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Kosovo darf unabhängig bleibenKalte Dusche für Serbien

Die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von 2008 verstößt nicht gegen das Völkerrecht. Das hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag entschieden.

Neuer Staat, neue Flagge: In Pristina wurde im Februar 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo gefeiert. Bild: dpa

BELGRAD taz | Auf die Frage, ob die "einseitige Ausrufung der Unabhängigkeit des Kosovo am 17. Februar 2008 im Einklang mit dem Völkerrecht ist" oder nicht, antwortete der Internationale Gerichtshof IGH am Donnerstagnachmittag in seinem Gutachten unmissverständlich: Die Ausrufung der Unabhängigkeit "hat das internationale Recht nicht verletzt". Dafür waren 10 Richter, 4 stimmten dagegen.

Zuvor erkläuterte der Präsident des IGH, Hisashi Owada, eineinhalb Stunden lang, warum sich der IGH für zuständig in dieser Causa hält, und danach, warum die noch gültige UN-Resolution 1244 über das Kosovo eine Unabhängigkeitsdeklaration nicht ausschließt. Owada machte auch darauf aufmerksam, dass langjährige Verhandlungen unter internationaler Vermittlung zwischen Belgrad und Prishtina über den Status der ehemaligen südlichen serbischen Provinz zu keinem Ergebnis geführt haben.

Er wies auch darauf hin, dass die vielzitierte UN-Resolution 1244 von Anfang an als eine Übergangslösung gedacht war.

Ein schwacher Trost für Serbien ist, dass der IGH urteilte, dass die "Ausrufung" der Unabhängigkeit an sich nicht das internationale Recht verletze, sich aber zur "Unabhängigkeit" selbst nicht äußerte. In Serbien ist heftige Kritik auf das Vorgehen der Regierung zu erwarten, dass dem IGH die falsche Frage gestellt worden ist.

Das wird nichts an der Tatsache ändern, dass Serbien wahrscheinlich seinen letzten Trumpf im "Kampf für das Kosovo" ausgespielt hat. Nicht so sieht es jedoch Serbiens Außenminister Vuk Jeremic. "Serbien wird den friedlichen und diplomatischen Kampf für das Kosovo fortsetzen", sagte Jeremic in Den Haag, unmittelbar nachdem der IGH sein Gutachten bekannt gab. Er meinte, dass sich der IGH "lediglich im technischen Sinne" über die Unabhängigkeitsdeklaration geäußert habe, und somit die "wesentliche" Frage, ob das Kosovo das Recht hatte zu versuchen sich vom Mutterland abzuspalten, umgangen hätte. Der IGH werde das Gutachten nun der UNO-Generalversammlung zuschicken, sagte Jeremic, und dort werde darüber abgestimmt, ob Serbien mit seiner Kosovo-Politik Recht habe.

Jeremic rief alle Serben auf, Ruhe zu bewahren und auf "keine Provokationen" zu reagieren. Befürchtet wird, dass es in den serbischen Enklaven im Norden des Kosovo zu Krawallen kommen könnte. Die internationale Friednstruppe Kfor hat ihre Präsenz im Kosovo vorbeugend verstärkt.

Im Herbst 2008 stimmte die UNO-Generalversammlung auf die Initiative Serbiens dafür, den IGH mit der Causa Kosovo zu beauftragen. Dagegen waren unter anderem die 22 EU-Staaten, die das Kosovo anrekannt haben, und die USA. Serbien wurde nachdrücklich mitgeteilt, daß man überhaupt nicht erfreut sei über seine aggressive Kosovo-Politik.

Bislang haben 69 von 192 UN-Mitgleidstaaten das Kosovo anerkannt. In Prishtina ist man zuversichtlich, dass dem Gutachten schon bald eine breite Anerkennungswelle folgen wird.

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11 Kommentare

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  • M
    marko

    erstens kosova hat nicht einseitig ihre unabhängigkeit ausgerufen sondern in absprache mit der relevanten internationale konflitsvermitler

    nachdem keiner anderer lösung die für beide seiten akzebtabel wäre,gefunden worden war.also autmatisch entschedet man für die freicheit und nicht für unterdrückung,vertreibung,etz.was uns kosovaren angeht jeder volksgruppe die von einer anderen unterdrükt wird soll seiner unabchängigkeit verlangen.und das ist nicht gerecht das weil die einer oder die andere volks gruppe die unabchängigkeit verwert wirt,deswegen auch kosova unterdrückt werden soll.eins nach dem anderen und jeder zu richttige zeit FREICHEIT FÜR ALLE DIE UNTERDÜCKT WERDEN.

  • KK
    Klaus Konold

    Das Kosovo ist bis heute nicht unabhängig und wird es auch nie wirklich werden. So lange Serbien nicht die Macht besitzt, es sich wieder einzuverleiben, bleibt es unter internationalem "Protektorat" - vermutlich eine Ewigkeit.

  • J
    Johnny

    Das Bild mit der albanischen Flagge finde ich dennoch sehr passend, immerhin war das die Flagge die man bei den Feiern zur Unabhängigkeit überall gesehen hat. Schließlich wurde die Unabhängigkeit ja auch von albanischen Nationalisten, nicht von "kosovarischen" erkämpft. Und nach den ethnischen Säuberungen, Morden und Vertreibungen durch die UCK ist ja auch die Bevölkerung fast vollständig albanisch. Von daher: Die Flagge passt, nur der Name passt nicht richtig, Albanien 2 wäre vielleicht sinnvoller.

  • R
    rose

    Na ,da ist ja endlich der Weg frei,ein rein albanisches Kosovo zu schaffen.Und die rund 100000 noch im Nord-Kosovo

    lebenden Nicht-Albaner,die niemals als Sklaven unter Albaner-Herrschaft vegetieren wollen...die haben natürlich kein Recht auf Selbstbestimmung.Also müssen sie "gehen",so wie rund 300000 andere Bewohner des Kosowo,die seit dem Einmarsch der NATO 1999 von den mit "uns"verbündeten Albanern vertrieben wurden!Und es ist sicher kein Zufall,dass die Politiker von NATO und EU absolut nichts unternehmen,um den Vertriebenen die Rückkehr in Sicherheit und die Rückgabe ihres von den Albanern gestohlenen Eigentums zu ermöglichen!Genausowenig wie bisher niemand in der EU etwas unternommen hat,um den etwa 400000 aus Kroatien vertrieben Serben die Rückkehr zu ermöglichen.

  • AB
    Alex B.

    Also die Bildunterschrift "Neuer Staat, neue Flagge:" ist ja irgendwie Quatsch. Die Flagge, mit der da gewedelt wurde, ist in keinster Weise neu. Das ist die Flagge Albaniens. Und die gibts in ähnlicher Form schon seit Urzeiten. Die offizielle Flagge des Kosovo sieht unverwechselbar anders aus (Zitat: "Die Flagge zeigt sechs weiße Sterne in einem leichten Bogen über den goldenen Umrissen des Kosovos auf blauem Grund.")

     

    Ansonsten: @Hinz und Kunz:

    Sie haben vollkommen recht. Völkerrecht wird immer so ausgelegt, wie es den Mächtigen passt.

  • PM
    Philippe Montrose

    Jede Befürwortung des historischen, kulturellen, spirituellen und zivilisatorischen Anspruchs

    Serbiens auf das Kosovo wird in der westlichen Führungskaste als ein weiterer Grund erachtet,

    weshalb das Kosovo an die Albaner übergeben werden muß, die wiederum, da sie überwiegend

    Muslime (angeblich ”gemäßigten“ Einschlags) sind, als völlig selbstverständliche Verbündete der

    westlichen Elite gelten ... Selbst wenn man die Serben des Kosovo beraubt, wird es der Islam dem Westen nicht danken. Es wird keine Synthese, keine gegenseitige kulturelle Befruchtung zwischen Europa und dem Islam geben. (Srdja Trifkovic)

  • M
    Makeze

    Das Urteil enttäuscht, da es nur auf die Formalität der Unabhängigkeitserklärung an sich zurückgeht, nicht jedoch auf die Unabhängigkeit selber.

     

    Hier wäre ein klares Urteil was alle Unsicherheiten ausräumt nötig. Sonst befürchte ich, dass sich die Großenkel einestages dieser Ungereimtheiten besinnen. Sowas ist in der Vergangenheit gerne mal als Kriegsgrund aufgebauscht und verdreht worden.

  • C
    Christian

    Moin!

    Ein Skandal, aber wer hätte im Umgang mit Serbien etwas anderes erwartet?

    Eine weitere Institution disqualifiziert sich selbst und damit weiter jede Hoffnung auf bzw. jeden Glauben an eine international unabhängige Vermittlungsinstanz, die die Welt angesichts der sich eklatant verschärfenden Spannungslagen so dringend braucht.

    Was nun? Süd Ossetien, Abchasien, Kurdistan, Baskenland, Katalonien, Bayern?!

    Ziemlich sicher auf jeden Fall die bosnischen Serben werden Unabhängigkeit ausrufen....

    Mach mal bitte wer das Licht aus, ich mag so langsam nichts mehr sehen...

    Christian

  • S
    Sebastien

    Mal gucken wie es weiter geht, die Entscheidung ist auf jeden Fall richtungweisend, insbesondere wenn man in Richtung Belgien, Spanien, Norditalien, Tibet, Abchasien/Südossetien und noch viele weitere schielt.

  • EW
    Egon Wülfrath

    Bedenklich, vor allem wenn man sieht, dass fast alle größeren westlichen Staaten ihre traditionellen Minderheiten haben, die sich lieber heute als morgen loseisen würden. Ich denke da nur schon an Kurdistan, Nordirland, Flandern, Baskenland oder Südtirol. Das könnte eine Signalwirkung haben. Aber traurig sollten wir nicht sein. Die Menschen wollen es so. Und es sollte ihr gutes Recht sein im eigenen Staat zu leben. Außerdem ist diese Entwicklung eine logische Konsequenz eines mehr als 100 Jahre lang gepflegten serbischen Nationalismus, der 1914 mit der Ermordung des Österreich-Ungarischen Thronfolgers seinen ersten Höhepunkt hatte und Millionen Europäern das Leben kostete.

  • HU
    Hinz und Kunz

    Nichts gegen das Kosovo und im Prinzip auch nichts gegen dessen Unabhaengigkeit - warum aber darf das Kosovo sich einseitig fuer selbststaendig erklaeren, waehrend Suedossetien und Abchasien dieses Recht verwerht wird? Die vielzitierte territoriale Integritaet Georgiens kann der Grund nicht sein, da die territoriale Integritaet Serbiens ja scheinbar auch nicht zaehlt...bleibt eigentlich nur eine Antwort: Die Unabhaengigkeit des prowestlichen Kosovo passt USA und EU ins Konzept, die Unabhaengigkeit Abchasiens und Suedossetiens (beide prorussisch) scheinbar nicht. Wie gut, dass wir so demokratisch sind und auf gar keinen Fall mit zweierlei Mass messen.