Kostümdrama „Der Wagner-Clan“ im ZDF: Das Richard-Wagnis
„Der Wagner-Clan“ fesselt erst in der zweiten Hälfte, wenn der Wahnsinn die Kontrolle über die Hinterbliebenen des Meisters übernimmt.
Im Nachhinein macht alles Sinn. Also nicht immer. Und auch nicht alles. Aber manchmal manches. Und dann sagen Menschen halt Sätze wie: Im Nachhinein macht alles Sinn.
So ist es auch beim „Wagner-Clan“. Wer erst einmal 30 oder besser 45 Minuten überstanden hat, der wird am Ende des Films genau diesen Satz vom Nachhinein und vom Sinn sagen. Wenn man bis dahin nicht längst weggenickt ist.
Denn aller Anfang ist schwer. Noch so ein Satz. Bei diesem Film besonders. Der Anfang des ZDF-Films ist der Tod des großen Meisters Richard Wagner. „Das war eine gespinnerte Idee“, sagt Produzent Oliver Berben zum Einfall, den Übervater erst einmal dahinsiechen zu lassen. Also muss Ehefrau Cosima die Geschäfte in Bayreuth übernehmen.
Die Witwe wird gespielt von Iris Berben. Die Idee, diese – höflich formuliert – sehr willensstarke Frau mit seiner populären Mutter zu besetzen, war mit Sicherheit eine weniger gespinnerte Idee von Sohn Oliver, sondern kühl kalkuliert. Auch wenn Iris Berben nach all den harten, wenig empathischen Frauenrollen („Die Patriarchin“, „Krupp – eine deutsche Familie“, „Buddenbrooks“) von ihrem Sohn auch gern mal eine „kraftvolle, sympathische Rolle“ bekommen würde, wie sie sagt. Aber das nächste gemeinsame Projekt kommt bestimmt.
„Der Wagner-Clan“:So., 20.15 Uhr, ZDF.
Hart bleiben bis zum Schluss
In diesem Film muss sie hart bleiben. Bis zum Schluss. Nach Richards (Justus von Dohnányi) Tod in Venedig packt sie ihre Familie ein und zieht zurück auf den Hügel nach Bayreuth: Cosima, Siegfried (Lars Eidinger), Isolde (Petra Schmidt-Schaller) und Eva (Eva Löbau) sind nun wieder daheim auf diesen übertrieben grünen Wiesen. Überhaupt geizt der vier Millionen Euro (und damit gut zweieinhalb „Tatort“-Episoden) teure Film nicht mit kitschigen Spezialeffekten, unrealistischen Sonnenaufgängen und anderen unglaubwürdigen Lichtspielen.
Und genau das ist das Dilemma des „Wagner-Clans“: Die erste Hälfte dieses 110-Minuten-Kostümdramas ist so oberflächlich und distanziert inszeniert, dass man zwar schon bald davon ausgehen muss, dass Regisseurin Christiane Balthasar dieses Stilmittel bewusst gewählt hat, doch zieht sich diese Phase quälend lange hin. Alles an diesem Film ist zu grün, zu rot, zu schwarz, zu weiß, zu künstlich.
Das Teletubbieland liegt auf dem Grünen Hügel in Bayreuth. Und so berührt einen für lange Zeit nichts – weder die Härte von Witwe Cosima gegenüber ihren Kindern („Euer Leben gehört Richard Wagner“) noch der Antisemitismus noch die Homosexualität von Sohn Siegfried.
Erst spät wird es richtig dreckig – dann aber auch porentief: Siegfried hält sich einen jungen Mann im Gartenhaus und läuft in ärmelfreier „Hottentotten“-Weste durch den Wald, Isolde wird aus der Familie ausgestoßen, ist krank und ballert sich mehr und mehr Morphium rein, und Eva sowie ihr Mann Houston Chamberlain (Heino Ferch) widmen sich mit all ihrer Kraft ihren Ränkespielen. Und in der letzten Szene klingelt sogar noch der Führer an der Tür.
Erst dieser ganze Schmutz gibt dem starken Ensemble Raum zur Entfaltung, der Film gewinnt an Fahrt. Endlich erfüllt er den eigenen Werbeclaim: „Auch ihre Intrigen waren perfekt komponiert.“ Endlich wird deutlich, dass dieser Film kein Wagner-Festspiel sein will.
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