Krieg in Libyen: Scud-Rakete ins Nirgendwo
Die Rebellen nähern sich Tripolis und Machthaber Gaddafi greift zu drastischen Mitteln: Erstmals ließ er Richtung Brega eine Kurzstreckenrakete abfeuern.
BERLIN taz | Langsam, aber stetig scheint sich der Ring um Tripolis enger zu ziehen. Die Rebellen gaben am Dienstag bekannt, sie hätten mit Gharjan die zweite Stadt binnen 24 Stunden erobert und damit die libysche Hauptstadt vollständig eingekreist.
"Gaddafi ist isoliert. Er ist vom Rest der Welt abgeschnitten," sagte ein Rebellensprecher der Nachrichtenagentur Reuters. Von unabhängiger Seite konnte diese Meldung zunächst nicht bestätigt werden.
Zuvor hatten die Rebellen die Eroberung der Stadt Sawija gemeldet, die westlich von Tripolis zur tunesischen Grenze führt und eine wichtige Versorgungslinie für die Hauptstadt ist. In Sawija hat es seit Beginn der zunächst friedlichen Proteste zwei Aufstände gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi gegeben, die beide niedergeschlagen wurden.
Agenturberichten zufolge sollen dort noch immer Scharfschützen des Regimes im Einsatz sein. Außerdem wurde das Stadtzentrum am Dienstag noch von Regimetruppen beschossen, wie ein AFP-Reporter vor Ort berichtete. In der Vergangenheit hatten die Rebellen im Westen wiederholt Vorstöße auf Ortschaften im größeren Umkreis von Tripolis unternommen und diese mitunter besetzt, konnten jedoch ihre Positionen nicht halten.
Östlich von Tripolis ist die Stadt Slitan nach wie vor umkämpft. Insofern sind die Angaben der Rebellen, Tripolis sei umzingelt, mit Vorsicht zu behandeln. Hinzu kommt, dass zwischen den von Rebellen gehaltenen Orten und der Hauptstadt durchaus noch Regimetruppen stehen können. Kämpfe um zwei Orte zwischen Tripolis und Sawija an dem westlichen Abschnitt der Küstenstraße sind ein Hinweis darauf.
"Gaddafi und sein Regime verzweifelt"
Auffallend ist, dass die Nato in den vergangenen Tagen ihre Einsätze im westlichen Libyen verstärkt hat. Ziele von Luftangriffen waren Stellungen um Sawija, Gharjan, Slitan sowie al-Khums, das zwischen Slitan und Tripolis liegt.
Die Tatsache, dass die Gaddafi-Truppen erstmals eine Mittelstreckenrakete von Typ Scud abgeschossen haben, könnte wiederum darauf hinweisen, dass sie sich eingekesselt fühlen. Die Rakete landete in der Wüste nahe Brega und richtete keinen Schaden an. "Das zeigt, dass Gaddafi und sein Regime verzweifelt sind," kommentierte Nato-Sprecherin Carmen Romero.
Der libysche Machthaber verkündete unterdessen weitere Durchhalteparolen und rief erneut zur Befreiung des Landes "von Verrätern und der Nato" auf. In einer vom Staatsfernsehen ausgestrahlten Audiobotschaft forderte er seine Anhänger dazu auf, "an die Front und in die Schlachten zu ziehen, um Libyen Zoll für Zoll zu befreien".
Sowohl die Regierung in Tripolis als auch der Übergangsrat der Rebellen in Bengasi dementierten, dass Vertreter beider Seiten auf der tunesischen Urlaubsinsel Djerba zu Gesprächen zusammengekommen seien. Der UN-Sondergesandte für Libyen, Abdul Ilah al-Chatib, war am Montag nach Tunesien gereist und hatte gesagt, er wolle an Verhandlungen über die libysche Zukunft teilnehmen.
Ein UN-Sprecher sagte später allerdings, den Vereinten Nationen sei nichts über Verhandlungen zwischen Gaddafi-Vertretern und den Aufständischen bekannt. Die Angaben über Geheimgespräche hatten Hoffnungen auf eine Verhandlungslösung geweckt. In verschiedenen Medien und Onlinenetzwerken hatte es geheißen, dass sich Gaddafi womöglich bald ins Exil begeben könnte.
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