt Kinshasa schweigt man lieber. Die Unterschrift ist dort nicht populär. Zu groß ist die Angst, dass andere Milizen jetzt ebenso die Regierung zu Abkommen zwingen wollen.
Zudem feiert sich die Regierung als militärischer Sieger über die M23. Kongos Regierungssprecher Lambert Mende besteht darauf, dass kein „Abkommen“ unterzeichnet worden sei, sondern eine „unilaterale Erklärung einer negativen Kraft“.
Die M23 sagt offiziell erst einmal lieber nichts. Inoffiziell sind weder M23-Politiker noch Militärs glücklich über die Unterschrift. Damit haben sie sich nämlich selbst die Hände gebunden und zugesichert, nie wieder zur Waffe zu greifen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure