Lauterbach stellt Krankenhausreform vor: Klinikrettung oder Kahlschlag?
Nach langen Verhandlungen stellt der Gesundheitsminister die Krankenhausreform im Bundestag vor. Was geplant ist und was die Opposition dazu sagt.
Mit der Reform will Lauterbach die Bürokratie in den Krankenhäusern abbauen, die Finanzierung sichern und eine gute Versorgung für jeden und jede ermöglichen. Das Gesetz soll den wirtschaftlichen Druck auf die Krankenhäuser verringern, die dadurch mehr Luft bekommen sollen, ihre Patient:innen bedarfsgerecht zu versorgen.
Deshalb sollen die sogenannten Fallpauschalen zum Teil abgeschafft werden. Diese wurden 2004 eingeführt und sorgen für eine Vergütung nach Behandlungsfällen. Sie führten, so Lauterbach, zu einer Ökonomisierung im Gesundheitswesen, weil sie einen Anreiz böten, immer mehr Eingriffe und Untersuchungen durchzuführen. Lauterbach sprach von einem „Preisschild“, das jeder Patient umhängen hätte.
Künftig sollen die Kliniken unabhängig von den ausgeführten Leistungen vergütet werden – durch sogenannte Vorhaltepauschalen, die 60 Prozent ihres Budgets decken. Sie werden also dafür bezahlt, welche Leistungen sie anbieten – nicht, welche Leistungen sie tatsächlich ausführen.
Basisversorgung auf dem Land
Außerdem will Lauterbach die Kliniklandschaft verändern. Komplizierte Eingriffe – etwa bei Krebs, Schlaganfällen oder Gelenkersatz – sollen künftig nur noch in darauf spezialisierten Kliniken vorgenommen werden. Im ländlichen Raum soll es eine solide Basisversorgung geben. Um das zu erreichen, will Lauterbach, die Finanzierung von Krankenhausbehandlungen an Qualitätskriterien knüpfen. Dafür werden die Krankenhäuser sogenannten Leistungsgruppen zugeordnet, für die Mindestvoraussetzungen, wie die Anzahl jährlicher Behandlungen, die technische und personelle Ausstattung definiert werden. Nur Kliniken, die diese Voraussetzungen – innerhalb eines Übergangszeitraums – erfüllen, dürfen Behandlungen aus der jeweiligen Leistungsgruppe abrechnen.
Andrew Ullmann, FDP
Es wird erwartet, dass die Einführung der Leistungsgruppen zur Zusammenlegung oder Schließung von Abteilungen oder ganzen Krankenhäusern führen wird – insbesondere in den überversorgten Ballungsräumen. Allerdings machen auch jetzt schon regelmäßig Stationen und ganze Kliniken dicht – wegen finanzieller Schieflage oder Personalmangels. Dieses „kalte Kliniksterben“ soll die Reform verhindern.
Der Klinikatlas soll mehr Transparenz schaffen
Tino Sorge, der für die CDU im Gesundheitsausschuss sitzt und auf Lauterbach antwortete, stimmte mit dem Minister in einem Punkt überein: „Wir brauchen eine Reform, da sind wir uns parteiübergreifend einig.“ Nach diesem Satz kam aber kein gutes Wort mehr über seine Lippen. Sorge warf Lauterbach vor, die Orientierung verloren zu haben – beim Klinikatlas und generell. Der Unionsgesundheitsexperte beschuldigte Lauterbach, sich nicht an Absprachen zu halten, und forderte „gemeinsames Handeln“. Sorge sieht vor allem die Versorgung auf dem Land gefährdet.
Lauterbach hatte zuvor betont, dass gerade die kommunalen Versorger von Zuschlägen und Vorhaltepauschalen profitieren würden. Ohne Reform wären gerade die kleineren ländlichen Krankenhäuser von Insolvenz bedroht.
Der Gesundheitsexperte der FDP, Andrew Ullmann, warb ebenfalls für den Gesetzesentwurf: „Das Gesundheitssystem liegt auf der Intensivstation“, so Ullmann, der als Arzt gearbeitet hat. Deutschland habe eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt, aber auch eines der ineffektivsten. Mit dieser Reform werde dem medizinischen Personal die Luft zum Atmen und zum Handeln gegeben, sagte Ullmann.
Der Entwurf wird nun in den Ausschüssen debattiert. Im Herbst soll der Bundestag die Reform beschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“