Krach um Tempelhof: Parlament soll Tempelhof-Vertrag prüfen
Der Unmut über die Entscheidung von Klaus Wowereit, die Modemesse "Bread & Butter" nach Tempelhof zu holen, wächst. Experten zweifeln Rechtmäßigkeit des Verfahrens an, Politiker wollen es vom Parlament prüfen lassen.
Ungeachtet allgemeinen Kopfschüttelns hält der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an seiner Entscheidung fest, die Modemesse "Bread & Butter" nach Tempelhof zu holen. "Da gibt es nichts zu überdenken, der Vertrag ist unterschrieben", sagte er am Montag. Wowereit rechtfertigte sich damit, dass "Bread & Butter" mehr Miete zahle, als jeder andere derzeitige Interessent aufbringen würde. Eine konkrete Summe wollte er nicht nennen.
Parteiübergreifend laufen Politiker derweil Sturm gegen die in der vergangenen Woche bekannt gewordene Entscheidung, nach der die Messe je zwei Monate im Jahr Hangars, Haupthalle und Rollfeld des einstigen Flughafens nutzen soll. Der Vertrag läuft über zehn Jahre. Die Kritik entzündet sich vor allem am Alleingang Wowereits, der den unlängst vorgestellten Ideenwettbewerb hinfällig erscheinen lässt. Prominente Interessenten an dem Ex-Flughafen wie die Filmstudios Babelsberg fühlen sich zudem düpiert; sie scheiden als Nutzer nun aus.
Auch die Rechtsanwältin Birgit Ortlieb äußerte Bedenken zum Verfahren. "Wenn die Bewirtschaftung von öffentlicher in private Hand übergeht, ist es richtig, über Vergaberecht nachzudenken", sagte die Anwältin der Kanzlei Bethge Reimann Stari der taz. "Mindestens könnte es sich um eine sogenannte Dienstleistungskonzession handeln, die nach den Grundsätzen des Europäischen Vertrages zu vergeben wäre." In einem solchen Fall müsse ein geordnetes Verfahren ablaufen.
Die Fraktionschefin der Grünen, Franziska Eichstädt-Bohlig, kündigte an, zunächst eine Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses zu beantragen. Möglichst noch in der nächsten Woche wolle ihre Fraktion Antworten zu Miet- und Investitionskosten erhalten - und zu rechtlichen Fragen. "Wenn Vergaberichtlinien verletzt wurden, dann werden wir einen Heidenputz machen, das ist sicher", sagte Eichstädt-Bohlig der taz. Vertreter anderer Parteien äußerten sich ähnlich.
Denn potenziellen Mietern wie dem Alliiertenmuseum und eben den Filmstudios ist eine dauerhafte Nutzung der Hangars nun verwehrt. Wenig verständnisvoll zeigte sich auch das Technikmuseum, das sieben Flugzeuge in den Hangars geparkt hat. Der Mietvertrag dafür ist gekündigt worden. Wo die Flugzeuge - ein Rosinenbomber ist dabei - hinsollen, ist offen. "Ich halte es für verfrüht, von einer Entwarnung zu sprechen", sagte der Leiter der Luft- und Raumfahrtabteilung, Holger Steinle, über die Gespräche zwischen dem Tempelhof-Vermieter Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) und dem Museum. Er wollte nicht ausschließen, dass die Flugzeuge mittelfristig verschrottet werden müssten. BIM-Sprecherin Katja Potzies versicherte hingegen, es werde ein Alternativstandort auf dem Gelände gefunden.
Schon die Kündigung im Dezember habe ihn völlig überrascht, sagte Steinle. Dass die "Bread & Butter" komme, habe er damals nicht gewusst. Enttäuschend sei vor allem, dass Museumsmitarbeiter viel Mühe in die Teilnahme am Ideenwettbewerb gesteckt hätten. Das sei nun hinfällig, sagte Steinle.
Mit dem Wettbewerb wollte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Ideen für kurz- und längerfristige Nutzungsmöglichkeiten des im Herbst geschlossenen Flughafens erhalten. Es gebe durchaus Anfragen von Firmen, die wie die Messe nur begrenzte Zeit nach Tempelhof wollten, sagte Potzies. Sie verwies auf Veranstaltungen wie das geplante Festival Pyro Musikale. Überhaupt gebe es im Gebäude auch während der Modemesse genug freie Lagerräume, versuchte die BIM-Sprecherin zu beschwichtigen. Enttäuschten Interessenten könnte so eine Aussage wie blanker Hohn vorkommen.
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