Korruptionsskandal in Spanien: Herr über das Schwarzgeld
Luis Bárcenas ist der Hauptangeklagte in der Schmiergeldaffäre der konservativen Partido Popular (PP). Zeugen wissen angeblich von nichts.
Genau dies versuchen dieser Tage eine ganze Reihe namhafter Zeugen aus den Reihen der konservativen Volkspartei Partido Popular (PP) glauben zu machen – unter ihnen die beiden Ex-Regierungschefs Mariano Rajoy und José María Aznar, die am Mittwoch vom obersten Strafgericht in Madrid, der Audiencia Nacional, verhört wurden. Der Hauptangeklagte heißt Luis Bárcenas. Der heute 64-Jährige war bis 2013 Herr über die PP-Buchführung und damit auch über Schwarzgeld.
Seine erste Anstellung in der Alianza Popular, Vorgängerpartei der PP, bekam Bárcenas 1982 kurz nach Abschluss eines Wirtschaftsstudiums, nachdem sein Vater – Direktor einer Bankfiliale – zu günstige Kredit an einen Parteiführer vergeben hatte. Bárcenas stieg bald schon in die Geschäftsführung auf und lernte, auf was es ankam.
Unternehmer leisteten unter der Hand Spenden und wurden dafür in Regionen und Gemeinden, wo die Partei regierte, mit großzügigen Aufträgen bedacht. Es ging um Großaufträge, wie die Organisierung des Papstbesuchs, der Formel 1 in Valencia und um die Vergabe von Bauland. Alle an der Parteispitze hätten davon gewusst und von den Umschlägen profitiert, verteidigt sich Bárcenas, Freund von Skiurlauben in der Schweiz, wo er millionenschwere Konten unterhielt.
Unterlagen verschwanden
Doch Bárcenas, der für die PP auch im Senat, dem spanischen Oberhaus, saß, hat keine Unterlagen mehr, um dies zu belegen. Nach seiner Entlassung 2013 wurde sein Büro in der Parteizentrale ausgeräumt, die Festplatten seiner Computer wurden gelöscht und anschließend mechanisch zerstört. Doch damit nicht genug: Beamte aus der Polizeiführung zu Zeiten der Regierung Rajoy (2011 bis 2018) werden in anderen Ermittlungen und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss verdächtigt, Bárcenas und dessen Ehefrau nachgestellt und mithilfe seines Chauffeurs Dokumente entwendet zu habe.
Die Ermittlungen zum Korruptionsgeflecht der PP, in deren Zentrum immer wieder Bárcenas steht, führten zu einer ganzen Reihe von Gerichtsverfahren. 2018 wurde in einem davon die Partei als solche wegen Korruption verurteilt. Kurz darauf wurde die Regierung Rajoy per Misstrauensvotum abgesetzt.
Beim jetzigen Fall geht es um 1,5 Millionen Euro Schwarzgeld, die zwischen 2005 und 2010 in den Umbau der Parteizentrale in Madrid flossen. Natürlich gaben sich auch Aznar und Rajoy, der einst nach der ersten Verhaftung die Nachricht „Sei stark, Luis“ an Bárcenas schickte, vor Gericht völlig unwissend. Die heutige PP-Spitze, Pablo Casado, versucht sich derweil verzweifelt von der systematischen Korruption seiner Ziehväter zu distanzieren, in dem er die Parteizentrale, noch vor dem Urteil, verkaufen und in ein anderes Gebäude umziehen will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren