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Kretschmers KriegserklärungEnde des Flora-Ultimatums

Obwohl Flora-Eigentümer Klausmartin Kretschmer die Frist für eine gütliche Einigung verstreichen lässt, glaubt der Senat an eine schnelle Lösung.

Der Streit um den Zankapfel Rote Flora geht mit Ablauf des Ultimatums in seine heiße Phase. Bild: dpa

HAMBURG taz | Am heutigen Montag, Punkt 24 Uhr läuft sie aus: die Frist an Klausmartin Kretschmer, seine Neubaupläne in Bezug auf die Rote Flora auf- und das Gebäude für 1,1 Millionen Euro an die Stadt zurückzugeben. Über seinen Adlatus Gert Baer ließ Kretschmer bereits mitteilen, dass er das Ultimatum verstreichen lassen werde und das Angebot für „unanständig“ halte.

Damit ist der Senat nun unter Zugzwang. Kretschmers Reaktion bewertet er als offene Kriegserklärung, die Zeichen stehen auf harten Konflikt. Nun greift Plan B, nachdem die Stadt alle Möglichkeiten nutzen will, den Rückkauf des Gebäudes, dass 2001 für rund 190.000 Euro an Kretschmer abgegeben wurde, auch gegen seinen Willen durchzusetzen – für einen dann wesentlich geringeren Preis. SPD-Fraktionsvize Martin Schäfer erklärt: „Wenn Herr Kretschmer sein Spiel weiterspielen will, ist ab Dienstag das Gericht am Zug.“

Obwohl so alles auf einen langwierigen juristischen Stellungskrieg hinauszulaufen scheint, dringen aus dem Senat erstaunlich optimistische Töne. „Wir haben noch ein paar Trümpfe im Ärmel“, sagt einer, der es wissen muss. In dem Schreiben der Stadt an Kretschmer, dass der taz vorliegt, wirft die federführende Finanzbehörde Kretschmer „eine gezielte und gewollte Eskalation vor Ort und damit eine grundlegende Abkehr von dem Geist“ vor, „in dem der Vertrag geschlossen wurde“.

Diese Vertragsverletzungen könnten ein juristischer Hebel sein, das Wiederkaufsrecht für genau die 190.000 Euro durchzusetzen, die Kretschmer einst bezahlen musste.

Ambitioniert ist auch der Zeitplan. „Wir rechnen damit, die Sache bis zu den Frühjahrsferien vom Tisch zu haben“, heißt es aus Insiderkreisen. Dabei geht es offenbar nicht darum, Kretschmer finanziell entgegenzukommen und ihm mehrere Millionen hinzublättern, um den Konflikt vom Tisch zu bekommen. „Wenn Kretschmer glaubt, er könne Olaf Scholz erpressen, dann hat er sich eindeutig den Falschen ausgesucht“, heißt es im Senat hinter vorgehaltener Hand.

Dort wird auch schon darüber nachgedacht, was mit der Roten Flora passieren soll, wenn Kretschmer ausgebootet ist. Die derzeit favorisierte Lösung: Das autonome Stadtteilzentrum könnte von einer Stiftung übernommen werden.

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11 Kommentare

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  • Wie nett. Jetzt werden sie sich also vor Gericht streiten und am Ende vor entnervten Richtern einen Vergleich schließen. Und damit dies nicht den Wahlkampf stört, wird man es hübsch in die Länge ziehen.

    • @Rüdiger Bäcker:

      Erst schanzt die Stadt dem Kretschmer die Immobile zu und jetzt wird sie ein Enteignungsverfahren einleiten müssen. Das dauert 10 Jahre und länger. Vergleiche gibt's da nicht. Die Rot-Floristen haben von Anfang an alles richtig gemacht, indem sie eines klargestellt haben: Eigentum, das man nicht auch selbst besitzen kann, ist sinnlos, überflüssig und verwerflich. Die Flora ist zu einem Symbol dafür geworden. Wenn wir keinen Weg finden, den Kapitalismus loszuwerden, wird der Kapitalismus einen Weg finden, uns loszuwerden. Allzu viel Zeit bleibt da nicht mehr.

  • C
    Claire

    Salut, Ihr verschlagwortet viel mehr nur bei die prominent erscheinende Artikeln an vorderste Stellen. Pourquoi?

     

    Mich klicke mit Vorliebe durch die Schlagworter, zu erfahren mehr Hintergrund und auch zu lesen kluge Kommentar zum Thema von andere User_nnen.

     

    Such in Eurer Suche mehr zu Rote Flora, oben steht in die Suchresultats von eine neue Pflanzenatlas und Alf das Huhn. Ne m'interesse cela. Mehr von die schöne Tags!

    • @Claire:

      Schau mal hier:

      http://www.taz.de/!t22808/

      • C
        Claire
        @Rainer B.:

        Danke sehr.

  • F
    Florian

    Wie hieß es auf 3Sat heute doch sinngemäß so schön, was sind schon 1,1 Mio Euro für ein altes Konzertgebäude für einige Wenige, im Gegensatz zu 866 Mio Euro für ein neues Konzertgebäude welches auch nicht für jeden zugänglich ist. Das zeigt doch schön die Diversität Hamburgs.

    • S
      Stefan
      @Florian:

      Wieviel ist "einige Wenige"?

       

      Die Rote Flora wird im Monat von mehreren tausend Menschen genutzt.

      Eintritt nie mehr als 5€. dazu viele kostenlose Angebote wie Fahrrad- oder Motorradwerkstatt, Sporträume, Proberäume, Veranstaltungsräume etc.

      Der Staat hat übrigens über die Jahre nie Geld für die Rote Flora gezahlt.

  • G
    Gusch

    Das Gezerre zwischen Senat und Eigentümer ist albern. Die Situation entschärfen kann nur die Bevölkerung in Altona selbst: Zum Beispiel, indem sie auf dem Weg des Bürgerbegehrens/-entscheids neues Planrecht erzwingt: Wohnen und Gewerbe fände ich schick. Aber das ist letztlich Aufgabe der Altonaer_innen.

    • U
      Ulli
      @Gusch:

      Dann sollte aber doch auch noch ein wenig Gastronomie mit großzügigen Außenbereichen dazu. Am besten wird dann das Schulterblatt für den Durchgangsverkehr geschlossen und die Piazza noch weiter ausgebaut. Das wäre doch der Traum aller AnwohnerInnen.

    • H
      Hugo
      @Gusch:

      Wieso soll ein Bürgerbegehren ein, ja, welches neue Planrecht erzwingen, wo es schon ein einen Bebauungsplan Sternschanze 7 gibt?

      Und bitte: "Wohnen und Gewerbe fände ich schick"- welch aufregende Neuigkeit wird uns damit denn geboten?

  • G
    Gast

    Scholz will seine Ruhe. Klar, politisch ist die Flora und ein paar Autonome keine wirkliche Gefahr. Sie werden eher geduldet, nach dem Motto: solche Nischen muss eine Großstadt ertragen. Politische Mehrheiten werden sie eh nie erhalten. Kretschmer/Baer könnten eher eine Gefahr werden - denn auf dem rechtlichen Parkett bewegen sich nicht viele gute Juristen. Schon gar nicht wenn es ins europäische Recht geht. Ich glaube, Scholz spielt eher auf Zeit. Sprich. So lange Ruhe wie geht. Das könnte aber nach hinten los gehen. Auch ist nach der Gewalt in Hamburg die Akzeptanz für die Flora stark gesunken und ohne Gewaltverzicht der Flora wird Scholz mit Stiftungsplänen wohl auf Granit bei der Bevölkerung und großen Teilen in der SPD stoßen. Er ist schon mal an dem Thema: Innere Sicherheit gescheitert.