: Krimtataren treffen Gromyko
■ Bereits vier Tage demonstrieren Vertreter dieser Volksgruppe in Moskau für eine autonome Republik / Am Wochenende kam es zu Auseinandersetzungen / „Autonomie“ und „Gleichberechtigung“ gefordert
Moskau (dpa) -Die seit vier Tagen in der Moskauer Innenstadt für ihre nationalen Rechte demonstrierenden Krimtataren haben am Sonntag eingewilligt, sich am Montag mit dem sowjetischen Staatsoberhaupt Andrej Gromyko zu treffen. Die mehrere hundert Personen umfassende Gruppe räumte daraufhin am Sonntag nachmittag freiwillig den Rand des Roten Platzes, wo sie sich seit dem Samstag morgen konzentriert hatte. Auch die Polizei zog sich anschließend zurück. Die Krimtataren hatten bisher verlangt, ausschließlich mit KPdSU–Chef Michail Gorbatschow zu sprechen. Angebote für Unterredungen mit Gromyko und seinem Ersten Stellvertreter Pjotr Demitschew hatten sie ausgeschlagen. Gromyko ist Vorsitzender einer Kommission des Obersten Sowjets, die sich mit der Nationalen Frage der Krimtataren beschäftigen soll. Die Protestaktionen haben seit ihrem Beginn am Donnerstag deutlich an Schärfe zugenommen. Am Samstag abend versuchten etwa 150 Krim–Tataren mit hocherhobenen Fäusten auf den Roten Platz in Richtung Kreml zu stürmen. Männer, Frauen und kleine Kinder hatten bereits den ganzen Tag über bei glühender Hitze am Rande des Platzes ausgeharrt. „Gorbatschow, Gorbatschow“ und „Vaterland oder Tod“ riefen die Demonstranten. Sie wurden von Milizeinheiten gestoppt und wieder in Richtung Basilius–Kathedrale zurückgedrängt. In Sprechchören riefen sie immer wieder die Worte „Autonomie“, und „Gleichberechtigung“. In einer Resolution protestierten sie gegen eine Erklärung der amtlichen Nachrichtenagentur TASS. Die Agentur rief darin zwar zu Umsicht und Ruhe bei der Lösung des Problems auf, beschuldigte jedoch zugleich dieses Volk, während des Zweiten Weltkrieges zusammen mit den Nationalsozialisten Tausende von Sowjetbürgern ermordet zu haben. Die Krim–Tataren fordern den Widerruf dieser Erklärung. Die Stellungnahme schüre feindliche Gefühle anderer Nationalitäten gegenüber den Krim–Tataren. Stalin hatte im Jahre 1944 die Tataren unter dem Vorwurf der Zusammenarbeit mit den Nazis in die zentralasiatischen Republiken der UdSSR zwangsumgesiedelt. Die Tataren sprechen heute von 400.000 Verschleppten.
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