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Krach um die Uni-ReformDer Bachelor-Bluff

Der Bachelor sollte die Wunderwaffe des deutschen Hochschulwesens werden. Doch nach neun Jahren räumen selbst die größten Fans ein: So geht es nicht weiter

Am Bachelor muss noch gebastelt werden. Projekt "Weltverbesserer" der Gestaltungshochschule Karlsruhe. Bild: dpa

Es war das einsame Argument der Studenten: Verdummen, vergrätzen, vergräulen würde der Bachelor die Studierenden an Deutschlands Unis - und sonst gar nichts. Mit harten Geschützen hatten bewahrende Studivertreter und der universitäre Mittelbau das Feuer eröffnet, als ihre Uni-Präsidenten und Hochschulstrategen vor neun Jahren den neuen Studiengang nach Deutschland importierten. Jetzt brennt wieder die Hütte. Denn zu den Altbekannten gesellt sich eine immer breitere Koalition aus honorigen Gelehrten, die bezweifelt, dass der Bachelor sein Gutes bringt. Die Zahlen zeigen: Neun Jahre nach der Einführung von Bachelor und Master an Deutschlands Unis sind die Hauptziele verfehlt.

Abbrecherquoten senken und Mobilitätsraten steigern - das waren die Hauptmotive, wegen denen sich 29 europäische Länder in der Deklaration von Bologna 1999 dazu entschlossen haben, einen gemeinsamen Hochschulraum zu schaffen. Mittel dazu sollten vergleichbare Studienabschlüsse sein: Bachelor und Master für alle statt der traditionellen Diplom- und Magister-Abschlüsse sollten her, damit bis 2010 aus der Europäischen Union der wettbewerbsfähigste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt entstünde.

Doch zwei Jahre bevor der neue Studiengang abschließend und flächendeckend eingeführt sein soll, fordert nun der Deutsche Hochschulverband, Stimme von 23.000 Uni-Profs und WissenschaftlerInnen in Deutschland, eine umgehende "Reform der Bologna-Reformen" - und den Stopp der Umstellung, wo sie noch zu stoppen ist. Das heißt nichts anderes als: Diejenigen, die die Reformen an den Hochschulen umsetzen sollen, verweigern sich.

"Der Bologna-Prozess in Deutschland ist nur noch zu retten, wenn massiv gegengesteuert wird. Mit einem bloßen Nachsteuern ist es nicht getan", sagt Hochschulverbandschef Bernhard Kempen. Er sieht im Bachelor-Studiengang, wie er in Deutschland umgesetzt wurde, ein "Scheuklappen-Studium". Bachelor-Studenten seien nur noch "Hamster im Laufrad" - und durch das Sprintstudium massiv gefährdet.

Eine Erfahrung, die viele Bachelor-Studierende längst kennen. Denn an den Unis herrscht das Chaos. Seit die Universitäten vor neun Jahren freie Hand bekamen, sämtliche Studiengänge neu zu stricken, überblicken selbst die Sachbearbeiter in den Studien- und Prüfungsbüros kaum noch ihre eigenen Studienangebote: Weil es für jede Forschungsfrage einen spezifischen Studiengang gibt, ist vor allem eines entstanden: Ein Dschungel aus Richtlinien und Prüfungsordnungen, den niemand mehr durchdringt. Denn unter dem Dach von Bologna konkurrieren die Unis mit illustren Interpretationen des neuen Studiengangs - von äußerst breit angelegten Einführungsstudiengängen bis zu hochspezialisierten Expertenstudien für Erstsemester. Im Kampf um Leuchtkraft, Profilbildung und Alleinstellungsmerkmale sind die Bachelorangebote mittlerweile so verschieden ausgestaltet, dass selbst Experten kaum noch einen Überblick haben.

Die Folge: Das europäische Hochschulwesen ist mitnichten synchronisiert. Doch das war das Hauptanliegen, seit die Bologna-Reformen an Deutschlands Unis massiv vorangetrieben werden - damit Deutschlands Studierende endlich heiter reisen können. Erfolg? Keiner.

"Die neuen Studiengänge sind häufig so spezialisiert und auf Einmaligkeit konzipiert, dass bereits ein innerdeutscher Studienortwechsel während des Bachelor-Studiums nahezu unmöglich ist", sagt der Hochschulverband. Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine da. Auch der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) - zuständig für die Mobilität der Studierenden - kritisiert, dass viele Studiengänge viel zu eng gestrickt seien. Seit die Bachelor-Angebote die Mehrzahl unter den deutschen Studiengängen ausmacht, beobachtet der DAAD eine Stagnation der studentischen Reiselust: "Wir sehen einen Rückgang der Auslandsaufenthalte unter den Studierenden - und da gibt es einen Zusammenhang zur Bachelor-Einführung", sagt DAAD-Chef Bode der taz. "Wir haben nie ausführlich darüber diskutiert, was die Grundidee des Bachelors und des Masters ist. Diese Diskussion hätten wir vielleicht früher führen müssen."

Trotzdem hat das Chaos auch System: Weil bei der zweistufigen Gestaltung der Bachelor-Master-Abschlüsse die Hochschulen freie Hand hatten, entschieden sich die meisten dafür, einen kurzen Grundstudiengang von drei Jahren anzubieten - und dann einen fast gleichlangen, zweijährigen Zusatz-Master draufzusatteln. Da die Universitäten zunehmend auch nach der Zahl ihrer AbsolventInnen bezuschusst werden, sind kurze Studiengänge attraktiv für die Universitäten: Wer in kürzerer Zeit mehr Studierende durchschleust, bekommt mehr Geld. An kaum einer Uni ist daher derzeit ein vierjähriger Bachelor-Studiengang zu finden. Weil viele stolze Fakultäten aber nicht von ihrer Gestaltungsmacht lassen wollen, sind die Bachelor-Curricula zugleich chronisch überladen.

Die Folge: Die Studis brechen ihr Studium sogar häufiger ab als früher. Laut dem aktuellen Bildungsbericht von Bund und Ländern gibt jeder vierte Bachelor-Studierende sein Studium vorzeitig auf, an den Fachhochschulen sind es sogar 39 Prozent.

"Die Flexibilität der Studierenden muss eine der wichtigsten Anforderungen an einen guten Studiengang sein", sagt die Studierendenvertreterin Imke Buss vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften (fzs). Sie meint damit, dass viele Studiengänge schlichtweg nicht studierbar sind - weil zwischen den formalen Anforderungen der Studienordnungen und der Realität der Studierenden oftmals Welten liegen. Rückendeckung erhält sie vom Präsidenten des Deutschen Studentenwerks, Rolf Dobischat: "Zwei Drittel der Studierenden jobben neben dem Studium, für 40 Prozent ist die Studienfinanzierung nicht gesichert, und Studiengebühren schlagen zusätzlich zu Buche. Das ist für viele Studierende ein schwieriger zeitlicher Spagat, und in einem Bachelor-Studium wird er noch schwieriger."

Dazu kommt: Das Gros der Bachelor-Studiengänge sind Vollzeitstudiengänge. Ein Teilzeitstudium, wie es der Realität der meisten Studierenden entspräche, ist meist schlichtweg nicht vorgesehen. Das heißt auch: Der Bummel-Effekt, die Regelstudienzeit zu überschreiten, wird systematisch erzeugt. Wer arbeiten muss oder ein kreischendes Baby zu Hause hat, gehört so automatisch zu den Verlierern der Bologna-Reform.

Kein Wunder also, dass das Image des Bachelors unter den Studierenden immer weiter sinkt: Während 2001 noch immerhin ein Viertel aller Studierenden sich mit einem Bachelor-Abschluss gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt ausrechneten, waren es im letzten Jahr nur noch 12 Prozent. Umgekehrt sind 2007 mehr als die Hälfte der Studierenden der Meinung, der Bachelor führe bestenfalls zu Akademikern zweiter Klasse. Die Hälfte der Studis hält heute den Bachelor für eine Einschränkung der individuellen Studiengestaltung - das sagt der aktuelle Studierendensurvey im Auftrag der Bundesregierung.

Höchste Zeit für die Notbremse, sagt daher der Hochschulverband und fordert, dass dort, wo Bachelor-Studiengänge noch nicht eingeführt sind, nun so lange gewartet wird, "bis der Nachweis erbracht ist, dass die neuen Studiengänge den alten überlegen sind."

Quatsch - sagen die strammen Fürsprecher der Reformen. Das sind die Kultusminister, die Hochschulrektoren und das Bertelsmann-nahe Centrum für Hochschulentwicklung. Deren Protagonisten geben zwar in der Regel keine Lehrveranstaltungen, sind aber die einflussreichsten Macher im Uni-Sektor. Für "Schlechtrednerei", "gestrig" und eine "Rolle rückwärts" halten sie daher den Vorstoß der Professorenlobby - und weisen die Vorschläge klar zurück.

Doch selbst den Protagonisten wird mittlerweile klar, "dass in der Bologna-Gestaltung noch eine Reihe von Problemen stecken", wie Erich Thies, Generalsekretär der Kultusministerkonferenz der taz sagt. Und auch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat das "Imageproblem" erkannt, wie es HRK-Präsident Margret Wintermantel gegenüber der taz nennt.

So gibt es niemanden, der ernstlich daran zweifelt, dass schnellstens "nachjustiert" und "feingesteuert" werden muss - sonst kommt der Schock-Stopp von allein.

Doch noch wird munter gebaut, ehe die Grundrisse klar sind: Was soll er eigentlich bieten, der neue Bachelor-Abschluss? Hört sich banal an. Doch auf den Strategiekonferenzen der Uni-Republik ist nicht mal diese Frage einstimmig geklärt. Soll er auf akademische Bonus-Runden verzichten und möglichst schnell für den Arbeitsmarkt trimmen? Oder zu bürgerschaftlicher Verantwortung befähigen - und angesichts verkürzter Schulbildung auch eine grundbildende Verantwortung wahrnehmen? Das sind die Zutaten für eine akademische Betonmischung, deren Rezeptliste von den Schlecht- und Schönrednern der Bildungsrepublik jetzt wieder heiß umkämpft ist. Gemeinsam geben sie ein echtes Bild ab: Es herrscht Chaos an den Unis. Manche finden das ja kreativ.

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24 Kommentare

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  • P
    Psycho-Studi

    Selbst nach knapp drei Jahren nach Publikation des Artikels hat sich die Lage zumindest bei uns am Institut nicht gebessert (Rheinland-Pfalz).

     

    Nach der x-ten Änderung der Studienordnung und diverser Nichtanerkennung bereits erbrachter Leistungen, erhöhte sich die Abbrecherquote auf ca. 20 %, was für das Fach Psychologie extrem viel ist.

     

    Die Hetzerei zwischen den Veranstaltungen war im ersten Semester besonders eklatant; es blieb nicht einmal Zeit zum Essen.

    Mein Körper honorierte das mit einem Hypertonus und einem seltsamen Pfeifen im Ohr.

    Besonders schade finde ich, dass man immer nur für den Moment der Prüfung lernt, danach behält man nur noch ganz wichtige Schlagwörter. Falls ich tatsächlich nächstes Jahr meinen Abschluss machen sollte, so werde ich keinesfalls fit für den Arbeitsmarkt sein. Bis dato hat man auch noch kein Konzept für den Master erarbeitet und ich befürchte ohnehin keinen Platz dort zu bekommen. Bleibt entweder nur etwas nicht-konsekutives, Ausland oder Fernstudium.

    Naja, vielleicht kann ich danach auch auf die Betablocker verzichten...

  • I
    ich

    Eindeutig Ranking.

     

    Ich studiere Geowissenschaften auf Diplom (befinde mich in den Endzuegen) und sehe was meine juengeren Kommilitonen und Freunde durchmachen. Sei es einfach nur der voellig verpeilte Studenplan, Abstimmungsschwierigkeiten mit anderen Fakultaeten, weil diese Themen im Block uebers halbe Semester anbieten und einfach schlichtweg die Zeit fehlt den gelernten Stoff zu verdauen (was ich speziell in meinem Studienfach fuer sehr wichtig halt, dass gelerntes Zeit braucht)

     

    Habe selber im Nebenfach Zoologie I gehoert, was fuer den Bachelor der Biologen von 12 Wochen auf 6 Wochen geblockt wurde. Das war mehr eine Tortur, selbst die Dozenten meinten, nie waren die Ergebnisse in Praktika und Klausur schlechter als in diesem Semester. Es wird in dieser Form nicht mehr Angeboten.

     

    Mein Anliegen ist, dass sich Leute, die vor 30 oder mehr Jahren studiert haben und nichts mit der Lehre zu tun haben, sich bitte auch aus Entscheidungen raushalten!

  • M
    _me_

    Was ich bei der BAMA-Einführung erlebe ist, dass es nur noch auf Zahlen ankommt.

    Es geht garnicht mehr darum, dass die Studierenden lernen sollen, sich für ein Fach zu begeistern, sondern, dass sie nicht mehr als sechs Semester benötigen - sonst gibt es weniger Geld für die Hochschule.

    Nicht die Lehre wird befördert, sondern "Exellenzen". Diese wiederrum binden Kapazitäten der Dozenten, welche in der Lehre fehlen. Auch gute Lehre wird meines Erachtens zu wenig gewürdigt - gewürdigt wird aber, welcher Dozent die meinsten Drittmittelgelder einwirbt.....

    Auch bekommen die Studierenden garkeine Möglichkeit sich zu orientieren, um zu sehen, welches Fach ihnen liegt. Selbst wenn Studierende dann gut beraten werden, z.B. ihr Fach zu wechseln, werden die Institute dafür bestraft, da die AbbrecherInnenquote steigt......

    Auch wenn ich wenig von Elitenbildung halte, so sollte Europa sich mal an erfolgreichen Unis ansehen, was die so anders machen - warum gibt es bspw. in Jale oder Harvard Orientierungsphasen!?

    Was wäre an einem Studium Generale im ersten/zweiten Semester schlecht? Weil es ein Jahr länger dauert und somit die Abschlüsse länger dauern?! Das ist.....

     

    Geht es um Bildung oder um Ranking?!

  • VZ
    Vera Zadow

    Ich musste mein Geisteswissenschaftsstudium auf Magister nach 7 Semestern abbrechen, weil ich den Spagat zwischen Uni und 3 Nebenjobs nicht mehr geschafft habe. Für Bafög war ich inzwischen zu alt, meine Familie kann mich nicht unterstützen und ein Studienkredit war mir zu riskant. Trotzdem wollte die Miete überwiesen, der Kopierer gefüttert und die Wochenration Nudeln bezahlt werden. Also habe ich mich entschieden wieder in die Heimat zu ziehen um an der dortigen Uni weiter zu studieren. Leider blieb mir das versagt, weil die Uni keine Magister mehr haben wollte und sich überdies auch inzwischen ihre Studenten selber aussuchen kann. Ich bekam den freundlichen Hinweis, mich doch im selben Fach als Bachelor einzuschreiben. Darauf habe ich dankend verzichtet. Denn mein Wissen aus 7 Semestern übersteigt selbst das eines späteren Masters. Inzwischen habe ich mit 27 nochmal eine Ausbildung begonnen und studiere soweit es mir möglich ist für mich allein in meinem stillen Kämmerchen. Danke Bachelor, Danke Studiengebühren.

  • M
    mueller

    Von (und an) Simon:

     

    "Die Hochschulreform ignoriert ein sehr wesentliches Problem: Die Zigtausenden von Geisteswissenschaftlern werden einfach nicht gebraucht, völlig egal, wie ihre Abschlüsse heißen."

     

    Vielleicht braucht man sie, um die Geistlosigkeit der Gesellschaft eines solchen "reformierten" Bildungssystems mit Geist zu füllen? (Ich finde dein Kommentar ist gleichzeitig die Antwort auf meine Frage... denke mal darüber nach, oder brauchst du dafür etwas einen Geisteswissenschaftler?)

    p.s. Bist du Loriots Muse?

  • O
    onkelklaus

    An einigen Hochschulen wird der Studiengang "Informatik" gestrichen, gleichzeitig wird der Studiengang "Wirtschaftsinformatik" ausgebaut.

  • S
    Sachbearbeiterin

    Der Artikel der Bachelor-Bluff ist sehr gut und zutreffend, die Studenten im Hamsterrad und die Sachbearbeiter sind auch im Hamsterrad in den Studierendenbüros und das mit immer weniger Personal. Chaos ist das richtige Wort. Armes Deutschland, wo die Politik den Anschluss an eine gute Bildungspolitik verloren hat.

  • LM
    Lukas Mauch

    Das Grundproblem ist, dass man nicht über "den Bachelor" oder "den Master" diskutieren kann, da alle Programme unterschiedlich sind, was auch bedeutet, dass die Bachelor in Berlin gut organisiert sein können und in Bremen katastrophal, usw. . Man kann aber ohne Zweifel feststellen, dass bestimmte Eigenschaften der BA/MA-Programme definitiv negativ zu bewerten sind: keine Flexibilität bei Abgabeterminen (nur in absoluten Ausnahmefällen) und der undirekte Zwang für die Studenten in 3 Jahren ihr Studium zu beenden. Ob das hilft, dass man etwas lernt und nicht nur auswendig lernt, sei mal dahin gestellt.

  • S
    Stefan

    Ich denke, man sollte erstmal abwarten, wie sich die Studiengänge entwickeln. In vielen Fachbereichen gibt es den Bachelor noch nicht lange. Während der Umstellung kann es schonmal zu Fehlern kommen, das habe ich selbst gemerkt.

    Ich studiere im bald 5. Semester Chemie an der RWTH Aachen. Mein Semester war das erste, dass kein Diplom mehr machen würde. Viele Vorlesungen und Praktika wurden neu zusammengewürfelt und oft kam es zu Abstimmungsproblemen. Auch haben wir mehr Semesterwochenstunden, als der alte Studiengang.

    Dennoch bin ich nicht dafür, wieder zum Diplom zurückzukehren. Man sollte versuchen, die Fehler zu finden und zu beheben und nicht wieder alles rückgängig machen. Internationale Vergleichbarkeit ist schon keine schlechte Sache. Auch wurde im Artikel nicht bedacht, dass praktisch alle (zumindest in der Chemie) auch den Master machen, welcher in der Wirtschaft nicht schlechter angesehen ist, als das Diplom, und die Regelstudienzeit bis dahin ist dieselbe. Der Bachelor ist nichts anderes, als ein etwas besseres Vordiplom, doch man hat immerhin einen Abschluss in der Tasche und kann sich evt. neu orientieren.

    An der Finanzierung hat sich nichts geändert. Wenn man nebenher arbeiten muss, tut man das oder wird gezwungen, es ganz zu lassen. Die Studiengebühren sind daher das größere Übel, auch wenn man günstige Kredite bekommt. Ich denke viele haben durchaus Probleme damit, mit einem Berg von Schulden nach dem Studium dazustehen.

  • A
    Andre

    Ich fürchte, dass die neuen Studienordnungen häufig nichts an den Verhältnissen an den Universitäten geändert haben. Wer von zuhause keine Unterstützung erhält, der zahlt jetzt vielfach Studiengebühren und muss mehr Zeit aufwenden, um zum Bachelor zu kommen. Mit dem BA hat er dann aber keinen Abschluss auf den viele Unternehmen und Insitutionen scharf sind. Häufig muss der Master hinterher kommen und das bedeutet, nochmals Studiengebühren, arbeiten, zeitgedrängt lernen und dann ab zu den Prüfungen.

    Ob die Professoren und Dozenten aber ihre Arbeit auf die Bedürfnisse der Studenten und ihrer Prüfungsordnung ausrichten, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Ich hätte mehr Proteste erwartet, anscheinend arrangieren sich viele Studenten mit der neuen Norm ...

  • H
    Helga

    Nun sollten doch endlich auch die Schnellschußprofessoren merken, daß die uneingeschränkte Anpassung an Amerika (Bachelor war so eine Instrument)meisteens unserem Lande nicht dienlich ist.

    Gott sei Dank wird diese devote Anpassung nun durchschaut.

  • GK
    Gerd Klöck

    Seit fünf Jahren bilden wir an der Hochschule Bremen BiologInen in einem Bachelorstudiengang (ISTAB) aus. BiologInen, die doch nach landläufiger Meinung sogar mit Promotion meist arbeistlos oder PharmareferentIn werden, und dann auch noch ein Bachelor an einer Fachhochschule? Kollegen von großen Unis haben mir damals prophezeit, da könne gar nicht gut gehen.

    Es geht gut! Wir haben das Studienprogramm entrümpelt und überlegt, was unserer AbsolventInnen können müssen, um in einem Beruf außerhalb der Hochschule bestehen zu können. Also wurde unter anderem ein verpflichtendes Auslandsjahr (Studium und Praxissemester) eingeführt und konsequent Praxisbezug in alle Veranstaltungen eingebaut. Die Vorbereitung auf die Promotion überlassen wir den Masterprogrammen.

    Der Erfolg: Unserer AbsolventInen finden überwiegend innerhalb eines halben Jahres nach dem Studium einen angemessenen Job, z.B. im Labor bei Firmen, im Consultingbereich, im technischen vertrieb, bei Behörden, und in Forschungseinrichtungen.

    Noch ein Wort zur Abbrecherquote. Statistisch gesehen, brechen gerade unserer besten Studierenden das Studium in Bremen ab. Diese jungen Leute setzten dabei aber nur Bologna konsequent um und nutzen das Auslandsjahr, um an der Gastuniversität im Ausland den Bachelorabschluss zu erweben.

  • A
    Anna

    Ich bin während meines Studiums für längere Zeit krank gewesen. Da ich sehe, wie ausgelastet meine Bachelor-Komilitonen sind, bin ich froh noch letzten Magister-Jahrgang zu sein. Die Wiederaufnahme des Studiums und das Aufholen des Stoffes hätte ich sonst nicht geschafft und ich wäre einer der vielen Studienabbrecher geworden. Und dann?

     

    Glückwusch an alle, bei denen es rund läuft, es ist leider nicht die Mehrheit!

    Wer in letzter Zeit versucht hat, einen Termin bei der Psycho-Sozialen Beratung zu bekommen, weiß daß die Wartezeiten immer länger werden und die Berater am besten nie Urlaub haben und nie krank sind.

     

    Es besteht massiver Handlungsbedarf, und die, die Hochschulen nur aus der Theorie oder von damals kennen halten sich am besten raus!

  • T
    ttttt

    Die protestierenden Studenten haben immer genau davor gewarnt. Aber auch die taz stellte sie lieber als vereinzelte "Ewiggestrige" dar, warf Christian-Füller-Kommentare ins Feld, fand die neoliberalen Bertelsmannreformen spannender.

     

    Tja: Bachelorchaos, Schmalspurstudium, immer weniger Studienanfänger wegen Studiengebühren, immer weniger Auslandsaustausch und Engagement wegen dem künstlich erzeugten Druck der Auslese, ein verschultes paternalistisches Studium, das angepasste halbgebildete Jasager produziert - jetzt haben die Reformfans eben ihren Salat. Ausbaden müssen es - leider - nur wieder die Studenten - die wie gesagt, genau davor ja warnten. Die hochgelobten "mutigen" Reformer - Jörg Dräger in Hamburg etwa - haben sich derweil lieber auf großzügig entlohnte Bertelsmann-Posten verkrümelt: Realsatire, filmreif.

  • MH
    Moritz Hinsch

    Der Artikel scheint mir doch eher die Inkompetenz und das Chaos an deutschen Unis zu illustrieren, als den Fehler dieses Chaos reformieren zu wollen.

  • N
    nadine

    vielleicht sollten sich die hochschulen mal bei der fleissigen fernuni hagen inspirieren lassen; ich bin mama und teilzeit-angestellte, habe mit 30 dort ein teilzeit-studium aufgenommen und bin hochzufrieden (inwieweit mein kulturwissenschftsstudium kompatibel mit ähnlichen studiengängen in anderen unis ist, weiss ich leider nicht und kann mich zu diesem kritikpunkt auch nicht äussern); der studiengang ist sehr umfassend, breit angelegt aber ganz sicher vom stoffumfang bearbeitbar. schwerpunkte hat man sich ja auch in diplomstudiengängen gelegt. die kurse erfahren regelmässige bearbeitung und neuauflagen, und auch die angebotenen studiengänge sind zu diesem semester erweitert worden: das ganze funktioniert dann auch noch ohne studiengebühren, die kurse müssen natürlich bezahlt werden (in readerform-eigenheit des fernstudiums, man lernt schliesslich allein am schreibtisch) - vielleicht wurde in 9 JAHREN (!!) umsetzungsphase zu viel zeit vertrödelt sich gegen bachelor&co zu stemmen anstatt die möglichkeit zu nutzen, wirklich was neues aufzubauen: jetzt ist das geheule natürlich gross. und die studenten sind mal wieder die deppen. es ist doch wirklich gut, in nur drei jahren einen studienabschluss erreichen und in den arbeitsmarkt einsteigen zu können-heutzutage muss man sich doch sowieso während des arbeitslebens weiterbilden, das studium kann also in form eines oder mehrerer mastersstudiengänge fortsetzen. aber in deutschland diskutieren und bremsen wir lieber erst mal alles zu tode, und wenn die sache stehen soll, gehen wir wieder einen schritt zurück. anstelle veränderungsmöglichkeiten zu nutzen und was draus zu machen! weiterentwickeln, nach vorwärts kucken wird gepredigt - aber da, wo es beginnen soll treten wir lieber auf der stelle! zu schade.

  • AW
    Andrea Wienhaus

    Mit den B.A.-/M.A.-Studiengängen sind die Studierenden - vor allem in den völlig verstopften Geisteswissenschaften - doch nur vom Regen in die Traufe gekommen. Es ist ja keineswegs so, als sei das Studium vorher klar strukturiert gewesen, wären genug Lehrveranstaltungen angeboten worden und hätte es eine ihrem Namen gerecht werdende Studienberatung gegeben. Die hohen Abbrecherquoten dürften somit auch eher auf die Studiengebühren zurückzuführen sein: auch heute käme es im Grunde nicht auf ein Jahr mehr oder weniger an (man könnte zeitliche Wartezeiten, die durch das Warten auf eine verpasste nur einjährig angebotene Veranstaltung entstehen, ja auch mit Praktika etc. auffüllen), wenn dann nicht ganz schnell aus eh schon mehr als 3000 Euro 4000 Euro würden.

  • PD
    Peter Danzeisen

    Bei der Studienreform wurden die Hausaufgaben nicht gemacht, zu oft alter Wein in neue Schläuche geschüttet. Eine wirkliche Reform hat nicht stattgefunden. Es wäre eine wesentlich größere Anstrengung nötig gewesen. Zu viele Kompromisse zugunsten einzelner Interessengruppen wurden toleriert. Aber jetzt wieder zurück, wäre unsinnig. Die Hochschulreformer muss sich vielen Fragen stellen. Und. Die Ausbildungsstruktur vor dem Studienbeginn muss ebenso angepasst werden. Die Reform hat noch gar nicht wirklich angefangen.

  • HK
    Hans Kuminall

    Dieses undifferenzierte Geplapper der taz-Bildungsredaktion nervt!

    In den Bundesländern und Fächern, in denen BA- und MA-Studiengänge früh eingeführt wurden, herrscht nach zugegebenermaßen harten Lernphasen à la "Trial and Error" schon längst kein Chaos mehr! Dies ist beispielsweise in den Geistes- und Sozialwissenschaften in NRW der Fall.

    Es ist aber eine ganz andere Sache, wenn jetzt die Nachzügler (= Süddeutschland, Natur- und Ingenieurswissenschaften) noch einmal mit dem Kopf gegen die Wand rennen müssen...

     

    Die Feststellung, dass mit den BA-Studiengängen die Probleme bei Teilzeitstudium und Mobilität der Studierenden nicht gelöst, sondern teilweise verschärft wurden, ist zwar richtig, trifft aber nur indirekt die Studiengänge. Was ist mit dem Bafög und den anderen Hilfen für Studierende, die nicht an die neuen Lebens- und Studiensituationen angepasst wurden, was ist mit den Druck auf Jugendliche möglichst arbeitsmarktkonform zu studieren? Ganz offensichtlich haben sich diejenigen, die die Reformen ausgeführt haben, für den "Neusprech" der Reformer, die von der Mobilität und Vergleichbarkeit geschwärmt haben, kein bisschen interessiert. Langsam sollte den BildungspolitikerInnen aber aufgehen, wie sehr die zwei Fragen des Teilzeitstudium und der Mobilität miteinander verknüpft sind:

    Es geht nicht darum nur gerade Bildungslaufbahnen zu fördern, sondern genau darum Chancen für QuereinsteigerInnen und QuerdenkerInnen zu schaffen!

  • RK
    Rafael Krajewski

    Ungerecht ist, wie ich finde, alle Bachelor Absolventen über einen Kamm zu scheren. In dem Artikel wird ein ganzes Studienmodell abgewertet, mittlerweile kann man befürchten, dass sich Einstellungskonditionen für Bachelor erheblich verschlechtern werden. Von vielen Diplomabsolventen bekomme ich oft zu hören "Bin ich froh, dass ich kein Bachelor bin".

     

    Zusammen mit Kommilitonen des Bachelorstudiengangs aus meiner Lerngruppe haben wir in den Wahlpflichtfächern, die gemeinsam mit Studierenden des Diplomstudienganges durchgeführt wurden, die besten Ergebnisse erzielt.

     

    Daher kann ich die Motivation zu dieser Art Abwertung nicht nachvollziehen...

     

    Mag sein, dass die Bachelorausbildung als Neuling seine Makel hat. Das Ziel sollte jedoch sein diese zu korrigieren.

     

    Meiner Meinung nach sollten die Hochschulen die maximale Studiendauer des Bachelorstudienganges von 8 Semestern anstreben. Inklusive 1 Praxissemester. Das für 10 Wochen ausgelegte sogenannte Industrieprojekt ist viel zu kurz und daher auch auslandsaufenthaltsunfreundlich. Außerdem sollten die Studierenden während der Praxisphase von Studiengebühren befreit werden, was leider z.B. an der FH-Dortmund nicht der Fall ist.

     

    Viele Universitäten verzögern die Umstellung auf den Bachelor und machen aus der ganzen Sache ein Politikum.

     

    An vielen Hochschulen, so z.B. an der FH-Dortmund wurde der Bachelor sehr früh eingeführt, aus ersten Erfahrungen konnten bereits Verbesserungen vorgenommen werden. Der aktuelle Studiengang wie z.B. Maschinenbau besitzt bereits eine zufriedenstellende Basis.

     

    gez. B.Eng.

  • S
    Simon

    Die Hochschulreform ignoriert ein sehr wesentliches Problem: Die Zigtausenden von Geisteswissenschaftlern werden einfach nicht gebraucht, völlig egal, wie ihre Abschlüsse heißen.

  • RM
    Robert Meyer

    Bachelor und Master schaffen vorallem eines: Einen Haufen buchstäblich verheizter junger Menschen, welche zwischen Lebenserhaltungstrieb und Uni hin und her hetzen müssen.

  • EB
    Erich Behrendt

    Die Professoren gestalten die Studiengänge (BA/MA)und müssen sie nicht mehr von den Landesministerien genehmigen lassen. Und darin sind die Hochschulen bzw. die Professoren oft überfordert. Schön war doch die alte Zeit, man konnte sich der Forschung widmen, nebenbei im Semester ein paar Lehrveranstaltungen, ein wenig Selbstverwaltung und das war es. Jetzt muss in ein Studium so etwas wie Berufsfeldorientierung und Schlüsselqualifikation. Das da ein konservativer Verband aufmuckt, wundert nicht. Das in der TAZ einseitig die Nachteile angemerkt werden, schon eher.

  • LP
    Ludwig Paul Häußner

    Neo-Utilitarismus und staatliche Planwirtschaft.

     

    Die akuten Probleme werden in diesem Artikel genannt:

     

    "An kaum einer Uni ist daher derzeit ein vierjähriger Bachelor-Studiengang zu finden. Weil viele stolze Fakultäten aber nicht von ihrer Gestaltungsmacht lassen wollen, sind die Bachelor-Curricula zugleich chronisch überladen."

     

    "Quatsch - sagen die strammen Fürsprecher der Reformen. Das sind die Kultusminister, die Hochschulrektoren und das Bertelsmann-nahe Centrum für Hochschulentwicklung. Deren Protagonisten geben zwar in der Regel keine Lehrveranstaltungen, sind aber die einflussreichsten Macher im Uni-Sektor. Für 'Schlechtrednerei', 'gestrig' und eine 'Rolle rückwärts' halten sie daher den Vorstoß der Professorenlobby - und weisen die Vorschläge klar zurück."

     

    Die deutschen Hochschulen hätten ohne Weiteres vierjährige Bachelor-Studiengänge einführen können. Genau genommen hatten wir das Jahrzehnte lang bei den Fachhochschulen: 6 Theoriesemester und 2 Praxissemester.

     

    Man hätte die Bachelorstudiengänge an den Unis ebenso gestalten können.

     

    Die Masterstudiengänge hätten man exklusiv den Universitäten vorbehalten müssen.

     

    Nur das hätte alles mehr Fiananzmittel und Personal gebraucht. Mit den sechsstrigen Bachelorstudiengängen soll lediglich die chronische Unterfinanzierung des Hochschulsektors übertüncht werden.

     

    Der Wurzel des Problems liegt aber tiefer - im Neoutlitarismus. Die Unis sollen für die Wirtschaft ausbilden. Doch die Wirtschaft ist nicht bereit hierfür genügend hohe Mittel aus Steuern oder freien Spenden zur Verfügung stellen.

     

    Die "Hintertanen" dieser neo-utilitaristischen Hochschulausrichtung sitzen zuhauf in der Bertelsmann-Stiftung.

     

    Die Lösung wäre ein wirklich freies Geistes- und Hochschulwesen. Schon Wilhelm von Humboldt hatte in seiner Jugendschrift "Ideen zu einem Versuch die Grenzen des Staates zu bestimmen" geschrieben, dass öffentliche Erziehung ganz außerhalb der Wirtksamkeit des Staates zu sein habe.

     

    Daraus ergibt sich die Forderung nach autonomen Hochschulen, die durchaus Körperschaften öffentlichen Rechts sein sollten und nach staatlich finanzierten Studiengutscheinen pro StudentIn sowie einem bedingungslosen Grundeinkommen für Studierende, damit sich diese wirklich konzentriert ihren Studien widmen können.

     

    Nur ein nicht staatlich bewirtschaftetes Schul- und Hochschulwesen ist innovativ und fördert die Kreativitäts- und Leistungspotenziale der jungen Menschen wie auch der Lehrenden und Forschenden. Schließlich kommt alle gesellschaftliche Erneuerung aus dem Geistes- und Kulturleben.

     

    Ludwig Paul Häußner

    Arbeitsbereich Educational Entrepreneurship

    Interfaktultatives Institut für Entrepreneurship

    Universität Karlsruhe (TH)