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Kreative Zahlenspiele eigener ExpertenWirtschaftswunder Facebook

Facebook will in Europa für eine Wertschöpfung von 15,3 Milliarden Euro verantwortlich sein. Wie kommen die firmeneigenen Experten auf diese Summe?

Beliebt und steinreich: Gesichtsbuch. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Facebook ist einer der ganz großen Wirtschaftsfaktoren in Europa. Das ist zumindest einer neuen Studie der Unternehmensberater von Deloitte zu entnehmen, die auch diversen Nachrichtenagenturen eine Meldung wert war. Dabei hat sie einen kleinen Schönheitsfehler: Die Untersuchung hatten die Betreiber des sozialen Netzwerks selbst in Auftrag gegeben.

Es ist ein kurzes Dokument mit bunten Schaubildern und hohen Zahlen: Die Wirtschaftsberatungsfirma Deloitte hat errechnet, welche volkswirtschaftlichen Wirkungen Facebook in Europa hat. 15,3 Milliarden Euro soll Facebook insgesamt zur Wertschöpfung beitragen, eine erstaunliche Zahl für ein Unternehmen mit etwas über 2.000 Beschäftigten.

Und damit sorge das Online-Netzwerk von Gründer und Vorstandschef Mark Zuckerberg insgesamt für 232.000 Arbeitsplätze. Die Begründung: Neben den direkten Effekten sorge Facebook auch indirekt für eine enorme Wirtschaftskraft. Allein 22,6 Millionen Nutzer verzeichnet Facebook in Deutschland, in der gesamten EU plus Schweiz sind 165 Millionen Nutzer angemeldet. Das ist eine enorme Zahl, aber sollte jeder dieser Nutzer tatsächlich knapp 100 Euro wirtschaftlichen Effekt haben?

Um auf die Milliardensumme zu kommen, haben sich die Studienersteller einiges einfallen lassen: Sie berechneten den Wert der sogenannten App Economy, also der für Facebook erstellten Anwendungen wie zum Beispiel der beliebten Spiele. Zwei Milliarden Euro.

Auch am Breitbandzugangsbedarf soll Facebook schuld sein. Weitere fünf Milliarden Euro. Und natürlich der Markenwert. Der sei mit 6,6 Milliarden Euro zu beziffern, sagen die Forscher. 700 Millionen Euro bezahlte Anzeigen. Und so weiter. Zählt man alles zusammen, erscheint das Online-Netzwerk als ein wahres Wirtschaftswunder.

Mutige Interpretation

Was Facebook sicherlich geschafft hat: Es gibt nun viel mehr Social-Media-Berater als in der Zeit vor Zuckerbergs blauem Riesen. Und es gibt ein ganzes System von Firmen, die um Facebook herumkreisen - beispielsweise Firmen wie das Berliner Startup Wooga oder Zynga, die Spiele für die Plattform entwickeln.

Timeline

Was bisher nur ein umstrittenes Extra auf der Social-Media-Plattform Facebook war, wird nun zur Pflicht für alle User: die Timeline. Mit der Zeitleiste will Facebook-Gründer Mark Zuckerberg erreichen, dass das gesamte Leben des Nutzers auf einen Blick sichtbar ist. Die Datenschützer sind alarmiert.

Aber dass Facebook, eine Seite, die eigentlich recht schlank ist und wenig Datenvolumen verbraucht, eine der treibenden Kräfte für Breitband-Internetzugänge sein soll, ist eine zumindest mutige Interpretation.

Die Studie und ihr Erscheinen könnten tatsächlich einen ganz anderen Hintergrund haben. So ist Facebook in den vergangenen Jahren immer wieder beim Datenschutz unter Beschuss geraten. Ist ein Schelm, wer vermutet, dass die Veröffentlichung einer solchen Studie wenige Stunden vor der Vorstellung einer neuen Datenschutzgesetzgebung auf Europaebene kein Zufall sein kann?

Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft sind im politischen Betrieb etablierte Argumente. Umso besser für Facebook, wenn sich diese nun vermeintlich klar beziffern lassen: Wer will schon 232.000 Jobs aufs Spiel setzen?

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11 Kommentare

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  • I
    Ichwerdwahnsinnig

    Mit dem Verlust von Arbeitsplätzen erpressen die uns immer wieder. Wir müssen uns etwas gesellschaftlich einfallen lassen, das den Arbeitsplatz und die damit verbundenen sozialen Kosten (wie ALG1 + 2etc.)irrelevant machen. (z.B. Bed. Grundeinkommen). Wir dürfen von der "Wirtschft" nicht mehr erpressbar sein. Mit dem Verlust von Arbeitsplätzen würden die heute auch die Verhinderung oder Abschaffung eines neuen Faschismus und eines 2. Adolf's, sowie eines neuen Krieg's rechtfertigen. So geht es nicht weiter. Die sogenannte Wirtschaft, sprich Großkonzerne, Millardenunternehmen und Banken etc. haben unseren Staat und unsere Politiker flächendeckend in der Hand und zerstören unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat systematisch und bewusst. Da diese die Illusion haben, Umsatz bzw. Gewinn in 100-Milliardenhöhen global auch ohne Basiskonsum der einfachen Bürger zu generieren, interessieren sie sich auch nicht mehr für die Situation der Bürger. Deren Einkommen soll total abgeschöpft werden und ansonsten stören die sowieso nur. Endziel: Eine endemische "Wirtschaft" aus Großunternehmen ohne Bürger und Konsumenten, die aus sich allein heraus Billionen schöpft.

  • Z
    zyniker

    Wertschöpfung ist gut! Auf dieser Welt gibt es nur eine bestimmte Anzahl von Werten. Wenn dort der Umsatz bzw. Gewinn so hoch ist, ist das keine allgemeine Wertschöpfung. Vieleicht ist der Wert dieser Firma nach modernen perversen Gesichtspunkten gestiegen. Fakt ist, dass dieser Wert/Gewinn/Umsatz - wie auch immer - irgend jemanden aus der Tasche gezogen worden ist, bzw. hier jemand ausgebeutet worden ist. Hier ist nur eine neue Werteverteilung vorgenommen worden. Vielen etwas wegnehmen und es an einem neuen Ort konzentrieren. Das ist aber keine "Wertschöpfung". Hier soll mit solchen Begriffen der "Bürger" verdumdeubelt werden, um es mal vorsichtig auszudrücken.

  • BH
    Banjo Hansen

    Man muss von dieser "Wertschöpfung" defintiv die verlorene Produktivität abziehen durch facebooken am Arbeitsplatz, in der Freizeit (keine Erholung für den Arbeitsprozess) usw.. Dieser negative Beitrag dürfte enorm sein. Davon abgesehen, dass Facebook zu einer Monokultur geworden ist und Mitbewerber, zB VZ ("Wertschöpfung", Arbeitsplätze) verdrängt.

  • Y
    yberg

    das virale gesellschaftliche netzwerk ist ein arbeitszeitfresser erster güte,zudem ein konzentrationsdieb vom feinsten und dadurch ein zerstörer von regeln und planung und damit ein volkswirtschafts kostenmonster erster güte.

     

    nicht ohne grund gibt es bereits nutzungsverbote in schule und unternehmen

     

    nun müßte dieser wirkungsverlust durch geistige nichtanwesenheit in der schule mehr lehrerstellen bedingen, in der arbeitswelt mehr stellen,was jedoch an beschränkten finanziellen mitteln scheitert

     

    tatsache ist ,daß sich die nutzung negativ am arbeitsplatz und in der schule auswirkt,da keineswegs die ungeteilte aufmerksamkeit der portalnutzer vorherrscht.

     

    es mag für das wirtschaftswachstum eine verschwindend geringe bedeutung haben,die jedoch von dem wirkungsverlust in ausbildung und beruf weit übertroffen wird und auch der persönlichen entwicklung des nutzers in ausbildung und arbeitswelt nicht zum vorteil gereicht.

     

    im übrigen gibts heute gegen geld auch schrägste expertise , in dem fall bei deloitte.

     

    der beste rat ist eben ,der nicht erteilte...

  • TZ
    Tom Zyankali

    Nun, zumindest kann ich aus meiner Postion als Barbesitzer sagen, das soziale Netze ganz gewaltig unseren Bekanntheitsgrad und durch die diversen Blogs auch unser Bildungsniveau erhöht haben. Dadurch hat sich unser Umsatz innerhalb weniger Monate um 30% und unser internationaler Bekanntheitsgrad und Ruf ins Unermeßliche erhöht.

    Als Gewerbetreibenden ist mir der mangelhaft Datenschutz und die freizügige Verlinkung natürlich durchaus nicht unrecht, als Privatperson bin ich glücklicherweise nach wie vor in Netz nicht findbar.

  • TZ
    Tom Zyankali

    Nun, zumindest kann ich aus meiner Postion als Barbesitzer sagen, das soziale Netze ganz gewaltig unseren Bekanntheitsgrad und durch die diversen Blogs auch unser Bildungsniveau erhöht haben. Dadurch hat sich unser Umsatz innerhalb weniger Monate um 30% und unser internationaler Bekanntheitsgrad und Ruf ins Unermeßliche erhöht.

    Als Gewerbetreibenden ist mir der mangelhaft Datenschutz und die freizügige Verlinkung natürlich durchaus nicht unrecht, als Privatperson bin ich glücklicherweise nach wie vor in Netz nicht findbar.

  • NK
    na klar

    Die andere Frage ist wie hoch die Ausfälle in der Wirtschaft durch Mitarbeiter die sich statt zu arbeiten in Facebook rumtreiben sind....

  • S
    Startupinderhose

    Wird Zeit, daß das FBI den Laden dicht macht, alles von myspace geklaut.

  • FV
    FB verschwindet auch wieder

    Es hat einen negative Wert auf die Wirtschaft. Ich denke das jeder Nutzer mindestens 2 Stunde bezahlte Arbeitszeit dafür nutzt, um schnell mal zu Antworten oder ein kleines Spiel nebenher.

     

    Wie aus dieser Selbstbeschäftigungstherapie was positives wachsen soll, ist mit schleierhaft.

     

    Aus diesem Grund ist FB für mich nur ein Trend, da nicht wie bei Google (achten wenigstens auf den den Kunden) wirklicher Mehrwert entsteht.

     

    Man muss sich nur zB die FB-Bilder anschauen, was aus denen qualitative gemacht wird, nachdem die Online sind. Das ist doch wirklich mehr als traurig und dafür dann apps entwickeln die automatisch von der Kamera den upload machen. Da kann man ja gleich auf entfernen drücken.

     

    Fazit FB

    größte Spyware wird zur Mode

    lacht sich einen mit all den Daten

    und verkauft sie fröhlich

  • HH
    Hans Höfer

    FB schafft tatsächlich unzählige Arbeitsplätze. Da Millionen von Angestellten und Freelancern erheblich Teile ihrer Arbeitszeit in FB verplempern, teils am Firmen-PC, teils am privaten Smartphone, sinkt die Produktivität und die Firmen müssen weitere Menschen einstellen.

     

    Ein tolles Ergebnis für ein Projekt, welches ursprünglich zur Kostenreduzierung im öffentlichen Dienst gestartet wurde:

    http://www.youtube.com/watch?v=ZJ380SHZvYU

  • HW
    Hans Wurst

    Und wie hoch beziffert die Studie den Schaden durch die Vergeudung durch Arbeitszeit?