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Krieg in SyrienDie Schlinge um Assad zieht sich zu

Im März 2011 begann der Aufstand in Syrien. Heute steht das Land vor der Wahl – zwischen politischem Kompromiss und der Hölle.

In der einst blühenden Handelsmetropole Aleppo werden die Waren knapp. Bild: reuters

ISTANBUL taz | Eindringlich hat Lakhdar Brahimi, der Sondervermittler der UNO und der Arabischen Liga, am Wochenende erneut für eine Beilegung des Konflikts in Syrien geworben: Syrien habe die Wahl zwischen einer politischen Lösung oder der Hölle, sagte Brahimi in Moskau, wo er sich am Samstag zu Gesprächen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow traf. Ähnlich sieht man die Lage inzwischen auch in Moskau.

Russland hat seinem letzten Verbündeten im Nahen Osten lange die Stange gehalten und mehrere Resolutionen im UNO-Sicherheitsrat blockiert. Moskau werde weiterhin gegen jede UNO-Resolution stimmen, die den Weg für eine ausländische Intervention ebnet, halte jedoch nicht an Assad fest, sagte Lawrow. Am Freitag bot Russland der Opposition erstmals Gespräche an, was diese freilich umgehend ablehnte. Aus Sicht der Regimegegner haben die Russen mit ihrer Unterstützung für Assad maßgeblich zur harten Haltung des Regimes beigetragen.

Als die Rebellion in Syrien im März 2011 begann, glaubten viele Syrer, dass Baschar al-Assad anders reagieren würde als die üblichen Diktatoren im Nahen Osten. Immerhin war der Augenarzt als Reformer angetreten. Er hatte lange in London gelebt und war offenbar ein Fan westlicher Kultur. Doch nun schickte er seine Häscher los, steckte friedliche Demonstranten in den Knast und ließ sie foltern.

Als die Armee im Februar 2012 Teile der zentralsyrischen Stadt Homs, eine der Hochburgen der Rebellion, mit schwerer Artillerie in Schutt und Asche legte, war dies das Fanal für den bewaffneten Aufstand in zahlreichen Landesteilen. Im Juli fielen vier von Assads Top-Sicherheitsleuten einem Bombenanschlag zum Opfer. Kurz darauf starteten die Rebellen eine Offensive auf die Wirtschaftsmetropole Aleppo. Das Regime setzte daraufhin die Luftwaffe ein und schreckte selbst vor Verwendung von Streubomben nicht zurück.

Das Blatt wendet sich

Waffentechnisch sind die Aufständischen dem Regime nach wie vor unterlegen. In jüngster Zeit scheint sich das Blatt jedoch zu wenden. Die Rebellen halten inzwischen große Gebiete an der Grenze zur Türkei im Norden und zum Irak im Osten. In den vergangenen Wochen haben ihre Militäroffensiven das Regime an mehreren Frontabschnitten in Bedrängnis gebracht. Aufständische griffen am Samstag die Armeestellungen um den Flughafen von Aleppo an.

Gleichzeitig dauerten die Kämpfe um die Kontrolle der wichtigen Verkehrsachse um die zentralsyrischen Städte Hama und Homs an. Sollten die Rebellen hier gewinnen, würden sie dem Regime den Landweg für den Nachschub in die nördliche Provinz Idlib abschneiden. Zugleich würde damit auch die wichtige Achse zwischen Damaskus und der Küstenregion um Lattakia gekappt – Kernland der Minderheit der Alawiten, der Assad angehört und die den Sicherheitsapparat und die Säulen des Regimes dominiert. Das Regime würde damit von seinem Hinterland abgeschnitten. Zugleich haben die Rebellen ihren Belagerungsring um die Hauptstadt Damaskus enger gezogen.

Geberkonferenz

Unter dem Vorsitz von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wird am 30. März eine internationale Geberkonferenz für Syrien in Kuwait stattfinden. Die UNO und andere Organisationen haben für Hilfsleistungen für das kommende halbe Jahr 1,5 Milliarden Dollar (etwa 1,15 Milliarden Euro) angefordert. Davon sollen mit einer Milliarde Dollar die Flüchtlinge in den Nachbarländern Türkei, Libanon, Jordanien und erstmals auch in Ägypten unterstützt werden.

Weitere 519 Millionen Dollar sind laut UNO nötig, um die rund vier Millionen Hilfsbedürftigen in Syrien selbst, darunter etwa zwei Millionen Inlandsflüchtlinge, zu versorgen. Neu ist auch, dass die UN-Organisation für palästinensische Flüchtlinge Gelder für die aus Syrien in den Libanon geflohenen Palästinenser erhalten soll. (b.s.)

Eine vom amerikanischen „Institute for the Study of War“ veröffentlichte Karte zeigt, dass sich der Osten von Damaskus mittlerweile in den Händen der Aufständischen befindet. Darüber hinaus seien die Rebellen aber offenbar auch in der Lage, die Hauptstadt von Westen her anzugreifen, stellen die beiden Autoren, Joseph Holliday und Michael Lynch, fest.

Die taktischen Gewinne der Rebellen gehen einher mit Erfolgen der politischen Opposition an der diplomatischen Front. Mehr als 100 Regierungen, die am 12. Dezember am Treffen der „Freunde Syriens“ im marokkanischen Marrakesch teilnahmen, haben die kürzlich gegründete „Nationale Koalition der syrischen revolutionären und oppositionellen Kräfte“ als legitime Vertretung der Syrer anerkannt. In einigen europäischen Hauptstädten, allen voran in Paris, scheinen Politiker jetzt über eine Aufhebung des Waffenembargos gegenüber den Rebellen nachzudenken.

Gleichzeitig bemühen sich die wichtigsten Verbündeten der Rebellen – Türkei, Katar und Saudi-Arabien – intensiver denn je um eine einheitliche Kommandostruktur. Ein kürzlich in der Türkei gegründeter „Hoher Militärrat“ soll gewissermaßen als „Generalstab“ der Rebellengruppen agieren. Darüber hinaus hat die Türkei Treffen von Vertretern der sogenannten Übergangsräte organisiert, die in den befreiten Gebieten eine zivile Verwaltung aufrechtzuerhalten versuchen. Ankara hofft, auf diese Weise einen völligen Zusammenbruch der zivilen Institutionen und den Untergang Syriens im Chaos zu verhindern.

In befreiten Gebieten herrscht akute Not

Vertreter der Übergangsräte beklagen freilich, dass ihnen die Mittel fehlen, um die akute Not in den von den Rebellen kontrollierten Gebieten zu lindern. In der einst blühenden Handelsmetropole Aleppo müssen Zehntausende bei eisigen Temperaturen ohne Strom, Brennmaterial, Lebensmittel und Medikamente ausharren. Einwohner berichten von stundenlangen Wartezeiten vor den wenigen noch geöffneten Bäckereien. Über eine halbe Million Syrer sind vor dem Krieg in die Nachbarländer geflohen, mindestens 2,5 Millionen befinden sich nach Angaben des Syrischen Roten Halbmonds innerhalb des Landes auf der Flucht.

Brahimi warnte am Wochenende davor, dass eine weitere Zunahme der Flüchtlinge die Nachbarländer Jordanien und Libanon destabilisieren könnte. Sollten eine Million Menschen in Panik Damaskus verlassen, könnten sie nur in den Libanon oder nach Jordanien fliehen, sagte er. Die Aufnahme von jeweils 500.000 Flüchtlingen würde beide Länder möglicherweise überfordern.

Abgesehen von den humanitären Herausforderungen sind es vor allem die politischen Folgen, die die Nachbarländer mit in den syrischen Abgrund ziehen könnten. Der Kampf zwischen dem Regime und den Rebellen ist längst nicht nur einer um politische Rechte, sondern auch ein konfessioneller und ethnischer: Auf der einen Seite stehen die Sunniten, die die Mehrheit bilden, und ihre Unterstützer am Golf und in der Türkei, wo man mit Sorge auf das Erstarken eines Ablegers der türkisch-kurdischen PKK unter den syrischen Kurden blickt.

Verbrechen von Rebellengruppen

Auf der anderen stehen die Alawiten mit ihren Verbündeten in Iran und in dessen Schlepptau dem Irak. Dass sich auch die Christen und andere Minderheiten vor der Machtübernahme durch die Sunniten fürchten, dazu haben auch die Verbrechen von Rebellengruppen sowie vor allem das Erstarken von Extremisten aus dem Umfeld der Terrorgruppe al-Qaida beigetragen.

Die Minderheiten sind erst recht alarmiert, weil sich die Opposition weigert, sich von der Nusra-Front zu distanzieren. Diese hat Washington kürzlich auf die Liste der Terrorgruppen gesetzt. So scheint sich Assads zynische Behauptung zu bestätigen, mit ihm würde auch das multireligiöse Syrien untergehen.

Schon seit Mitte 2011 sagen manche ein nahes Ende der Assad-Diktatur voraus. Schätzungen zufolge hat der Krieg bereits zwischen 45.000 und mehr als 57.000 Tote gefordert. Trotzdem sollte man Assad noch nicht abschreiben, sagen Diplomaten gegenüber der taz. Aus russischer Sicht sind Bemühungen, Assad zum Rücktritt oder zur Flucht ins Exil zu bewegen, zwecklos.

Assad habe klargemacht, dass er bis zum Ende auf seinem Posten bleiben werde, sagte Lawrow. Eine politische Lösung setze voraus, dass die Opposition ihre Forderung nach Assads Rücktritt aufgibt. Dazu ist sie freilich nicht bereit. Brahimis Bemühungen sind daher wohl zum Scheitern verurteilt. Die Schlinge um Assad mag sich enger ziehen, aber der Krieg in Syrien könnte noch lange dauern.

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4 Kommentare

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  • DG
    Dr. Günter Knauss

    Waldschrat

     

    Das ist kein Bürgerkrieg. Hier wird ein Verbrechen

    vollzogen. Diejenigen, die diesen Krieg betreiben,

    werden ihre gerechte Strafe erhalten.

  • T
    topal

    merkwürdig - die Einschätzung des Autors ist so gut wie das Gegenteil dessen, was in gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen als sehr wahrscheinlich gilt, fügt sich aber nahtlos in die seit Monaten gepflegte Linie der westlichen Medienpropaganda ein: Assad ist am Ende - Russland wendet sich ab - große Gebiete sind unter Kontrolle der sog. Freien syrischen Armee usw.

    - Nichts davon ist und war wahr. Im Gegenteil. es sieht so aus, das die FSA bereits von den USA geopfert wird, Assad seine Amtszeit (bis 3013) zu Ende führt, die Souveränität Syriens erhalten bleibt.

    Nach den kürzlich stattgefunden Gesprächen zwiscvhen Iran und USA - ja, Sie lesen richtig - hat der Iran angekündigt, jene Pipeline weiter zu bauen, die ca gegen Jahresende 2013 syrisches Gebiet erreicht.

    Niemals würde das geschehen, hätte der Iran nicht sichere Zusagen von Obama.

     

    aber lesen Sie selbst

     

    http://www.politaia.org/terror/entkommt-syrien-seinen-henkern-russland-usa-brahimi-fur-januar-geplant/

     

    http://www.voltairenet.org/article176996.html

     

    hier noch ein Frontbericht aus Syrien - kann man als russische Propaganda abtun, aber wenn man sich noch anderweitig informiert, bekommt der Bericht schon seinen Sinn.

     

    http://www.youtube.com/watch?v=0KVHrORJgUg

  • TS
    Thorsten Schmidt

    Schön, dass der "Arabische Frühling" jetzt auch in Syrien zum Erfolg kommt und dort Freiheit, Demokratie und Scharia eingeführt werden. Islam heißt Frieden. Wir brauchen mehr islamische Länder.

  • F
    Frieder

    Nicht, dass ich die Analyse an sich nicht teilen würde, aber dies -u.a.- mittels einer nicht verifizierten Karte von Ende November herleiten zu wollen, ist dann schon ein wenig...naja...