Korruptionsskandal in der US-Marine: Seerouten gegen Lustreisen
Ranghohe Offiziere der US-Marine sollen Gefälligkeiten mit einem Verteidigungsdienstleister in Singapur ausgetauscht haben. Dafür stehen sie jetzt vor Gericht.
WASHINGTON afp | Michael Vannak Khem Misiewicz schien mit seiner Lebensgeschichte den amerikanischen Traum zu verkörpern: Geboren in den Reisfeldern außerhalb von Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh, kam er in den 1970er Jahren als Adoptivkind in die USA. Seine Eltern ließen ihn fort, weil sie ihn vor dem Bürgerkrieg und dem Völkermord der Roten Khmer bewahren wollten.
Als Misiewicz vor drei Jahren für einen Besuch in sein Geburtsland zurückkehrte, trug er die makellos weiße Uniform eines Marineoffiziers. Das Pentagon inszenierte die Heimkehr damals als PR-Ereignis, Journalisten verfolgten gebannt das Wiedersehen mit einer Tante und anderen Verwandten in Kambodscha.
Aktuell sorgt Misiewicz für Schlagzeilen, die dem US-Militär überhaupt nicht gefallen. Der Navy-Kommandant spielt eine der Hauptrollen im größten Korruptionsskandal der vergangenen Jahre in der US-Marine. Mit anderen ranghohen Offizieren soll er dafür gesorgt haben, dass der in Singapur ansässige Verteidigungsdienstleister Glenn Defense Marine Asia (GDMA) der Navy überteuerte oder gar gefälschte Rechnungen für Treibstoff, Lebensmittel und andere Versorgungsgüter unterjubeln konnte. Im Gegenzug soll GDMA die Offiziere zu Lustreisen mit Konzerttickets und Prostituierten eingeladen haben.
Die Anklage wirft Misiewicz und seinen mutmaßlichen Komplizen vor, die geplanten Routen von Flugzeugträgern und Kriegsschiffen in Asien an GDMA-Chef Leonard Francis verraten und bestimmte Häfen mit laxen Kontrollen angesteuert zu haben. Der malaysische Geschäftsmann, der aufgrund seiner Körperfülle und seiner großzügigen Geschenke den Spitznamen „Fetter Leonard“ erhalten hat, soll dort dann mit fingierten Rechnungen Millionensummen ergaunert haben. Francis sitzt derzeit in San Diego in Untersuchungshaft, nachdem die US-Behörden ihn unter einem Vorwand nach Kalifornien gelockt und dort im September festgenommen hatten.
Einladungen für Vergnügungs-Angebote
Francis soll Misiewicz umgarnt haben, als dieser stellvertretender Einsatzleiter der 7. Flotte der US-Marine wurde. So soll der GDMA-Chef für Misiewicz und dessen Frau Karten für das Musical „König der Löwen“ in Tokio besorgt haben. Eine weitere Einladung soll der 46-jährige Vorzeige-Offizier laut Gerichtsdokumenten in einem Luxushotel in Singapur wahrgenommen haben. Seine Gattin sei dieses Mal nicht anwesend gewesen, dafür Prostituierte. Auch Tickets für einen Auftritt von Popstar Lady-Gaga habe der dubiose Geschäftsmann arrangiert.
In E-Mails nannte Misiewicz Francis den Angaben zufolge „großer Bruder“, der Geschäftsmann habe die Nachrichten an den Offizier immer mit „kleiner Bruder“ unterzeichnet. „Bruder, ich brauche mehr Besuche in Perlenhäfen bitte“, schrieb Francis. Gemeint waren damit laut US-Justiz die Anlaufstellen, in denen der GDMA-Chef die Preise in die Höhe treiben konnte.
Angst des Pentagon
Misiewicz soll beispielsweise den Flugzeugträger „USS John Stennis“ nach Sepanggar in Malaysia gelotst haben. GDMA stellte der US-Marine dort der Anklageschrift zufolge für den Unterhalt des Schiffes 2,7 Millionen US-Dollar in Rechnung – der Normalpreis für die Versorgungsleistungen beträgt in dem südostasiatischen Land nur 1,36 Millionen Dollar.
Misiewicz weist den Vorwurf der Bestechlichkeit zurück, doch er muss mit einem Prozess rechnen. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Gefängnis. Unter den beschuldigten Offizieren befindet sich auch ein Ermittler der Marinepolizei NCIS, der die Machenschaften gedeckt haben soll.
Das Pentagon befürchtet, dass sich die Affäre noch ausweiten könnte. „Laut der Anschuldigungen in diesem Fall war eine Reihe von Offizieren willens, ihre Rechtschaffenheit sowie Millionen Dollar an Steuergeld für ihre persönliche Befriedigung zu opfern“, erklärte Bundesstaatsanwältin Laura Duffy. „Wir werden den Vorwürfen von Betrug und Korruption auf den Grund gehen, die den herausragenden Ruf der Navy eintrüben.“
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