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Krankenversorgung für FlüchtlingeTod des Babys ist kein tragischer Einzelfall

Niedersachsen will prüfen, ob das Bremer Modell der Gesundheitskarte auch für das Flächenland sinnvoll ist und noch im Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen. Die letzte Prüfung dieser Art fiel allerdings negativ aus.

Steht in der Kritik: Kinderkrankenhaus auf der Bult. Bild: dpa

HAMBURG taz | Nach dem Tod des Säuglings in der Hannoverschen Kinder- und Jugendklinik „Auf der Bult“ erwägt die rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen nun nach Bremer Vorbild eine elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge und Asylbewerber einzuführen. Nach dem Willen der Grünen soll noch im Sommer ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werden. „Wir wollen die Diskriminierung von Flüchtlingen beenden“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Filiz Polat.

Ob die Einführung dieser Krankenkassenkarte sinnvoll und praktikabel ist, solle nun zeitnah geprüft werden, erklärte am Mittwoch eine Sprecherin des Innenministeriums: „In Kürze soll hierzu das Gespräch mit der AOK Niedersachsen und den kommunalen Spitzenverbänden gesucht werden.“

Eine frühere Prüfung sei negativ ausgefallen, teilte das Innenministerium mit. Eine zentrale Lösung wie im Stadtstaat Bremen sei im Flächenland Niedersachsen unmöglich, weil hier die Städte und Landkreise zuständig seien. Deshalb müsse wohl vom Land „eine Rahmenvereinbarung getroffen und von jeder Leistungsbehörde eine eigene Vereinbarung mit der AOK oder einer anderen Kasse geschlossen werden“, so die Sprecherin.

Bislang gibt es in Niedersachsen den „Krankenschein für Migranten“ nach Maßgabe des Asylbewerberleistungsgesetzes. Diese Scheine berechtigen Flüchtlinge, einen Arzt nach Wahl aufzusuchen. Sie werden zumeist „grundsätzlich ohne vorherigen Antrag quartalsweise ausgegeben“, erklärte die Ministeriumssprecherin.

Für die Einweisung ins Krankenhaus werde aber in der Regel ein ärztlicher Einweisungsschein benötigt, sagt Christoph Prehn von der niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Das gelte aber keinesfalls für Notfälle. Alexander Ebert von der Deutschen Stiftung Patientenschutz wertet den Vorfall als Indiz für die Probleme, die Menschen ohne Krankenschutz haben. In Hannover habe es wohl ein tragisches Ergebnis menschlichen Fehlverhaltens gegeben. „Um einen seltenen Einzelfall handelt es sich jedoch nicht“, sagte Ebert.

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3 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    SICHER, das System unseres "Zusammenlebens" ist schuld.

    Und gerade deswegen wird SICHER wieder nur der Sündenbock ausserhalb des Systems konfusionierend-verortet werden, damit niemand / die Masse nicht auf AUSSERORDENDLICHE Gedanken und wirklich-wahrhaftig kommunikative Aktionen gegen das Schweinesystem kommt!

  • Es gibt eine Stellungnahme der Klinik:

     

    http://www.weser-kurier.de/region/niedersachsen_artikel,-Klinik-weist-Vorwuerfe-zurueck-_arid,831135.html

     

    Wie ist es denn nun wirklich abgelaufen?

  • 4G
    4613 (Profil gelöscht)

    Nicht nur Flüchtlinge werden von Krankenhäusern abgewiesen, wenn sie keine Überweisung / Einweisung eines Arztes haben.

     

    Bevor mein Großvater starb, wurde er mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht, und der Krankenwagen hat gar während der Fahrt angehalten, um Schmerzmittel zu verabreichen, weil eine Weiterfahrt sonst unmöglich gewesen wäre.

     

    Das Krankenhaus schickte meine Großmutter, die mitgefahren war, sofort zum Arzt - mein Großvater sollte mitkommen - um eine Überweisung zu holen. Der Krankenwagen war da schon weg.

     

    Am Ende konnte das Krankenhaus überredet werden, dass mein Großvater dableiben durfte, während sie die Überweisung holte. Denn er war garnicht transportfähig, der Krankenwagen konnte ihn nicht transportieren, weil er so starke Schmerzen hatte und während der Fahrt sogar anhalten musste, um Schmerzmittel zu verabreichen. Er hätte niemals mehr Taxi fahren können.

     

    Aber ohne Überweisung geht da nichts. Jedenfalls in manchen Krankenhäusern. Im Nachhinein ist man immer schlauer - man hätte sich direkt denken können, dass diese Krankenhaus nichts taugt.

     

    In einem andrem hätte er vielleicht überlebt (er kam in dem Krankenhaus auf die falsche Station - Orhopädie obwohl er eine Blutvergiftung hatte), als der Fehler erkannt wurde von einem Arzt, der meinen Großvater kannte, blieb er zunächst weiterhin auf der Orthipädie weil dieser Arzt (aus einer andrem Station) ja den zuständigen Ärzten nicht reinreden durfte) - aber man weis es nicht.

     

    Naja, das sind - wie im Artikel ja auch steht - "tragische Ergebnisse menschlichen Fehlverhaltens". Aber mit Flüchtling oder nicht Flüchtling hat das nichts zu tun.

     

    Wir alle sind nicht bereit mehr Geld für die Krankenversicherung zu bezahlen, trotzdem gestatten wir den Reichen und Gesunden, NICHT in die Krankenversicherung einzuzahlen UND die Krankenhäuser sind privatwirtschaftlich betrieben, haben aber (gerade bei Notfällen) keine Konkurenz.