: Kriegstreiberei in der taz
■ Betr.:“Rolläden runter, Fernseher an“, taz vom 18.1.91
Hängen in der taz-Redaktion jetzt auch gelbe Bänder, „damit die Lieben gesund heimkehren“, wie in den Wohnungen der GI-Restfamilien in Garlstedt? Birgitt Rambalskis Reportage aus der verwaisten US-Garnision ist gründlich mißglückt; die Sprache ist ihr völlig entglitten.
Herrausgekommen ist ein human-touch-Rührstück — ärgerlich, peinlich, nicht besser als die journalistische Kriegstreiberei der übrigen Presse.
„Hoffnung auf ein schnelles Ende“. No problem: „Wir haben solch gute Waffen und soviel Erfahrung aus Vietnam.“ Ein ungerechtes Urteil? Die Reporterin wird einwenden, sie habe nur das aufgeschrieben, was ihr die Restfamilie Stevenson erzählt habe.
Für das dumme Gerede von Frau und Tochter (“Du mußt auch für die Männer dort drüben stark sein“) trügen die Zitierten, nicht die Zitierende, die Verantwortung. Diese Ausrede gilt nicht. In Birgitt Rambalskis Schilderung werden die Angehörigen jener GIs, denen die amerikanischen Kriegsherren die exquisite Gelegenheit verschaffen, Bagdad brennen zu sehen wie einen Weihnachtsbaum, selber zu erbarmungswürdigen Opfern. Soldaten sind keine Mörder — erklärt uns Rambalski; sie sind Familienväter.
Die Reporterin verführt uns in den sentimentalen Winkel unseres Gemüts. Ihr Werkzeug ist die Sprache. Birgitt Rambalski fährt auf, was in human-touch-stories einschlägig ist: Wir lesen von Babies, die „Daddy“ sagen. Von Tränen, die die Augen füllen, von Eheringen, Familienfotos, vom Starksein und immer wieder vom Starksein. Von der unglaublichen Schöpferkraft der Bomber Piloten in der ersten Nacht: „Nach dem, was sie vollbracht(!) haben, kann es nicht lange dauern.“ Nach einer Wickert Umfrage finden 81 Prozent der deutschen Bevölkerung den Waffeneinsatz gegen den Irak völlig ok.
Törichtes Gerede, wie das der hell-on-wheels-Restfamilie Stevenson, führt sich offenbar nicht selber ad absurdum. JournalistInnen hätten hier eine Aufgabe. Gegen den Krieg anschreiben ist etwas ganz anderes, als es Birgitt Rambalski getan hat.
Günter Beyer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen