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Krank durch Medikamente

■ Nebenwirkungen von Neuroleptika umstritten / Gesellschaft für soziale Psychiatrie denkt über Alternativen zu den „Ruhigstellern“ nach / Widerstand von Krankenkassen

Bewegungsstörungen, Muskelverkrampfungen, Gedächnis- und Konzentrationsschwierigkeiten, zum Teil als nicht wieder aufhebbare Dauerschäden - das sind mögliche Folge einer Neuroleptikabehandlung. Darüber hinaus klagen PatientInnen über Gewichtszunahme und Impotenz.In Einzelfällen ist auch eine Verringerung der weißen Blutkörperchen und damit eine erhebliche Schwächung der körpereigenen Abwehrreaktion diagnostiziert worden. Diese erschreckende Bilanz stellte der Bremer Verband der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP)auf einer Veranstaltung in der letzten Woche vor.

Neuroleptika sind Medikamente, die seit über 20 Jahren zur Beruhigung und Behandlung von psychisch kranken Menschen eingesetzt werden. In der letzten Zeit hat ihre Anwendung in der Bundesrepublik erheblich zugenommen. 1987 wurden allein auf Kosten der gesetzlichen Kranken

versicherung 152 Millionen Tagesdosierungen verabreicht. Neuroleptika müssen in aller Regel über einen langen Zeitraum genommen werden und wirken direkt auf das Nervensystem. Ihr genauer Wirkungsmechanismus konnte aber bisher trotz der Fülle wissenschaftlicher Literatur nicht klar belegt werden. Die BefürworterInnen von Neuroleptika schreiben diesem Medikament heilende Wirkung zu, die KritikerInnen bestreiten dies.

Zwar erkennen sie die Erfolge der Neuroleptika bei Akutbehandlungen an, sehen aber den Anspruch auf Heilung zugunsten der Ruhigstellung der Betroffenen zurückgedrängt. Dazu sagt Ronald Kähler, Vorstandsmitglied der DGSP: „Die Vergabe von Neuroleptika wird noch zu unreflektiert gehandhabt, die Patienten werden nach meinem Eindruck über die möglichen Neben-und Spätfolgen nur unzureichend unterrichtet, und medizinisch sinnvolle Alternativen erhalten

keinen Raum .“

Die DGSP, die sich als Interessenveretretung psychisch kranker Menschen versteht, will in den nächsten Monaten in einer Reihe von Veranstaltungen Alternativen diskutieren. Erste Vorstellugen gibt es bereits. So müßten Verbesserungen bei der Begleitung der psychisch Kranken ansetzen. Die ambulante Pflege soll ausgeweitet, in den Krankenhäusern und Heimen sollen die räumlichen und strukturellen Bedingungen für eine sinnvolle Betreuung geschaffen werden.

Voraussetzung dafür wäre eine Anerkennung der notwendigen ambulanten und stationären Pflegemaßnahmen durch die Krankenkassen. Die haben sich bisher dagegen gesperrt.

Das eine erhebliche Reduzierung der Neuroleptikabehandlungen möglich ist, belegt die Praxis in Schweden: Hier konnte die Anwendung von Neuroleptika in den vergangenen Jahren um über 50 Prozent reduziert werden. om

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