Krankenkassen: Nicht nur der Beitragssatz zählt, sondern auch die Kundenorientierung: Simple Mathematik anwenden?
betr.: „Krank und glücklich“, „Wir nehmen jeden auf“, taz vom 20./21. 4. 00, „Arbeitgeber machen Druck“, taz vom 22. 4. 00
[...] Die Krankenkassen stehen am Anfang des Wettbewerbs, der von fast allen gefordert wird. Doch werden die Regeln der Marktwirtschaft missachtet, wenn zum Beispiel auch der Deutsche Gewerkschaftsbund einen Mindestbeitrag fordert. Das gilt aber auch für die Forderung des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt, der einen Höchstbetrag für den Arbeitgeberanteil verlangt. Ich meine, dass die Orientierung einer gesetzlichen Sozialversicherung in erster Linie nach den sozialen Bedürfnissen der ganzen Solidargemeinschaft zu erfolgen hat. So zählt aber nicht nur der Beitragssatz, sondern auch die Kundenorientierung. Diese wiederum ist am Service, der Kundennähe und an Zusatzleistungen zu messen.
Eine Kundenorientierung verlangt von allen Beteiligten Bewegung. Das bedeutet aber, dass die Krankenkassenlandschaft ebenfalls in Bewegung gerät. [...] GOTTHOLD R. SECKER, Karlsruhe
Die Betriebskrankenkassen (BKK) leben nicht nur davon, dass sie junge und gesunde Mitglieder anziehen und somit – derzeit – billigere Beiträge als ihre Konkurrenz verlangen können. Ihr „neues Management mit bemerkenswerten Ergebnissen“ (so der BKK-Verbandsvorstand Voß) beruht auch darauf, dass diese Kassen ihre Leistungen zu Lasten der Behandler erbringen.
So bezahlen die BKK im Bereich Nord-Württemberg statt der vom Bundessozialgericht als angemessen betrachteten zehn Pfennige pro Punkt, was einem Stundenhonorar von 145 Mark brutto für eine Behandlungsstunde entspräche, gerade einmal 4,54 Pfennige pro Punkt (das ergibt pro Stunde 64,64 Mark brutto). Dagegen vergütet die von euch als teuer gescholtene AOK immerhin noch 6,88 Pfennig oder 99,84 Mark (was, nebenbei gesagt, auch noch nicht ausreicht, um eine psychotherapeutische Praxis wirtschaftlich zu führen). [...] JÜRGEN HEINZ, Gerstetten-Heuchlingen
Na klar, warum sollte ich als „kleinverdienende“ Familie bei den Krankenkassenbeiträgen nicht simple Mathematik anwenden? Auf Jahre hin gerechnet kann ich so Tausende von Mark sparen. Außerdem bezahlt zum Beispiel BKK Securvita (in meinem Fall) 15mal Akupunktur à 70 Mark. Als ich noch bei der AOK versichert war, erstattete diese lediglich zehnmal Akupunktur à 50 Mark. [...]
ANTJE BALTACI, Heusenstamm
[...] Es sei daran erinnert, dass sich die Arbeitgeber bereits bei der Pflegeversicherung von der solidarischen Finanzierung durch die Streichung des Bußtages als Feiertag verabschiedet haben. Der erneute Vorstoß von Hundt hat die gleiche Ausrichtung und verfolgt das Ziel, die Kosten der Sozialversicherung langfristig allein den ArbeitnehmerInnen aufzubürden.
[...] Zynisch ist Hundts Vorschlag, weil er vorsätzlich augenfällige Tatsachen verschweigt und die Schuld an den steigenden Beiträgen einseitig den Versicherten und Beschäftigten in die Schuhe schiebt. Ein Hauptproblem ist jedoch die hohe Arbeitslosigkeit. Würden die der BDA angeschlossenen Unternehmen ihrerseits eine Million neue Arbeitsplätze schaffen, hätten die gesetzlichen Krankenkassen Mehreinnahmen in Milliardenhöhe und das gesamte Sozialversicherungssystem würde entlastet werden. Die Beiträge wären nicht nur stabil zu halten, sondern könnten sinken.
Statt immer nur von anderen Rücksichtnahme und Verzicht zu fordern, ist es endlich an der Zeit, dass die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachkommen.
PETER WOLTERS, Peine
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