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Kreml greift nach Regionen

Bei den Gouverneurswahlen in Kursk siegt der von Moskau unterstützte Kandidat. Auch in Kaliningrad hat Putins Favorit, ein Admiral, in der Stichwahl gute Chancen

MOSKAU taz ■ Wladimir Putin glaubt an die Allmacht des Moskauer Zentrums. Seit seinem Amtsantritt hat der neue Kremlchef alle Kräfte gebündelt, um die Fürsten der 89 russischen Provinzen zu entmachten oder zumindest an die Leine zu legen. Per Federstrich hob Putin die Immunität der Gouverneure auf, danach entzog er ihnen den Einfluss auf der föderalen Ebene: Indem er das russische Oberhaus in eine Versammlung umfunktionierte, der nur noch ernannte Bürokraten angehören. Und sollten diese trotzdem nicht das Lied des Kremls singen, bietet das neue Gesetz eine schnelle Lösung: die Abberufung. Der Föderalismus wird zu einer Farce.

Den vorerst letzten Streich inszenierte das Zentrum bei den Gouvernneurswahlen in Kursk. 13 Stunden vor Öffnung der Wahllokale wurde Gouverneur Alexander Rutskoi per Gerichtsbescheid von der Wählerliste gestrichen. Begründung: falsche Angaben der Vermögensverhältnisse und unzulässige Nutzung des Amtsvorteils im Wahlkampf.

Die Einwände waren juristisch berechtigt. Nur: Einer gewissenhaften Anwendung dieses Gesetzes würden landesweit nicht nur die meisten Kandidaten zum Opfer fallen, auch Putin wäre bei den Präsidentenwahlen auf der Strecke geblieben. Auch stimmt nachdenklich: Kein russischer Provinzrichter würde wagen, einen Kandidaten aus dem Rennen zu werfen. Es sei denn, die Weisung kommt aus dem Kreml.

Gestern wählte Kursk Alexander Michailow zum neuen Gouverneur. Moskaus Strategie ist aufgegangen. Das Versprechen indes, sich nicht in die Provinzwahlen einzumischen, hat der Kremlchef gebrochen. An der Amtsführung des ausgebooteten Gouverneurs Rutskoi gibt es viel auszusetzen. Sein Abgang stellt keinen Verlust dar, die willkürliche Rechtsauslegung der Präsidialadministration wirft indes finstere Schatten voraus.

Nach Berichten der Nowaja Gaseta plant die Entourage Putins, auch in Brjansk, Rjasan, Kaluga und Wladimir nach dem gleichen Muster vorzugehen, um ihre Kandidaten zu lancieren.

Bis zum Jahresende finden in 33 Regionen Gouverneurswahlen statt. Im Vergleich zum Urnengang 1996, als die Gouverneure Jelzin noch Sonderrechte im Tausch gegen Loyalität abtrotzten, macht der Kreml den Provinzen heute nur im Ausnahmefall Zugeständnisse. Nach außen leisten die Gouverneure keinen Widerstand. Im Gegenteil. Viele Amtsanwärter versuchen ihre Aussichten zu verbessern, indem sie ihre Nähe zu Putin herauskehren. Der Volksmund nennt das „Zwillingsphänomen“.

Groteske Züge nahm das bei den Wahlen in Kaliningrad an. Dort will sich der Kreml des krimineller Machenschaften verdächtigten Altgouverneurs Leonid Gorbenko entledigen. Nach Moskaus Plänen soll der Admiral der Ostseeflotte, Wladimir Jegorow, die Geschäfte übernehmen. Beide Kandidaten zeigen sich auf den Wahlplakaten einträchtig mit Putin. Im ersten Wahlgang landete Gorbenko hinter dem Admiral auf Platz zwei. Die Stichwahl Mitte November wird wohl zugunsten des Militärs entschieden. Dabei gehörte Gorbenko zu den Gründern der Partei „Edinstwo“, die der Kreml aus der Retorte zauberte, um Putin zum Durchbruch zu verhelfen.

Wenn die Personaldecke geeigneter Kandidaten nicht so dünn wäre, würde der Kreml mehr Statthalter ins Rennen schicken. Auffällig ist: Seine Günstlinge rekrutiert der Kreml fast alle bei den Militärs, der Polizei oder dem Geheimdienst FSB. So tritt in Uljanowsk der Schlächter von Grosny, General Schamanow an, in Woronesch Geheimdienstler Grischankow.

Was verspricht sich Moskau davon? Sicher werden Militärs die Anweisungen Putins gewissenhafter vollstrecken als Amtsinhaber in Zivil. Sie werden weniger Widerstand leisten, wenn Moskau seine Leute auf Schlüsselposten in Wirtschaft und Verwaltung unterbringen will. Denn das ist Putins wichtigstes Ziel: die Straffung der Vertikale der Macht. KLAUS-HELGE DONATH

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