Krankenhäuser als Wirtschaftsfaktor: Kliniken fehlt Geld und Personal
Die jüngste Gesundheitsreform verschärft die Situation in den staatlichen Krankenhäusern. Um Finanzknappheit und Überlastung auszugleichen, greifen die Kliniken zu Notlösungen.
KASSEL taz | Wohl und Wehe von Patienten dienen nicht mehr als Hauptargumente, wenn die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mehr Geld für ihre Branche verlangt.
Im Vorfeld des Krankenhaustages, der am Mittwoch in Düsseldorf startete, forderte die mächtige Kliniklobby stattdessen, die Bundesregierung dürfe den "Wachstumsmotor Krankenhaus" nicht abwürgen. Die DKG beschrieb die gut 2.800 deutschen Krankenhäuser als "maßgeblichen Wirtschaftsfaktor" mit 66 Milliarden Euro Umsatz und 1,1 Millionen Beschäftigten.
Vor Ort in Düsseldorf aber wurden die Beschäftigten als Kostenfaktor und Mangelware diskutiert. Der Präsident des Krankenhaustages, Hans-Fred Weiser, sagt neue Lasten durch künftige Tarifsteigerungen voraus.
Seit Jahren kämpfen Kliniken damit, dass sie Lohn- und Gehaltssteigerungen nicht mit Preissteigerungen für ihre Leistungen ausgleichen können. Nun dämpft die gerade beschlossene Gesundheitsreform Einnahmesteigerungen, die die Kliniken bereits angepeilt hatten. So werde das Problem verschärft, klagte Weiser. Doch Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) ließ sich keine konkreten Hilfszusagen abringen: "Wir warten erstmal, wie sie verhandeln im nächsten Jahr", sagte er. Die Belastungen der Kliniken seien moderat.
Als großes Thema für das nächste Jahr kündigte Rösler an, den Nachwuchs für das ärztliche Personal zu sichern. 5.500 bis 6.000 Stellen für Klinikärzte könnten schon jetzt nicht besetzt werden, klagte auch Weiser. Doch gleichzeitig ist die Zahl der Klinikärzte in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Nach vorläufigen Zahlen des statistischen Bundesamtes gab es 2009 130.000 Vollzeitkräfte im ärztlichen Dienst in Kliniken. 1998 waren es über 20.000 weniger.
Kräftig geschrumpft ist im gleichen Zeitraum die Zahl der Pflegekräfte. Dort haben die Krankenhäuser am kräftigsten gespart: Laut Statistik verringerte sich die Zahl der Vollzeitstellen in diesem Bereich von knapp 338.000 in 1998 auf rund 302.000 in 2009.
Allerdings war die Zahl zuletzt leicht gestiegen. Noch unter Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) war ein Sonderprogramm zur Neueinstellung für Pflegekräfte aufgelegt worden, zu dem sich auch Rösler am Mittwoch bekannte. Wie viel das Programm bewirkt hat, ist allerdings noch unklar.
Während das Podium auf dem Krankenhausmarkt von einem Wettbewerb um Fachkräfte sprach, beobachten Gewerkschafter derzeit eine Diskrepanz: Zum einen wollten Kliniken Tarife gering halten und gäben dem Nachwuchs nach der Ausbildung nur befristete Verträge, sagte Herbert Weisbrod-Frey, Bereichsleiter Gesundheitspolitik bei Verdi, der taz. Zum andern zahlten aber einige Großstadtkliniken bereits "Kopfgeld, wenn jemand nach der Probezeit bleibt".
Selbst dort, wo neue Pflegekräfte eingestellt würden, steige aber die Arbeitsbelastung, so Weisbrod-Frey. Denn die Kliniken versuchten, die Zahl der behandelten Fälle ausweiten - was sich finanziell lohne. Zum Beispiel würden Patienten, deren verschiedene Leiden früher parallel behandelt worden seien, heute zum Teil entlassen und dann in einer anderen Abteilung neu wieder aufgenommen, um eine neue Fallpauschale abrechnen zu können.
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