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Kreativität ist gefordert

■ betr.: „Kitschtrunkene Sehn süchte“ von Detlef Kuhlbrodt (Fa milienbande), taz vom 2.10. 97

[...] Eine überschaubare Gruppe, die Vertrautheit – lat. „familiaris“: „vertraut“ –, Verbundenheit mittels direkter emotionaler Kontakte bietet, bildet nun einmal die Matrix jeglicher menschlicher Entwicklung, von Kindheit an bis ins hohe Alter. Je kleiner der Mensch, desto existentieller ist er angewiesen auf Identifikationsangebote aus seiner Umgebung, also auch auf Grenzensetzen und (Auf)Forderungen, deren Verweigerung – oft aus schlichter Bequemlichkeit und Angst vor Auseinandersetzung, die dann ideologisch bemäntelt wird – in der Tat seelische Verwahrlosung nach sich zieht, im Sinne des Unstrukturiertbleibens ganzer Persönlichkeitsbereiche.

Statt die Thomas Bernhardsche Null-„Lösung“ zu propagieren – laßt uns doch alle aussterben –, wäre unsere Kreativität gefordert, jenseits von Klischees nach neuen Formen des Zusammenlebens, -liebens und -arbeitens zu suchen, die den Bedürfnissen von Kindern und Müttern – und Vätern, by the way – gerechter werden können als die spät/postbürgerliche, eh in Auflösung begriffene Kleinfamilie. Man könnte hier an Großfamilien neuen Typs denken, etwa Zusammenschlüsse von Kleinfamilien resp. deren Restbeständen, an „Wahlfamilien“ unterschiedlichster Prägung, deren Kohärenz durch gemeinsame Werte, Zielsetzungen, Aufgaben, von der Kindererziehung bis zu politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher ... Arbeit gewährleistet würde. Gabriele von Bülow,

Dipl. Psych.,

Psychoanalytikerin, Berlin

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