Krimis aus Schweden: Tolle neue Verbrechen

Die studierte Politologin Kristina Ohlsson schreibt Krimis voll spannungsreicher Tiefe. Soeben ist der dritte Fall der Autorin erschienen.

Ein Land, in dem Krimis funktionieren: Schweden. Bild: imago/blickwinkel

Die Karriere der Kristina Ohlsson ist auch vor dem Hintergrund der bunten schwedischen Krimiszene, in der ja jede und jeder vor der Karriere als SpannungsautorIn mal ganz andere Pläne verfolgt hat, recht außergewöhnlich. Als Expertin für Nahost- und EU-Außenpolitik war sie tätig, hat sich für die OSZE in Wien mit internationalem Terrorismus befasst und auch schon für die Stockholmer Polizeibehörde gearbeitet.

Doch seit 2009 ihr erster Roman „Aschenputtel“ erschien – da war sie dreißig –, ist die studierte Politologin ein internationaler Krimistar. Damit dürfte die Behördenkarriere sich fürs Erste erledigt haben.

Jetzt ist mit „Sterntaler“ Ohlssons dritter Roman auf Deutsch herausgekommen, ein weiterer Teil ihrer Reihe um ein Ermittlerkollektiv der Stockholmer Kriminalpolizei. Der leitende Kommissar Alex Recht sowie seine KollegInnen Peder Rydh und Fredrika Bergman sind nicht nur persönlich, sondern auch in Bezug auf die berufliche Herkunft sehr unterschiedlich, denn Fredrika ist Quereinsteigerin, eine Akademikerin, die in den Polizeidienst aufgenommen wurde, ohne die übliche Ausbildung durchlaufen zu haben.

Das hat sie mit ihrer Autorin gemeinsam, und die Vorbehalte der Kollegen, mit denen Bergman vor allem im ersten Roman zu kämpfen hat, sind Ohlsson mit Sicherheit auch selbst nicht ganz fremd.

Erfolgreich resozialisiert

Im dritten Buch sind diese Vorurteile schon Geschichte, ebenso wie die Affäre um den Kollegen Peder Rydh, der seine Frauenprobleme im zweiten Band („Tausendschön“) mit sexistischen Ausfällen gegen jüngere Kolleginnen kompensiert hatte, jedoch mithilfe einer behördlich angeordneten Psychotherapie erfolgreich resozialisiert werden konnte. Kristina Ohlsson ist eine Vertreterin des klassischen schwedischen Polizeiromans mit seinem unerschütterlichen Urvertrauen in die Rechtschaffenheit und Kompetenz der staatlichen Organe.

Was Ohlsson als Autorin aus dem Genre herausragen lässt, ist ihre Fähigkeit, eine glaubwürdige Figurenführung mit einem überlegenen und überlegten Spannungsaufbau zu verbinden. All diese privaten Dinge, die wir eigentlich gar nicht mehr über die Buchermittler wissen wollen – Beziehungsstress, Alkoholsucht, Depressionen etc. –, sind bei Ohlsson deutlich mehr als bei anderen organischer Bestandteil der Handlung. Im „Sterntaler“-Fall zum Beispiel wird ein erheblicher Teil der Spannung daraus gewonnen, dass der Lebensgefährte von Ermittlerin Fredrika Bergman, ein Literaturprofessor, nicht nur von einer Studentin wegen sexueller Belästigung angezeigt wird, sondern darüber hinaus auch noch in den Fokus der Mordermittlungen gerät.

Das Team um Kommissar Alex Recht muss nämlich den Mord an einer Literaturstudentin aufklären, die zwei Jahre zuvor verschwunden war und deren Leiche nun zufällig von einem Hund im Wald ausgegraben wird.

Eine alte Kinderbuchautorin, die einst wegen Mordes an ihrem Lebensgefährten verurteilt wurde und seit dreißig Jahren schweigt, ein erfolgreicher Spitzenmanager mit etwas unklarer Vergangenheit und ein geheimnisvoller Filmclub, in dem möglicherweise Snuff-Videos produziert wurden, sind die Ingredienzien der Kriminalhandlung, die auf der persönlichen Ebene auch noch dadurch garniert wird, dass Kommissar Alex Recht mit der Mutter des Opfers anbandelt – und dass der behinderte Bruder des Polizisten Peder Rydh tragisch zwischen die Fronten gerät.

Das ist dann fast ein bisschen zu viel des Guten an Integration von Privat- und Verbrechenssphäre. Wenn Ohlssons Ermittlungsteam dauerhaft so stark mit dem eigenen Gefühlsleben an den Fällen beteiligt bleibt, ist die staatlich angeordnete Gruppentherapie jedenfalls schon programmiert. Aber auch die werden wir wohl wieder gebannt verfolgen.

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