: Krise auf dem Informatik-Sektor
■ Bull fährt Rekordverlust ein / Britische STC-Gruppe verkauft ICL-Tochter an Fujitsu
Paris/Tokio (afp) - Das französische Informatik -Unternehmen Bull, in der Branche weltweit an achter Stelle, ist mit der gegenwärtigen Krise auf dem Markt tief in die roten Zahlen gerutscht. Für das erste Halbjahr 1990 gab das staatliche Unternehmen in Paris einen Rekordverlust von 1,88 Milliarden Francs (rund 553 Millionen Mark) bekannt. Das ist dreimal mehr als das in der entsprechenden Vorjahresperiode erzielte Defizit.
Der Umsatz belief sich bei Bull im ersten Halbjahr 1990 auf 15,9 Milliarden Francs (4,7 Mrd. Mark), gegenüber 14 Milliarden Francs (4,1 Mrd. Mark) in den ersten sechs Monaten 1989. In der Zwischenzeit hat der französische Hersteller die Mikroinformatik von der Zenith Electronics übernommen, was die Schuldenlast erhöhte. Bull soll nun dem Industrieministerium einen Reorganisationsplan vorlegen, der vor allem Verwaltung und Vertrieb betrifft, und plant in diesem Jahr noch 3000 Entlassungen. Der Staat will dem bedrängten Unternehmen, das weltweit 45.000 Personen beschäftigt, mit Zuschüssen und Krediten von insgesamt 1,3 Milliarden Francs (380 Millionen Mark) unter die Arme greifen.
Bereits am Wochenbeginn wurde in Paris die Übernahme des größten britischen Computerherstellers, International Computers Ltd. (ICL), durch den japanischen Elektronikriesen Fujitsu bekannt. Fujitsu übernimmt für über zwei Milliarden Mark achtzig Prozent von ICL, nachdem die ICL -Muttergesellschaft STC im ersten Halbjahr 1990 erhebliche Gewinneinbußen verzeichnete. Damit rückt der japanische Konzern hinter IBM weltweit auf Platz Zwei in der Informatik. ICL gehört zu den sechs wichtigsten europäischen Computerherstellern und hat in der STC-Gruppe einen Anteil von 60 Prozent am Umsatz und von 50 Prozent im Gewinn. Die Übernahme durch die Japaner könnte nach Ansicht von Experten die Zukunft von STC gefährden.
Die Veränderungen auf dem Informatik-Sektor haben den Markt voll erfaßt. Im vergangenen Jahr mußten die 20 weltweit führenden Hersteller eine Halbierung ihrer Netto-Gewinne hinnehmen. In Europa gab es neben der ICL-Fujitsu -Transaktion bereits die Übernahme von Nixdorf durch Siemens. Die amerikanischen Unternehmen Control Data und Unisys verloren 1989 über 600 Millionen Dollar. Während Control Data inzwischen auf Kosten des Umsatzes aus den roten Zahlen kam, verzeichnete Unisys im zweiten Quartal 1990 einen Gewinnverlust von fast 80 Prozent und ließ den Japaner Mitsui mit 4,6 Prozent in sein Kapital einsteigen.
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