Korruption in Österreich: Jagen auf Kosten der Waffenlobby
Korruption und Vorteilsnahme ziehen immer weitere Kreise. Betroffen ist vor allem die konservative ÖVP. „Mitnahmementalität“ hat die Politik vollends in Verruf gebracht.
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WIEN taz | Sollte sich die österreichische Opposition von einer Sondersitzung des Nationalrats am Dienstag Details über amtliche Untersuchungen von Korruptionsfällen erwartet haben, wurde sie enttäuscht. Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) berief sich auf die vom Bundesabgabengesetz vorgeschriebene Geheimhaltung, beteuerte aber: „Ich bin für völlige Transparenz und die Aufklärung sämtlicher Vorwürfe.“ Es geht um Finanzflüsse in Millionenhöhe, denen keine nachvollziehbare Leistung gegenübersteht und andere Formen von Vorteilsnahme.
Die FPÖ wollte von Fekter wissen, ob es Ermittlungen gegen den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter und den zurückgetretenen Tiroler Finanzlandesrat Christian Switak (beide ÖVP) gebe. Sie stehen unter Rechtfertigungsdruck, weil sie sich von Unternehmern, Gastwirten, Bürgermeistern und ausländischen Gönnern auf teure Jagdausflüge einladen ließen.
Platters empörte Reaktion auf die Enthüllungen, „Es muss für einen Landeshauptmann möglich sein, im eigenen Land auch die Freizeit zu verbringen“, genießt inzwischen fast Kultcharakter. Denn sie beweist, dass manchen Politikern jedes Schuldbewusstsein abgeht, wenn sie sich von Leuten, die einmal eine Gegenleistung erwarten könnten, „anfüttern“ lassen.
Anfüttern ist der Terminus für einen Straftatbestand, der vor wenigen Jahren erst aus dem Gesetz gestrichen wurde. Angefüttert wurden auch ranghohe Beamte des Innenministeriums, der Exgeneralsekretär der Industriellenvereinigung Markus Beyrer und weitere Entscheidungsträger, die zu Jagdausflügen des Waffenlobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly geladen wurden. Sie ließen sich dafür gelegentlich im Learjet zu dessen Schloss in Schottland fliegen.
Das ist spätestens seit den Aussagen von Beyrer und Mensdorff im parlamentarischen Untersuchungsausschuss bekannt. Der tagt seit Februar und befasst sich mit einer wachsenden Anzahl von Korruptionsfällen. Zwar zeigen die Befragten erstaunliche Erinnerungslücken oder verweigern die Aussage. Doch reicht allein das Sittenbild einer politischen Klasse von schamlosen Nehmern, um die Politik als Ganzes in Verruf zu bringen.
Beyrer konnte sich weder erinnern, wie oft er im Jet nach Schottland geflogen sei, noch wer sonst an den exklusiven Wochenenden teilnahm. Sicher ist, dass die Rechnung jedes Mal die Telekom Austria bezahlte. In den von Wolfgang Schüssel (ÖVP) geführten Regierungen mit der FPÖ (2000–2005) bzw. dem BZÖ (2005–2008) diente die Telekom als willige Melkkuh, die dafür ein maßgeschneidertes Gesetz bekam, das ihr die marktbeherrschende Stellung sicherte. Unter Verdacht stehen drei ehemalige Minister des BZÖ.
Doch je weitergeforscht wird, desto mehr erscheint die bürgerliche ÖVP als Korruptionspartei. Zuletzt blieb der Abgeordnete Werner Amon eine Erklärung schuldig, ob eine Zahlung der Telekom von 10.000 Euro als Spende, Druckkostenzuschuss oder für Inserate eingegangen sei. Amon ist Fraktionschef der ÖVP im Untersuchungsausschuss und sieht keinen Grund, diese Funktion zumindest ruhen zu lassen, bis die Sache geklärt ist.
Kein Schuldbewusstsein zeigte auch die Tiroler ÖVP-Abgeordnete Karin Hakl, deren Wahlkampf 2008 die Telekom bezahlt hat. Sie hat nach Drängen der eigenen Parteifreunde zumindest ihre Funktion als Telekom-Sprecherin vorläufig niedergelegt.
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