: Kraft durch Eier
■ Am Alex fand dieses Wochenende die »4. Berliner Eierbörse« statt
Dem Ei geht es meistens schlecht. Überall auf der Welt wird es geschlagen, geköpft, gequirlt, pochiert oder gesotten. Andererseits gilt das Ei als Symbol des Glückes und der Fruchtbarkeit — der Eierfreund trägt es gerne mit sich herum, krault es ab und zu oder streichelt seine Oberfläche. Der Erfinder schätzt das Ei des Kolumbus, der Homo politicus bevorzugt das handliche Ding als Wurfgeschoß.
Die »Berliner Eierbörse« hat für jeden das passende Ei, der Andrang an den Ständen ist entsprechend der Nachfrage groß. Das gemeine Hühnerei ist ausgeblasen und poliert für 1,50 Mark zu haben, Fasan, Perlhuhn oder Pute werfen für 3-7 Mark das Stück. Den wahren Eifan zieht es jedoch zu Nandu oder Emu. Unfrisiert kosten diese Eiwunder 50 Mark, lackiert das Dreifache.
Wer sich für Auseinandersetzungen mit unliebsamen Politikern oder Rockstars wappnen möchte, stößt bei der »Eierbörse« auf ein reichhaltiges Sortiment. Je nach Bosheitsgrad des Delinquenten empfiehlt sich für den ersten, warnenden Wurf ein bunt beklebtes Taubenei in Batikdesign. Das Ei ist klein, leicht und vermittelt eher eine freundschaftliche Geste des Unwohlseins als die eines Angriffs (4 Mark). Der introvertierte Eierwerfer kann auf »Spruchbandeier« zurückgreifen. Das »Spruchbandei« enthält einen herausziehbaren Papierstreifen mit ernst zu nehmenden Drohungen wie »Lache den Tag an, und er lacht Dir zurück«. Gekaufte Botschaften haben ihren Preis: 60 Mark kostet ein »Spruchbandei«. Wer die ernsthafte Auseinandersetzung sucht, ist mit einem Holzei gut bedient. Holzeier gibt es in vielen Größen und Ausführungen, besonders beeindruckend ist jedoch der Zweipfünder aus einer russischen Manufaktur. Er besteht aus zwei verleimten Teilen, die sich bei dem Aufprall auf den Delinquenten hoffentlich lösen — andernfalls können ihm nur noch die religiösen Motive unter der transparenten Glasur des Eies helfen. 1.500 Mark verlangt der Importeur für diese homöopathische Ausführung einer Splitterbombe.
Billiger und doch weitaus gefährlicher sind die Modelle aus Onyx, Jade oder anderem edlen Gestein. Ein Sodalith aus Südwestafrika kostet nur 26 Mark, kann jedoch in der Hand eines ungeübten Eierwerfers zu ernsthaften kriminaltechnischen Ermittlungen führen — also Hände weg! Empfehlenswerter ist ein Softei aus Seide mit einem Wattekern. Es muß ja nicht gleich ein Modell aus dem 19. Jahrhundert für 400 Mark sein. Wie wäre es mit einem selbstbemalten Taubenei? Die übermittelte Botschaft darf dann um so grausamer sein, ein vernichtender Schlag wider die Psyche Ihres Feindes. »Fat Man« oder »Little Boy« könnte als Symbol des Hasses auf dem Ei stehen. Der aktive Militarist kann auf der »Eierbörse« auch ein javanisches Blasrohr aus Wasserbüffelknochen erstehen (118 Mark). Der Verkäufer konnte leider keine passenden Blaseier liefern. Für die nächste »Eierbörse« im April versprach er Besserung. Werner
Nächster Markt: 4./5. April, 10-18 Uhr, in den Messehallen
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