Kreative Einsparungen: Löcher zu verschenken
Das klamme Hildesheim sucht neue Wege beim Straßenerhalt: Es will der Diakonie als Hauptanliegerin eine Straße schenken. Die ist unsicher, ob sie das Angebot annimmt.
Die notorisch klamme Stadt Hildesheim beschreitet neue Wege, um die Kosten für Straßenerhalt zu sparen: sie versucht, ungeliebte Straßen zu verschenken. Ein besonders löchriges Exemplar, den maroden Stadtweg im Ortsteil Sorsum, soll nun der Diakonie überlassen werden.
Die ist mit einem Wohnheim Hauptanliegerin des abgelegenen Weges und müsste, so sie das ungewöhnliche Angebot der Stadt annimmt, den derart erworbenen Privatweg auch selbst reparieren. Der Schenkung soll noch mit 35.000 Euro nachgeholfen werden. Würde die Stadt Hildesheim die Sanierung selbst veranlassen, würden Kosten von mehreren hunderttausend Euro entstehen.
Derzeit wird noch debattiert, ob die Straße wirklich ins Eigentum der Diakonie übergehen soll. "Das war nur ein Vorschlag - ein Einzelfall, den man nicht unbedingt ausschlachten muss", sagt die stellvertretende Sprecherin der Stadt Hildesheim, Marion Dobias. In einer Sitzung am Mittwochabend soll sich der Ortsrat Sorsum nun aber gegen eine Umwidmung der Straße ausgesprochen haben - auch vom Wort "Schenkung" wollte laut einem Bericht der Hildesheimer Zeitung niemand etwas hören.
In der Sache ist aber noch nicht das letzte Wort gefallen. Der Ortsrat kann eine Empfehlung aussprechen, ist aber nicht das entscheidende Gremium. Dass die Verwaltung aber mit einem derartigen Vorschlag an die Anlieger herangetreten ist, bestätigt derweil auch die Stadt Hildesheim. Schließlich gebe es noch ein paar weitere Anlieger an der abgeschiedenen Straße, betont Stadtsprecherin Dobias. "Auch die Kirschbaumplantagenbesitzer müssen bei dieser Entscheidung mit berücksichtigt werden."
Nach dem Straßen- und Wegerecht ist die jeweilige Kommune so lange zur Instandhaltung öffentlicher Wege verpflichtet, wie sie auch öffentlich sind. Deklariert man sie um, verschieben sich auch die Zuständigkeiten. Generell kann eine Stadt aber wie jeder andere auch einen Vertrag schließen - das heißt juristisch, sich an Privatpersonen zu "bedienen", die dann ihre Aufgaben übernehmen sollen.
Dieses Vorgehen ist nicht nur ausdrücklich erlaubt, sondern auch so etwas wie ein Trend in klammen Kommunen und bekannt unter dem Stichwort "Flucht ins Privatrecht". Die Stadt hat in einer ähnlichen Frage schon einmal von sich reden gemacht, als sie die Finanzierung von Putzkräften in Schulen zusammenstrich - die Hildesheimer Schüler sollten einfach mal selbst saubermachen, so die Überlegung der Stadtoberen. Dass das Privatisieren und Abtreten kommunaler Pflichten in Hildesheim System habe, will Sprecherin Dobias allerdings nicht gelten lassen. "Das mit den Putzkräften an Schulen war ein Einzelfall, der vielleicht etwas unglücklich kommuniziert wurde."
In Sachen Wege-Privatisierung holpert die Kommunikation ebenfalls. Bereits am Montag hatte die Diakonie das Angebot der Stadt bestätigt - ohne nähere Absprachen mit der Stadt, die zunächst vertraulich vorgefühlt hätte. Ute Quednow von der Diakonie in Sorsum weiß selbst nicht, warum die Nachricht von dem Angebot der Stadt plötzlich die Runde machte.
Auch sei die Diakonie noch unentschieden, was sie von dem Angebot halten solle. "Wir sind eine diakonische Einrichtung für Menschen mit Behinderungen. Und genau dafür wollen wir auch unser Geld ausgeben. Es ist nicht unser Ziel, Straßen zu bauen", so Quednow. Sie bemühten sich seit Jahren darum, dass die Stadt ihren Rumpelweg saniere. "Wäre es im Sinne der Leute, die hier leben, und wir das kostengünstiger sanieren könnten, würden wir das aber auch selbst machen. Unsere Prüfung der Sache ist noch nicht abgeschlossen."
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