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KrankenhausreformLob von Lauterbach

Der Bundesgesundheitsminister wirbt in einer Eberswalder Klinik für die Krankenhausreform. Gerade Spezialkliniken hoffen auf bessere Finanzierung.

Karl Lauterbach wirbt für sein Reformvorhaben Foto: dpa | Jens Kalaene

Eberswalde taz | Vor dem Werner Forßmann Klinikum in Eberswalde steht am Donnerstag neben Rettungswagen auch ein großes Polizeiaufgebot, Per­so­nen­schüt­ze­r*in­nen mit Funkgeräten laufen über das Gelände. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat sich angekündigt, er will mit Menschen aus der Praxis über sein größtes und kompliziertestes Reformvorhaben sprechen: die Krankenhausreform, die Deutschlands kriselnde Krankenhauslandschaft zukunftsfähig machen soll.

Vor dem Haupteingang erwartet den Minister eine Delegation aus Geschäftsführerin Steffi Miroslau, Ober­ärz­t*in­nen und Presse. Bevor es auf einen Rundgang geht, werden Komplimente ausgetauscht: „Sie haben hier genau das, was wir für unsere Reform wollen“, sagt Lauterbach und lobt die Qualität der Versorgung vor Ort. Miroslau sagt, die rund 1.250 Mit­ar­bei­te­r*in­nen erhofften sich viel vom Besuch des Ministers.

Denn das Krankenhaus steckt, trotz der von Lauterbach gelobten hochwertigen Versorgung, mit einem Defizit von rund 4,4 Millionen Euro tief in den roten Zahlen. Die Beschäftigten berichten von Unsicherheit und Personalmangel, vor allem im stationären Bereich. Das ist kein Einzelfall: Etwa 70 Prozent der deutschen Krankenhäuser haben 2023 mit einem Minus abgeschlossen, rund 80 Kliniken droht laut deutscher Krankenhausgesellschaft in diesem Jahr das Aus.

„Häuser wie dieses sind die Verlierer des Systems, wie es jetzt ist“, sagt auch Lauterbach. Die Eberswalder Klinik hat sich spezialisiert, um Spitzenreiter bei der Versorgung von Schlaganfällen und einiger Krebserkrankungen zu werden. Das ist medizinisch sinnvoll, lohnt sich aber finanziell nicht, denn bislang werden die Versorger über Fallpauschalen bezahlt, unabhängig von der Behandlungsqualität. Das führt dazu, dass auch kleine Häuser, denen die Routine fehlt, komplizierte Eingriffe anbieten. Spezialisierte Kliniken bekommen dagegen zu wenig Fälle. Die Reform soll das ändern und Spezialisierung wie hier in Eberswalde belohnen.

Jahre, bis die Reform wirkt

Der Minister lässt sich in die „Stroke Unit“ führen. Dort zeigt ihm Oberärztin Susanne Hengst Bilder eines Schlaganfalls, der hier behandelt wurde. Die Ärz­t*in­nen führten eine Thombektomie durch, ein kompliziertes Verfahren, das hohe Präzision erfordert. Etwa 75-mal im Jahr führen sie die Operation durch. Lauterbach lobt das Ergebnis: „Das ist lebensrettende Medizin, die Sie hier durchführen.“ Für die Menschen in der Region bedeute die Stroke Unit bessere Überlebenschancen nach einem Schlaganfall.

Dafür, dass die Klinik diese Behandlung bereithält, soll sie nach der Reform eine „Vorhaltepauschale“ bekommen, mit der sie einen Großteil der Kosten decken kann. „Dann sind Sie hier in sicheren Gewässern“, sagt Lauterbach. Geschäftsführerin Miroslau stimmt zu, dass die Reform Verbesserung bringen wird, sagt aber auch: „Besser wäre es gewesen, wenn sie schon vor Jahren gekommen wäre.“ Bis die Reform in Eberswalde finanziell spürbar werde, sei es noch ein langer Weg.

Noch wird das Gesetz in den parlamentarischen Ausschüssen verhandelt, im Herbst soll es beschlossen werden. Bis es wirkt, werden wohl einige Jahre ins Land gehen. Lauterbach zeigt sich dennoch hoffnungsvoll. „Wir werden dieses Haus nicht untergehen lassen“, meint er und verweist auf den Transformationsfonds, der ab 2025 kriselnde Kliniken unterstützen soll. Die Kosten dafür seien allerdings enorm. Eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge schließt er nicht aus.

Nach dem Rundgang ziehen sich Minister und Klinikleitung zum Gespräch zurück, eine Stunde später treten sie vor die Presse. „Wir stimmen darin überein, dass es eine Reform braucht“, sagt Miroslau. Ihr Krankenhaus habe in den letzten Jahren viel Kraft und Geld investiert, um eine zukunftsfähige Versorgung aufzubauen. „Aber wir brauchen jetzt Geld, sonst überstehen wir es nicht bis zur Reform.“ Lauterbach macht keine konkreten Zusagen, aber immerhin Hoffnung: „Ich fahre mit einem guten Gefühl hier weg.“

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