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Krieg in AfghanistanWhite City, Green City

Die Böll-Stiftung zieht ihre Büroleiterin aus Kabul ab. Seit der Bekanntgabe des Abzugs der Truppen sei die Gefahr „nicht mehr kalkulierbar“.

Deutschland hat das erste seiner drei großen Wiederaufbauteams geschlossen und in afghanische Hände übergeben. Bild: dapd

BERLIN taz | Tinko Weibezahl wohnt in seinem Büro. Abgesehen von Terminen im Außenministerium oder an der Universität kommt er drei- oder viermal im Monat vor die Tür, niemals aber zu Fuß, sagt er: „Spaziergänge sind Luxus.“ An vielen Tagen erhält er morgens per SMS vom Risk Management Office Informationen: wo demonstriert wird, welche Stadtviertel zu vermeiden seien. „Green City“ heißt: Luft ist rein. „White City“ heißt: Anschlagswarnung, daheimbleiben.

Das Leben als deutscher Zivilist in Afghanistans Hauptstadt Kabul ist schon länger eine einzige Sicherheitsmaßnahme. „Die psychische Belastung ist erheblich“, berichtet Weibezahl, der seit Jahresbeginn das Büro der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung leitet.

Die Botschaftsangehörigen leben auf ihren durch Mauern, Stacheldraht und Draht-Sand-Konstruktionen geschützten Compounds, haben dort aber immerhin Gesellschaft. Doch Stiftungsmitarbeiter oder Vertreter von Hilfsorganisationen sind meist allein. Eine Verabredung im Restaurant zu trefffen sei mühsam, erzählt Weibezahl: „Der andere unterliegt dann anderen Sicherheitsrichtlinien, das will koordiniert sein. Und dann muss man seinen Fahrer immer mitnehmen, der doch aber nach Hause zur Familie will.“

Trotzdem, sagt Weibezahl: „Im Moment bleiben wir. Unter den Umständen, die schwierig sind, ist unsere Arbeit noch möglich.“ Ähnliches erklärt auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung.

Sind die Bölls ein „Elitenprojekt“?

Anders dagegen entschied diese Woche die grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung. Sie zieht ihre Büroleiterin Marion Regina Müller ab. Die Sicherheitslage „hat sich seit der Bekanntgabe des Abzugs der internationalen Truppen bis 2014 verschärft“, verlautbarte Böll-Vorstand Barbara Unmüßig zur Begründung.

Die Bewegungsfreiheit sei „extrem eingeschränkt“, die Gefahr für Müller „nicht mehr kalkulierbar.“ Das Büro werde von AfghanInnen weitergeführt. Müller sagt zwar: „Ich werde weiterhin viel nach Kabul reisen“, sie werde die Arbeit schwerpunktmäßig von Berlin aus koordinieren. Doch steht die Nachricht „Böll zieht ab“ quer im Raum.

Die Bundeswehr bereitet im Norden des Landes Container für Container den Rückzug vor. Man könne Schutz und Ordnung nun ruhig der afghanischen Armee und Polizei übertragen, behaupten die Nato-Staaten. Die zivile Unterstützung bleibe ja erhalten. Und dann holt ausgerechnet die Böll-Stiftung ihr Personal raus?

Nun lässt sich über die Wirksamkeit der politischen Stiftungsarbeit streiten. Wer wie der Exbundeswehrarzt Reinhard Erös Schulen im umkämpften Ostafghanistan baut, schnaubt: „Elitenprojekte“, soll heißen: Firlefanz für die Hauptstadt.

Doch hatten sich die „Bölls“ ab 2002 mehr noch als die „Adenauers“ oder „Eberts“ um Projekte außerhalb Kabuls bemüht, denn der kulturelle Graben zwischen der Hauptstadt und den Provinzen blockiert die Entwicklung des Landes. Workshops für Geistliche waren darunter, in jüngerer Zeit steht Umwelt-PR im Vordergrund: Studien, Vorträge, Broschüren. Und weiterhin gibt es viel Rückenstärkung für afghanische Frauen- und Menschenrechtsverbände.

Straßenbomben, Entführungen und gefährliche „Checkpoints“

Deutsche allerdings haben die Provinzprojekte schon schon lange nicht mehr besucht. Es drohen nicht nur Straßenbomben, sondern auch Entführungen und gefährliche Begegnungen an „Checkpoints“ von Taliban oder Kriminellen.

Gleichzeitig wuchsen auch in Kabul die Schutzvorkehrungen wie ein Wall zwischen guten Absichten und Realität. Wachmänner vorm Büro – ja, aber bewaffnete?, überlegte man zuletzt bei Böll: Wie viel vom 350.000-Euro-Etat (im Jahr) wollte man denn noch für Sicherheit ausgeben? „Die nichtgepanzerte Arbeitsweise, das war unser Ziel“, erklärt Böll-Chefin Unmüßig. Sie hält die offiziellen Angaben über die zunehmende Sicherheit in Afghanistan offensichtlich für gefälscht: „Natürlich haben die Anschläge zugenommen. Meine Leute berichten mir, dass es immer unerträglicher wird.“

Den Vorwurf, dass der Abzug der Büroleiterin die afghanischen MitarbeiterInnen zusätzlich gefährde, da die „Internationalen“ den „Lokalen“ ein gewisses Maß an Schutz böten, findet sie unfair. Es sei nicht eindeutig, was Taliban und Aufständische für Provokation hielten, sagt Unmüßig. „Die Anwesenheit von Ausländern insgesamt – und besonders von Frauen – stellt immer auch ein Risiko für alle dar.“

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3 Kommentare

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  • BS
    Berta Singer

    Als Mitarbeiter einer Hilfsorganisation in Afghanistan kann ich nur sagen, das die Sicherheit meiner Erfahrung nach eher zugenommen hat. Die komplexen Attacken der Taliban in Kabul etwa, die bis zum letzten Winter noch in einem Abstand von 4 bis 6 Wochen in Kabul durchgeführt werden konnten, haben sich auf zwei seit beginn des Frühjahrs reduziert, während 4 von denen ich erfahren habe, von Sicherheitsdiensten (vor allem afghanischen) verhindert wurden, so dass das Leben von ausländischen Mitarbeitern sich nicht unbedingt verschlechtert hat. Schaut man sich dagegen die Sicherheitsmaßnahmen an britischer und kanadischer Botschaft an, dann könnte man aber auch mit anderem rechnen. Hier wurden die Sicherheitskontrollen von 3 auf 5 erhöht und noch einmal extra Betonwälle zwischen Botschaft und Außenwelt hochgezogen.

    In den Provinzen hingegen mag das anders sein.

    Im Osten von Afghanistan gibt es viele ausländische Kämpfer, die keine Rücksicht auf lokale Bevölkerung und NGO´s nehmen und im Norden rüsten die alten Warlords auf und neue Mitspieler versuchen durch Gewaltakte immer mal wieder von sich reden zu machen..

    Hilfsorganisationen sind kein Ziel der Taliban, sollen sich aber entfernt halten von Botschaften und anderen sogenannten Highprofile Targets. Auch die deutsche Botschaft ist erklärtes Ziel der Taliban, da bei allem zivilen Engagement, die Bundesregierung doch das 3. größte Kontingent an Soldaten stellt. Da HIlfsorganisationen meist nicht über gepanzerte Fahrzeuge und bewaffnete Begleiter verfügen wollen!!! ist es es sehr wahrscheinlich, dass ihnen als einzigen etwas passiert, wenn sie in der Nähe von Botschaften bei Angriffen erfasst werden.

    Die Entscheidung der Böll Stiftung ihr ausländisches Personal abzuziehen wird wohl daher eher persönlicher Natur sein als durch die Änderung der tatsächlichen Bedingungen geschuldet, wobei allerdings einschränkend gesagt werden muss, das wir als NGO über keine Geheimdienstinformationen verfügen und somit Annahmen nur aus Schlüssen der eigenen Erfahrungswelt gezogen werden können.

  • HD
    Holla die Waldfee

    @wolfgang, was für eine dämlche Ansage.

     

    Aber zur Sache; Education und gesellschaftliche Bildung sowie Umwelt(Wasser!)ist genau so wichtig wie Sanitäts-und Schulstationen, kein Elite-Kram. Wäre mehr Bildung in weiten Teilen der Bevölkerung (75 & Analphabetenquote) gäbe es weniger Gewalt + Terror, weniger Religionsüberhöhung, weniger Frauenunterdrückung - kurz weniger Mittelalter.

  • W
    Wolfgang

    Frage an die BündnisGrünen

     

    Warum haben die "Grünen" und ihre ('K')Vorläufer, die "sozialimperialistischen" Bemühungen der Sowjetunion für sozial-ökonomische Entwicklung, Gleichberechtigung und Emanzipation (u. a. rechtliche Gleichstellung der Frau) in Afghanistan bekämpft?

     

    Trotz alledem!