Korruption bei französischem Rüstungsdeal: Seit 20 Jahren wird vertuscht
Wegen Bestechung müssen der französische Staat und ein Rüstungskonzern rund 630 Millionen Euro an Taiwan zahlen. Aufklärung wird verhindert.
PARIS taz | Am Ende werden die französischen Steuerzahler in einem der schwersten und teuersten Rüstungs- und Schmiergeldskandalen der Fünften Republik die Rechnung bezahlen müssen. Grund hierfür ist eine über alle Parteigrenzen funktionierende Komplizenschaft von rechten und linken Regierungen, die selbst vor Gericht den Mantel des Schweigens über ihre Untaten hüllte.
1991 verkauften die staatlichen Rüstungswerften DCNI sechs Fregatten an die taiwanischen Kriegsmarine für einen Betrag von umgerechnet rund 2,5 Milliarden Dollar. Mehr als 20 Prozent dieses überhöhten Kaufpreises wurden für Schmiergelder abgezweigt. Bezahlt wurden damit nicht nur Vermittler und korrupte Offiziere in Taiwan, sondern laut Libération auch hochgestellte Persönlichkeiten der Volksrepublik China, die sich dafür im Gegenzug diesem Rüstungsgeschäft mit den Nationalchinesen nicht allzu sehr widersetzten.
Das Besondere dieser Bestechungsaffäre aber ist, dass bedeutende Summen nach Frankreich zurückflossen und dort höchstwahrscheinlich der illegalen Finanzierung der Politik mehrerer Parteien dienten.
Kurz vor Pfingsten hat das Pariser Berufungsgericht deshalb den französischen Staat und das private Rüstungsunternehmen Thales (vormals Thomson CSF) zur Zahlung einer enormen Geldbuße von insgesamt einer Milliarde Dollar, rund 630 Millionen Euro, verurteilt. Die Pariser Regierung hat dieses Urteil, das das Staatsbudget mit 460 Millionen schwer belasten dürfte, in der Hoffnung akzeptiert, dass mit der Rückerstattung dieser für Bestechung abgezweigten Gelder ein Schlusspunkt unter Frankreichs schwersten Korruptionsskandal gesetzt wird.
Seit der Aufdeckung des Korruptionsskandals haben sämtliche linke und rechte Regierungen bis heute das gesamte Dossier unter militärischer Geheimhaltung unter Verschluss gehalten und so verhindert, dass der Pariser Untersuchungsrichter Renaud Van Ruymbeke gegen die Auftraggeber und Nutznießer dieser Korruption ermitteln konnte. Er musste 2008 seine Untersuchung aufgrund des Boykotts der Behörden ergebnislos einstellen. Im Laufe der Ermittlungen in Taiwan wurde einer der Mittelsmänner, ein Offizier namens Yin, ermordet, sein mutmaßlicher Mörder wurde wenig später in Japan tot aufgefunden.
Rechtshilfe aus der Schweiz
Die Bestechungsgelder wurden zur Hauptsache über zahlreiche Konten des Geschäftsmanns Andrew Wang in der Schweiz transferiert. Die eidgenössischen Justizbehörden ordneten nach einem Rechtshilfeersuchen aus Taipeh die Beschlagnahme von rund 500 Millionen Dollar an und willigten in die Weitergabe von Bankdokumenten an Frankreich, Liechtenstein und an Taipeh ein.
Die Schweizer Rechtshilfe war von entscheidender Bedeutung für das Urteil des Pariser Berufungsgerichts. Es sollte eigentlich die finanziellen Aspekte endgültig regeln und diese Affäre beerdigen. Offen bleibt aber immer noch die Frage, für wen außer für Wang selber die in der Schweiz blockierten Gelder (insgesamt 10,8 Millionen Euro) bestimmt waren.
Diese Recherchen lösten in Frankreich bereits eine andere, politisch explosive Staatsaffäre aus, den sogenannten "Clearstream-Skandal" um die angeblichen Konten von Schmiergeldempfängern. Die Ermittlungen der Schweizer Justiz sorgen nun aber auch in Taiwan für eine unerwartete Fortsetzung des Fregatten-Bestechungsskandals. Laut der großen Tageszeitung United Daily News wurde nämlich 1996 zwischen den französischen Lieferanten und der taiwanischen Marine ein aufwändiger "Service-Vertrag" vereinbart.
Dank dieses Zusatzvertrags für die Wartung und die Lieferung von Ersatzteilen für die Fregatten wurde demnach wieder 15 Prozent der Rechnungsbeträge als illegale Schmiergelder kassiert, deren Zahlung bis auf den heutigen Tag andauern soll. Taipeh hat deswegen in Paris bereits neue Forderungen zur Rückerstattung dieser Millionen geltend gemacht.
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