: Krach um Steuermodell
■ SPD will Waigel-Berechnungen zum Existenzminimum im Bundesrat kippen
Bonn (AP/AFP) - Die SPD will die Pläne der Bundesregierung zur Steuerbefreiung des Existenzminimums mit ihrer Mehrheit im Bundesrat ablehnen. Der Finanzminister Theo Waigel habe das Existenzminimum so niedrig angesetzt, daß es dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach Steuerfreiheit für Niedrigstverdiener nicht gerecht werde, sagte gestern SPD-Chef Scharping. Laut Waigel beträgt das Existenzminimum für Ledige 12.000 und für Verheirate 24.000 Mark im Jahr.
Auch die Gewerkschaften kritisierten gestern das Waigel-Modell als sozial ungerecht und nicht verfassungskonform. Waigel mißbrauche die Freistellung des Existenzminimums für eine allgemeine steuerliche Entlastung „bis hin zu Spitzenverdienern“, so der DGB. Die DAG kündigte bei einer Umsetzung des Regierungsentwurfs weitere Verfassungsklagen an; ebenfalls die deutsche Steuergewerkschaft.
Der SPD-Steuerexperte Peter Bareis, der Waigel ein Gutachten zum Existenzminimum vorgelegt hatte, warf dem Minister eine „Aushöhlung des linear-progressiven Steuertarifs“ vor. Das Regierungsmodell führe im Bereich bis zu 30.000 Mark Einkommen zu größeren Belastungen, aber ab 36.000 Mark Einkommen zu einer geringeren Steuer. Außerdem habe Waigel verpaßt, die Probleme Rentenbesteuerung, Familienlastenausgleich oder die Steuervereinfachung zu lösen. Der finanzpolitische Sprecher der SPD- Fraktion, Joachim Proß, kündigte eine Anhörung von Verfassungsrechtlern an. Sie werde beweisen, daß Waigels Vorschläge nicht Gesetz werden können.
Einverstanden hingegen mit Theo Waigels Berechnungen und Modell ist dafür die FDP. Es erhalte den linear-progressiven Steuertarif, sagte der Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms. Zugleich werde damit der Nachteil des alternativen SPD-Modells vermieden, durch das Einkommensbezieher ab 50.000 Mark spürbar zusätzlich belastet werden sollten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen