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Krieg in LibyenEU wartet auf UNO-Eingreifbitte

Wenn UN-Helfer europäische Militärhilfe anfordern, kann die EU Truppen nach Libyen schicken. Deutschland soll die treibende Kraft hinter der Idee sein.

Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" bringen Verletzte aus Libyen nach Tunesien. Bild: reuters

BERLIN taz | Die Webseite der Eingreiftruppe steht, das Hauptquartier samt Budget auch. "Eufor Libyen" heißt die EU-Truppe, die nach dem Vorbild früherer europäischer Militärinterventionen im Kongo oder Tschad in Libyen zum Schutz humanitärer Hilfe eingreifen soll, sobald die humanitäre UN-Abteilung Ocha eine entsprechende Anfrage stellt.

Offiziell beschlossen wurde "Eufor Libyen" vom EU-Ministerrat ausgerechnet am 1. April, "um bereitzustehen, humanitäre Hilfe in der Region zu unterstützen, falls von Ocha angefordert", wie es in der Begründung heißt. "Das Ziel der Operation wäre, zur sicheren Bewegung und Evakuierung vertriebener Personen beizutragen und humanitäre Hilfswerke in ihren Aktivitäten mit spezifischen Kapazitäten zu unterstützen."

Im Klartext heißt das: Flüchtlinge aus gefährdeten Gebieten evakuieren und Hilfskonvois militärisch schützen, eventuell auch im Rahmen "humanitärer Korridore". Das Hauptquartier der auf vier Monate angelegten Operation soll sich in Rom befinden; Kommandeur der Eingreiftruppe wird der italienische Konteradmiral Claudio Gaudiosi. Man befinde sich in enger Absprache mit den Regierungen Tunesiens und Ägyptens über eine mögliche EU-Militärpräsenz in ihren Ländern.

Woraus "Eufor Libyen" genau bestehen soll, wird nach Angaben aus Brüssel erst festgelegt, wenn Ocha seine Bedürfnisse formuliert. Anders als man erwarten könnte, ist dieses Angebot der EU an die UNO keine Reaktion auf eine UN-Bitte. In Brüssel ist zu hören, dass die deutsche Bundesregierung der Hauptantreiber ist und damit offenbar das Desaster ihrer Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat beim Votum über die Libyen-Resolution 1973 wieder ausbügeln will.

Eine Stellungnahme von Ocha darüber, unter welchen Umständen welche Art von Anfrage erfolgen könnte, war am Freitag nicht zu erhalten. Die Lage werde noch evaluiert, hieß es. Auf einem Treffen von UN-Experten in Kairo soll Skepsis geäußert worden sein: Humanitäre Hilfe dürfe kein Feigenblatt für eine Militäraktion sein. Andererseits schlug Ocha erst am Mittwoch Alarm, dass sich die humanitäre Notlage in Libyens Kampfgebieten zuspitze und man "sehr besorgt" über den mangelnden Schutz von Zivilisten, über sexuelle Gewalt, den Einsatz von Landminen sowie Menschenrechtsverletzungen sei. Ein besserer Zugang zu den Hilfsbedürftigen sei "dringend erforderlich".

UN-Frachtschiff in Misurata eingetroffen

In der umkämpften Stadt Misurata, wo die Lage am dramatischsten ist, traf am Freitag erstmals ein Frachtschiff des UN-Welternährungsprogramms (WFP) mit Nahrung, Medikamenten und anderen Hilfsgütern ein, ferner ein Schiff der französischen Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen". Solche Transporte und den Einsatz der darin befindlichen Hilfsgüter vor Ort zu schützen, könnte eine Aufgabe einer EU-Truppe sein.

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte der taz, sobald eine Ocha-Anfrage vorliege, werde die EU ihre Mitgliedstaaten auffordern, ihre möglichen Beiträge auf den Tisch zu legen. Die EU hat für derartige Einsätze zwei "Battle Groups" mit jeweils 1.500 Mann zur Verfügung; in einer davon gibt es derzeit 990 deutsche Soldaten. Die andere wird von Finnland und Schweden geführt. Finnlands Generalstabschef Ari Puheloinen erklärte am Dienstag, sein Land stehe zur Truppenentsendung bereit.

Unterdessen legte die Türkei einen Friedensplan für Libyen vor. Gaddafis Truppen müssten ihre Belagerung von Städte beenden, und eine Waffenruhe müsse in Kraft treten, sagte Regierungschef Tayyip Erdogan. Danach sollten humanitäre Korridore eingerichtet und ein politischer Prozess eingeleitet werden.

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3 Kommentare

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  • RD
    Rot-Grüne DU-Munition

    Es waren doch gerade SPD und Grüne die der Schwarz-Gelben Regierung einen Sonderweg und mangelnde 'Solidarität' mit der westlichen Kriegsallianz vorgeworfen haben. Die Verhältnisse haben sich regelrecht verkehrt: schrecken die Konservativen noch vor einem Kriegseinsatz zurück, können SPD und die ehemals friedensbewegten Grünen nicht früh genug die Finger am Abzug haben. Da ist es dann auch kein Widerspruch, dass diese Parteien in Deutschland Massendemos gegen AKW's organisieren, aber gleichzeitig die Bombardierung Libyens (unter tonnenweiser Verwendung abgereicherten Urans mit einer Halbwertzeit von 4,5 Millionen Jahren!) unterstützen. Die Folgen dieses Kriegsverbrechens lassen sich heute u.a. in Falludscha und Basra im Irak beobachten. Der feine bei den Explosionen freigesetzte Uranstaub breitet sich unkontrolliert aus und hat laut einer im Jahr 2010 veröffentlichten Studie den Irak stärker verseucht als die Atom-Bombenabwürfe in Hiroshima und Nagasaki. Die Folgen sind eine extrem hohe Säuglingssterblichkeit, die epidemische Ausbreitung von Krebserkrankungen, fürchterliche Mißbildugen bei Neugeborenen und massive Erbgutschädigungen. Der Staub breitet sich über Winde und Sandstürme weiter unkontrolliert aus. Im Nordirak wo nie DU-Munition (DU=depleted uranium/ abgereichertes Uran aus der Herstellung von Brennstäben für AKW's) verschossen wurde, hat sich die Radioaktivität schon verachtfacht!!! Was wird der nächste große Sahara-Wind zu uns nach Deutschland tragen?

  • RM
    Regine Metes

    Die einzig richtige Herangehensweise kommt von der Türkei, das muß unterstützt werden.

    Was nutzt es, wenn die Nato weiterbombadiert und Rebellen ermutigt und Gaddafi weiter versucht, sein Land per Kampf in den Griff zu kriegen.

    Das bringt nur Tote, Verletzte und Flüchtlingselend.

    Wo sind die Kompetenten, die die Nato, bzw. die Rebellen und Gaddafi zu einem Waffenstillstand bringen? Von Gaddafi gibt es durchaus Vorschläge zur Befriedung: Aufforderung zu Verhandlungen, bzw. auch das Angebot seitens des Regierungssprechers, sich für oder gegen Oberst Gaddafi zu entscheiden. Warum macht man das nicht??

    Es braucht ein Konzept und keine losgelösten sogenannten humanitären Einsätze, die in Besatzung enden (das ist der Hintergedanke (Öl!!)).

  • K
    Kane

    Wenn nur der Herr Westerwelle seinen Kopf endlich mal zum Denken benutzen würde, käme er vielleicht darauf, dass Obama die NATO in diesem Punkt verschaukelt hat.

     

    Obama betonte mehrmals, dass kein amerikanischer Soldat libyschen Boden betreten werde sprich, das die USA aus gutem Grund auf Bodentruppen verzichten, da sie nicht in ein längeres Libyenabenteuer mit ungewissem Ausgang hineingezogen werden wollten. Und der Intelligenzbolzen Westerwelle will jetzt bewaffnete deutsche Soldaten als Bodentruppen zum Schutze hunmanitärer Lieferungen nach Libyen schicken. Verehrte Bundesregierung, bei allem Respekt - sind Sie zu lange in der Frühlingssonne gesessen?

     

    Bestimmte Kräfte warten doch nur darauf, dass jemand so dumm ist, und Bodentruppen nach Libyen schickt (zu welchem Zweck auch immer). Warum müssen die Deutschen stets zu den Volldeppen gehören, die beim Schwachsinn zuerst "Hier" schreien?

    Was passiert denn, wenn diese Bodentruppen über Nacht aufgerieben werden abgesehen davon, dass unsere wertvollen Soldaten dann tot sind?

     

    Ah, Herr Minister, dämmert's jetzt? Dann ist Deutschland mit einem mal in einem Krieg engagiert, gegen den Afghanistan ein Schulausflug ist und aus dem sich das Parlament nicht mehr herausreden kann.

     

    Also Herr Ww - Arschbacken zusammen, auf Linie bleiben und durch!