Kreuzfahrtschiffe und die Umwelt: Boom-Branche mit Schmuddel-Image
Für den Tourismus sind Kreuzfahrten die Erfolgsstory der letzten Jahre – 5,5 Millionen Europäer machten 2010 eine. Für die Umwelt sind sie eine Katastrophe.
BERLIN taz | Kreuzfahrten sind die trendige Weiterentwicklung des All-inclusive-Modells: Massentourismus, bei dem das Geld der Urlauber an Bord bleibt. Laut Cruise Lines International Association (CLIA), dem Dachverband der Kreuzfahrtreeder, ist die Zahl der Passagiere seit 2000 weltweit um 80 Prozent gestiegen.
Nach Angaben des European Cruise Council (ECC) unternahmen 2010 insgesamt 5,5 Millionen Europäer eine Kreuzfahrt, ein Plus von 10 Prozent gegenüber 2009. Kreuzfahrtgäste aus Europa stellen rund 30 Prozent aller zirka 18,8 Millionen Passagiere weltweit. Die EU-Länder mit den höchsten Gästeaufkommen waren Großbritannien (1,6 Millionen), Deutschland (1,2 Millionen), Italien (rund 890.000) und Spanien (645.000).
Längst sind Kreuzfahrten nicht mehr nur für ältere Menschen das perfekte Urlaubsmodell. Auch junge Leute schätzen sie als bequem und gesellig. Die schönsten Küsten der Welt ziehen am TV-geübten Augen vorbei, der Landgang reicht gerade fürs Shopping und eine paar Sehenswürdigkeiten, die klimatisierte Kabine an Bord schützt vor zu viel Nähe. Und Unterhaltung gibt es bei über 4.000 Gästen an Bord ohnehin genug.
Die Costa Crociere S. p. A., der die "Concordia" gehört, ist die größte Kreuzfahrtreederei Europas. Allein im Jahr 2010 beförderte sie nach Angaben des ECC mehr als zwei Millionen Gäste, die Umsätze erreichten nahezu drei Milliarden Euro.
Zur Flotte gehören aktuell 26 Schiffe, darunter auch die acht Schiffe von Aida Cruises mit Heimathafen in Rostock. 2010 profitierten die europäischen Kreuzfahrthäfen laut ECC vom Gästezuwachs: 5,2 Millionen Gäste (+ 7,2 Prozent) begannen ihre Fahrt in Europa.
Schiffsbauer profitieren
Der gesamte direkte und indirekte wirtschaftliche Einfluss auf die Wirtschaft des Kontinents belief sich auf 35,2 Milliarden Euro, darunter mehr als 14 Milliarden Euro direkte Ausgaben, wobei Italien 4,5 Milliarden Euro, Großbritannien 2,6 Milliarden Euro und Deutschland 2,3 Milliarden Euro zugute kamen.
Auch Europas Schiffsbauer profitieren vom Wachstum der Branche: Von 2011 bis 2013 entstanden in ihren Werften 23 neue Schiffe mit einem Investitionsvolumen von fast elf Milliarden Euro.
Zu Unrecht haben Kreuzfahrten ein sauberes Image. In der Realität stinken die mit Schweröl betriebenen Ozeanriesen zum Himmel und verschmutzen die Meere. Kritiker sprechen von Dreckschleudern und schwimmenden Sondermüllverbrennungsanlagen.
Laut Nabu (Naturschutzbund Deutschland) hinterlassen die Schiffe einen "deutlich sichtbaren ökologischen Fußabdruck". Bei der Verbrennung des Treibstoffs entstehen Schadstoffe wie Ruß, Schwefel- und Stickoxide.
Klimabilanz wie Flugzeuge
Es gibt eine Reihe von Maßnahmen, die Umweltbelastung durch Schiffe zu reduzieren, etwa Umstieg vom Schweröl auf umweltfreundlicheres Dieselöl. Aber laut Nabu verweigern die Konzerne aus Profitgier die Verwendung von Schiffsdiesel und den Einbau von Abgastechnik. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation stößt ein einziger Ozeanriese auf einer Kreuzfahrt so viele Schadstoffe aus wie fünf Millionen Autos auf der gleichen Strecke.
Und die Bilanz in puncto Treibhausgas? Nach übereinstimmenden Studien steuert die Seeschifffahrt 2,7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen bei - ungefähr so viel wie der viel gescholtenen Flugverkehr. Daher plant die EU, den Emissionshandel in Zukunft auch auf den Schiffsverkehr anzuwenden.
Costa Kreuzfahrten unterstützt den WWF Italien beim Schutz von einigen der kostbarsten und am meisten gefährdeten Meeresregionen unseres Planeten: des Mittelmeers, der Großen Antillen und der Nordküste Brasiliens. Damit die Schönheit der Meere erhalten bleibt.
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