Kreuzberger Begegnung: Henkel lobt die Kids vom Kiez
Der Innensenator trifft sich mit jungen Migranten, die am 1. Mai auf dem Myfest als Ordner arbeiten. Die wollen lieber nicht in seiner Haut stecken
Das hat Mohammad dem Frank Henkel voraus: Für den 15-Jährigen ist es der zweite 1. Mai in Verantwortung. Vergangenes Jahr sei seine Premiere als Ordner auf dem Myfest gewesen, erzählt der Junge mit dem Kurzhaarschnitt und den durchtrainierten Oberarmen stolz. CDU-Innensenator Henkel hat seine Premiere in zwölf Tagen.
Beide sitzen am Donnerstag im Jugendhaus „Chip“ in Kreuzberg. Mohammad im Karoshirt, Henkel leger mit Lederjacke und Jeans. Die Polizei lädt zur Schulung für jugendliche Myfest-Ordner. Rund 40 Teenager, fast alle mit migrantischen Wurzeln, sind gekommen. Ein bisschen was für die Presse, aber Henkel war zuvor auch schon bei Gewerbetreibenden und Quartiersmanagern in Kreuzberg, um sich deren Situation vor dem 1. Mai anzuhören. Im „Chip“, sagt Henkel, wolle er sich „einfach mal erkundigen über ein Projekt, was ich sehr gut finde“. Dann setzt er sich auf einen der Holzstühle in der ersten Reihe und hört einfach zu.
Vorne erzählen Präventionspolizisten von Zivilcourage. „Hört immer auf euer Bauchgefühl“, empfiehlt ein Beamter. Nur gemeinsam, im Team, sei man stark. 190 Jugendliche, zwischen 14 und 27 Jahren, werden am 1. Mai auf dem Myfest als Ordner arbeiten. Um die Bühnen herum und in der Waldemarstraße, der „Familienstraße“. Dort wird auch Mohammad stehen, am Fußballplatz, „wo die Kinder mich brauchen“. Randale werde es diesmal nicht geben, ist er sich sicher, „gab’s die letzten Jahre ja auch kaum“. Und es kämen 7.000 Polizisten, was auf jeden Fall gut sei.
Eine „Erfolgsgeschichte“ sei das Projekt, das 2005 startete, sagt Michael Liwoski, Projektleiter und Polizist in der Direktion Friedrichshain-Kreuzberg. „Weil es einen gewaltfreien 1. Mai stärkt und die Identifikation der Kids mit ihrem Kiez.“
Henkel gefällt’s: „Hier wird Prävention gelebt.“ Die Jugendlichen machten einen engagierten, bestimmten Eindruck, lobt der Senator. „Viele wollen bestimmt Anwalt werden oder Polizist.“ Mohammad sagt, er habe Henkel vorher gar nicht gekannt. „Aber ich habe Respekt. Er hat so eine große Verantwortung, ich will nicht in seiner Haut stecken.“ Am 1. Mai könnte Mohammad den Mann mit der Lederjacke wiedertreffen, dann will Henkel wieder nach Kreuzberg kommen, sich einen Eindruck verschaffen. „Wie die letzten zehn Jahre auch.“ Diesmal aber in oberster Verantwortung.
KONRAD LITSCHKO
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