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Kriminalität in FrankreichExplosion in Grenoble

In der südfranzösischen Stadt explodiert in einer Bar eine Handgranate, 15 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Hintergrund ist noch unklar.

Einsatzkräfte vor einer Bar in Grenoble, in die eine Granate geworfen wurde. Bei der Explosion wurden mehrere Menschen verletzt Foto: Maxime Gruss/AFP/dpa

Paris taz | Es war kurz nach 20 Uhr am vergangenen Mittwochabend als in einem südlichen Viertel der Stadt Grenoble ein mit einer Kalaschnikow bewaffneter Mann die Café-Bar des Vereins Aksehir (nach dem Namen der Stadt in der Türkei; Anm. d. Red.) betrat und eine entsicherte Handgranate ins Innere schleuderte. Bei der Explosion wurden 15 Personen, die sich in der Bar befanden, verletzt, 6 von ihnen laut Le Figaro schwer oder lebensgefährlich. Der Angreifer konnte unerkannt entkommen.

Das im Bezirk angeblich beliebte Lokal war zu diesem Zeitpunkt sehr gut besucht, und angesichts der sichtbaren Zerstörungen mutet die Opferbilanz fast glimpflich an. Der Bürgermeister der Stadt im Südosten Frankreichs, Eric Piolle sagte gegenüber der Agentur AFP, er habe aufgrund der Zahl der Verletzten den Sondereinsatzplan für Katastrophen „Plan blanc“ angeordnet.

Rund 80 Angehörige der Rettungsmannschaften seien im Einsatz gewesen. Piolle äußerte sich besorgt wegen der „Eskalation der Gewalt“ in seiner Stadt. Mit der Aufklärung der Tat und der Ermittlung wurde eine Abteilung der Kriminalpolizei für das organisierte Verbrechen beauftragt.

Noch am Abend erklärte der Staatsanwalt von Grenoble, François Touret-de-Coucy, bei einer Pressekonferenz, auch wenn er noch keine genaue Spur verfolge, gehe er „a priori“ nicht von einem terroristischen Anschlag aus. Die Polizei vermutet hinter diesem „extrem brutalen“ Angriff eher Spannungen rivalisierender Banden, über die sich auch die Anwohner des ehemaligen Olympiadorfs von Grenoble regelmäßig beschwert hätten. Allein im Jahr 2024 wurden von der Polizei im Raum Grenoble und dem Vorort Echirolles rund 50 Schießereien registriert, von denen Behörden zufolge mindestens die Hälfte mit Konflikten im Zusammenhang mit Drogenhandel stehen sollen.

Kalaschnikows und andere Waffen

Die Vizebürgermeisterin Chloé Pantel schilderte dem Sender FranceInfo das Aksehir-Café als Treffpunkt von Anwohnern und Leuten von außerhalb, die dort oft Fußballspiele gemeinsam anschauten. Niemand spricht von einem gefährlichen Hotspot für Dealer. Auch der Staatsanwalt bestätigte, der Ort sei aus der Sicht der Behörden „nicht besonders besorgniserregend“ gewesen.

So sehr der Anschlag auf eine Bar im Erdgeschoss eines ­Wohngebäudes schockiert, besonders erstaunt ist man angesichts der jüngsten Welle von Gewalt in Grenoble nicht. Die Industrie- und Universitätsstadt in den französischen Alpen kommt in Sachen gewaltsamen Abrechnungen unter ­Drogen­banden gleich hinter Marseille, wo seit Jahren die Konkurrenz mit Kalaschnikows und anderen Kriegswaffen ausgetragen wird.

Allein in Marseille wurden 2023 im Zusammenhang mit diesen Bandenkonflikten 47 Menschen getötet. Vier davon waren laut der Polizei völlig Unbeteiligte. Besonders beunruhigend für die Gesellschaft ist die Tatsache, dass die für solche Verbrechen mit ein paar tausend Euro angeheuerten Killer immer jünger und skrupelloser werden und sich oft schwere automatische Waffen beschaffen können.

Keine Einzelfälle

Grenoble und Marseille sind keine isolierten Einzelfälle. Diese Form der kriminellen Gewalt nehme in mehreren städtischen Großräumen zu, obschon die jeweiligen Innenminister in martialischen Tönen den Drogenhändlern und ihren Auftragskillern immer wieder mit einem unerbittlichen Kampf und strengsten Strafen drohen.

Der derzeitige für die innere Sicherheit zuständige Minister, Bruno Retailleau, will darum – wie schon sein Amtsvorgänger und heutiger Justizminister Gérald Darmanin –, noch am Freitag nach Grenoble fahren und nicht die geringsten Zweifel an seiner repressiven Entschlossenheit aufkommen lassen.

Kein Zufall ist es auch, dass am Donnerstag die Abgeordneten über einen Antrag des ehemaligen Premierministers debattieren, der verlangt, dass minderjährige Straftäter in bestimmten Fällen ebenso hart und ohne mildernde Umstände aufgrund ihres Alters bestraft werden können.

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