: Kreml schiebt Krimtataren ab
■ Harte Gangart gegenüber den seit 40 Tagen in Moskau für ihre Rückkehr auf die Krim demonstrierenden Tataren eingelegt / In Richtung Ural und asiatische Republiken verfrachtet
Moskau (ap/afp) - Hunderte von Krimtataren, die wochenlang in Moskau für ihre Rückkehr in ihre angestammte Heimat auf der Krim demonstriert hatten, sind am Freitag gewaltsam aus Moskau abgeschoben worden. Dies verlautete am Samstag aus Moskauer Dissidentenkreisen. Bereits am Donnerstag war die 20köpfige Initiativgruppe, die in der Woche zuvor eine Demonstration auf dem Roten Platz organisiert hatte, festgenommen und in den Ural, nach Usbekistan und nach Kasachstan zurückbefördert worden. Die Zahl der sich in Moskau aufhaltenden Krimtataren soll im Lauf der letzten Woche auf etwa 1.100 angewachsen sein, während es zuvor noch 500 gewesen waren. Die Tataren hatten mit ihren Protesten ihrer Forderung Nachdruck verleihen wollen, auf die Krim zurückzukehren. Stalin hatte sie 1944 der Kollaboration mit den Nationalsozialisten beschuldigt und Massendeportationen nach Zentralasien verfügt. Nach Angaben der Volksgruppe leben heute rund 1,5 Millionen Krim–Tataren in der UdSSR. Der US–Diplomat Shaun Byrnes, der von den sowjetischen Behörden beschuldigt worden war, die Krimtataren aufgewiegelt zu haben, hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Die Nachsichtigkeit der sowjetischen Behörden gegenüber den Tataren erstreckte sich über mehr als einen Monat und ist bisher ohne Beispiel. Eine Abordnung wurde von Staatschef Andrei Gromyko empfangen; ihre Forderungen nach einer autonomen Krim–Republik jedoch abgelehnt. Die Nachrichtenagentur TASS veröffentlichte am 23. 7. ein Kommunique, in dem das Anliegen der Tataren zwar als legitim anerkannt, der Volksgruppe jedoch weiterhin die Schuld an der Vernichtung Zehntausender Sowjetbürger während der deutschen Besatzung auf der Krim angelastet wurde. Morgen in der taz: Warum es der sowjetischen Regierung so schwer fällt, den Krimtaren die Rücksiedlung zu gestatten. Ein Hintergrundbericht von Erhard Stölting über ein ungelöstes Nationalitätenproblem und seine Geschichte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen