Kosten des Kitaausbaus: Teurer Kindersegen
Kommunen in Schleswig-Holstein verklagen das Land. Es soll für neue Krippen aufkommen. Das Gericht vertagte jetzt die Entscheidung.
SCHLESWIG taz | Nach dreistündiger Verhandlung über die Streitfrage, wer die Kostenlast für den Betrieb neuer Krippen trägt, kickte Bernhard Flor, Präsident des schleswig-holsteinischen Verfassungsgerichts, den Ball zurück ins politische Spielfeld: „Was hilft Ihnen ein Urteil?“, fragte er die Vertreter von Land und Kommunen. „Nach der Verkündung werden Sie sich ohnehin zusammensetzen müssen. Denn Summen werden Sie vom Gericht nicht hören.“
Und es geht um Millionensummen angesichts tausender neuer Plätze für Kleinstkinder. Zurzeit tragen die Kreise und kreisfreien Städte rund 42 Prozent der Kosten – zu Unrecht, wie die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände meinen. Nachdem bereits in Nordrhein-Westfalen ein für die Gemeinden positives Urteil ergangen war, reichten Ende vergangenen Jahres die Stadt Lübeck und der Kreis Schleswig-Flensburg Klage vor dem Verfassungsgericht gegen das Land ein.
Die schwarz-gelbe Landesregierung mauere, so der Vorwurf: „Wir sind hier, weil das Land sich so bockbeinig gestellt hat“, sagte der Geschäftsführer des Landkreistages, Jan-Christian Erps. Der Streit dreht sich um die Frage, ob das sogenannte Konnexitätsprinzip gilt: Demnach muss eine untere staatliche Ebene einen Ausgleich erhalten, wenn eine höhere Ebene ihr eine Aufgabe zuweist – „wer die Musik bestellt, bezahlt sie“, so der Prozessvertreter der Kommunen, Joachim Wieland.
Der Anwalt des Landes, Mathias Nebendahl, wies das zurück: Die höhere Nachfrage nach Krippenbetreuung sei „nicht vom Land ausgelöst“. Er beantragte, die Klage abzuweisen, weil der Beschluss für den Krippenausbau schon länger her sei und die Klagefrist demnach längst verjährt.
Wieland konterte mit dem Geist des Konnexitätsprinzips: Dessen Ziel sei, die Kommunen nicht mit Aufgaben zu überlasten, um ihnen Spielräume zu lassen. So klagten die Kreise und Städte nicht gegen das Kita-Ausbaugesetz, „sie wollen nur das Geld“. Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) ergänzte aber: „Wir wollen wissen, ob das Konnexitätsprinzip gelebter Teil der Verfassung ist.“
Parallel zum Prozess vor dem Verfassungsgericht befasst sich auch das Verwaltungsgericht mit dem Fall: Hier geht es um die Frage, ob die Kommunen überhaupt zuständig für die Kitas sind – kein Landesgesetz sagt das klar.
Daher und weil im Land ein Regierungswechsel ansteht und die Koalition aus SPD, Grünen und SSW bereits signalisiert hat, sich einigen zu wollen, wurde die Sitzung vertagt. Bis Anfang 2013 sollen beide Seiten dem Gericht mitteilen, ob sie eine Einigung für möglich halten. Doch schon die erbitterte Debatte über die dafür notwendigen Zahlen zeigte, dass dies kein einfacher Weg wird.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!