Kreativhaus-halten

■ betr.: Sparmaßnahmen in der Stadt

Meine Tochter hat immer an den Aktivitäten des Kreativhauses teilgenommen. Durch die Sparmaßnahmen des Senats muß sie nun auf der Straße weiterspielen. Beim letzten Besuch habe ich das „traurige Märchen“ von Gesine Laatz, einer Mitarbeiterin, gelesen. Ramona Thiesler

Ein trauriges Märchen

Es war einmal ein schönes buntes Haus, mit vielen Fenstern zum Hinausschauen und einer Tür, durch die jede Woche viele Menschen kamen und gingen. Im ersten Raum dieses Hauses wohnte ein großer, grüner, freundlich blickender Drache. Er bewachte ein hölzernes Regal mit vielen Büchern und Spielen und die Vorräte an Schokolade, Keksen und Saft, die die Bewohner des Hauses für ihre Gäste bereitgelegt hatten. In den Büchern in dem hölzernen Regal standen viele wunderbare und geheimnisvolle Sachen: Die schönsten Kinderspiele waren dort beschrieben, die tollsten Bastelideen abgebildet, die besten Ideen gesammelt für eine Kindheit voller Phantasie, Humor und Kreativität.

Und wer wohnte in dem Haus? Die Kreativlinge, Menschen, die alle, na gut, fast alle, diese spannenden Bücher gelesen hatten. Und was noch viel besser war, sie wußten ihr Wissen zu nutzen. Nicht wenige von ihnen hatten die Gabe, sich verwandeln zu können. Und so kam es vor, daß den Besuchern des Hauses allerlei merkwürdige Gestalten begegneten: Kobolde, der griesgrämige König Colores im regenbogenfarbigen Gewand, die Kräuterhexe Raute, das Burgfräulein Kunigunde, Gaukler und Artisten, Zauberer und Clowns ... Und nicht selten gingen diese Zauberwesen auch hinaus: in Kitas und Schulen, auf Straßen und Plätze, in Parks und auf Spielplätze. Und wo sie auftauchten, erblühte eine bunte Wiese der Phantasie, und jeder konnte sich eine Blume pflücken, ihren Duft tief einatmen und einfach zu spielen beginnen.

Es war einmal! Denn eines Tages waren die Bewohner des schönen Hauses ganz verarmt. Lange Zeit hatten sie bei den Oberen ihrer Stadt um Geld gekämpft, um weiter für die Kinder und Erwachsenen ihrer Stadt da sein zu können, sich sogar schon aufs Betteln bei den Reichen verlegt. Aber schließlich war das letzte Rinnsal des Geldflusses versiegt. ... Aber die Leute, denen das Haus gehörte, wollten nun auch noch viel Geld dafür haben, daß die Kreativlinge dort bleiben dürfen. Doch auch dieses Geld war mit den letzten Tropfen aus dem Geldfluß versiegt. Und so blieb den Kreativlingen nichts anderes übrig, als mit dem großen Schlüssel die Tür, durch die so viele fröhliche Menschen geströmt waren, abzuschließen, den grünen Drachen einsam zurückzulassen und sich in alle Winde zu zerstreuen. ... Gesine Laatz, Kreativhaus