Korruption: Scheine zwischen den Akten
Die Richtlinien des Senats zur Bekämpfung von Korruption werden von mehreren Bezirken ignoriert, ergab eine Untersuchung von Transparency International.
Mehrere Bezirke sind nur mangelhaft gegen Korruption geschützt. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Nichtregierungsorganisation Transparency Deutschland. Besonders in Reinickendorf, Mitte, Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf werde wenig gegen Korruption getan, so der Bericht. Die Wahrscheinlichkeit, dass zum Beispiel Bestechungen auffallen, sei dort deshalb besonders gering, sagt Jochen Bäumel, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland.
Vor zehn Jahren entwarf der Senat Richtlinien zur Korruptionsprävention für die Bezirke. Danach werden unter anderem für jeden Bezirk ein Antikorruptionsbeauftragter sowie zentrale Prüfstellen gefordert. Der Senatsvorschlag ist jedoch lediglich eine Empfehlung; es liegt im Ermessen der einzelnen Bezirke, welche Punkte auf welche Weise umgesetzt werden. Darin sieht Transparency den Grund, dass gravierende Mängel festgestellt wurden.
Denn in den vier genannten Bezirken fehlt die zentrale Korruptionsprüfstelle. Diese sei jedoch notwendig, um auch nichtanlassbezogen - also stichprobenartig - die Arbeit des Bezirks zu kontrollieren, erklärt Bäumel. In der Folge würden einige Bezirksabteilungen gänzlich ungeprüft bleiben. In Reinickendorf, Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf fehlten außerdem die empfohlenen Gefährdungsatlanten. Darin werden besonders korruptionsgefährdete Arbeitsbereiche aufgelistet.
Gut schnitten in der Untersuchung, die zwei Jahre dauerte, die Bezirke Spandau, Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Friedrichshain-Kreuzberg ab. Sie erfüllen die Vorgaben des Senats weitgehend, sagt Bäumel. In den übrigen vier Bezirken werden die Vorgaben teilweise umgesetzt.
Unklar ist allerdings der jährliche Schaden, der durch Korruption entsteht und zu Lasten der Steuerkasse geht. Fachleute schätzen ihn auf Millionenhöhe. Damit bewege man sich in einer Grauzone, berichtet Jürgen Kemper, als Ombudsmann in Spandau für Korruption zuständig. Sicher ist: "Korruption gibt es immer", sagt Bäumel. So sind in mehreren Bezirken größere Korruptionsskandale bekannt geworden - Bäumel vermutet aber, dass das nur ein kleiner Prozentsatz der tatsächlich stattfindenden Fälle von Bestechung und persönlicher Vorteilsnahme ist.
Vorsicht im Bausektor
Besonders anfällig für Korruption sind der Baubereich und der Dienstleistungssektor. Deshalb sei die Kontrolle der Vergabe von Aufträgen eines der wichtigsten Instrumente zur Korruptionsvermeidung, sagt Jürgen Knebel, Antikorruptionsbeauftragter im Bezirk Spandau. Werde die Vergabe nicht flächendeckend geprüft, komme es oft zu Rechtsverstößen. So wird etwa ein Bauvorhaben von Mitarbeitern der Verwaltung in mehrere Aufträge gesplittet. "Das kann man sich so vorstellen: Eine Turnhalle soll gebaut werden, die Kosten werden auf 2 Millionen Euro beziffert. Aufgrund dieser Höhe muss der Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden, was dazu führt, dass sich jeder bewerben darf und das günstigste Angebot gewinnt", erklärt Knebel. Teile der Auftraggeber ihn jedoch in mehrere kleine Einzelaufträge, könne genau das vermieden werden.
Häufig würden Aufträge auch unter der Hand mehrmals an dieselbe Baufirma vergeben, so Knebel. Begründet werde dies in den Ämtern meist damit, dass die bisherige Zusammenarbeit gut gewesen sei und man Vertrauen in das Unternehmen habe. "Gegen solches Vertrauen müssen wir präventiv aktiv werden", so der Korruptionsexperte.
Dabei sei ein solcher Verstoß gegen das Vergaberecht an sich noch keine Korruption. Knebel bezeichnet diese Fälle jedoch als "deren Einfallstor". Dabei gehe es im Baubereich um Summen bis zu mehreren Millionen Euro. Schaden entstehe aber nicht nur dadurch, dass so kein Wettbewerb mehr herrsche. Nicht selten fließen bei solchen Vergaben Schmiergelder, weiß Knebel.
In Spandau wurde vor fünf Jahren ein solcher Korruptionsskandal aufgedeckt. Dabei hatte ein Mitarbeiter des Bauamts jahrelang Gelder für die entsprechende Verteilung von Zuschlägen angenommen hatte. Erst danach mauserte sich der Bezirk zum Vorzeigemodell und führte eine zentrale Vergabedatenbank ein. Mit ihr wird geprüft, an wen die Aufträge gehen. "Dadurch ist eine hohe Kontrolldichte entstanden. Die Mitarbeiter haben das Gefühl, dass ihnen auf die Finger geguckt wird - und das ist wichtig", stellt Knebel fest.
Außerdem wurde ebenfalls vor fünf Jahren die Stelle des Ombudsmanns eingeführt, der die Rolle eines unparteiischen Schiedsrichters erfüllt. An ihn können sich Mitarbeiter wenden, die einen Korruptionsverdacht hegen - und anonym bleiben. Bisher ist es die einzige Stelle dieser Art in der Stadt.
"Der entscheidende Vorteil an dem Ombudsmann ist, dass er der Schweigepflicht unterliegt", so Knebel. Denn oftmals hindere die Angst vor Mobbing und beruflichen Nachteilen Mitarbeiter am Mitteilen von Auffälligkeiten. Seit deren Anonymität gesichert ist, seien die Zahl der Hinweise auf das Fünffache gestiegen. Der Ombudsmann selbst, der Anwalt Jürgen Kemper, schätzt, dass im Schnitt vier Hinweise pro Monat bei ihm eingehen. Bei etwa der Hälfte erhärte sich der Verdacht; dann folgen weitere Ermittlungen durch die Prüfstelle des Bezirks.
Bürgermeister schweigen
Eher schweigsam sind hingegen die in dem Bericht kritisierten Bezirke. Monika Thiemen (SPD), Bürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf, beharrt gegenüber der taz darauf, dass sie gute Gründe dafür habe, keine zentrale Prüfstelle einzurichten. Auch seien die Ergebnisse des Berichts nicht wissenschaftlich belegt. Der Bürgermeister von Steglitz-Zehlendorf, Norbert Kopp (CDU), sagt hierzu: "Wir sehen keine Notwendigkeit, auf Dauer eine zentrale Prüfgruppe einzurichten. Steglitz-Zehlendorf ist gut gewappnet gegen Korruption." Die Bürgermeister von Reinickendorf und Mitte waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
www.transparency.de
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