■ Kooperation Universität-Arbeiterkammer: Anspruch konserviert
In Bremen gibt es eine Institution, die es heute so eigentlich nicht mehr geben kann: die Kooperationsstelle Universität/Arbeiterkammer. Inzwischen ist sie in dem früheren Gymnasium Am Barkhof untergebracht, also an einem Platz in der Stadt und nicht mehr draußen auf dem Campus.
Und da wird der Gründungsanspruch der Bremer Reformuniversität konserviert: Wissenschaft und Bildung im Interesse der ArbeitnehmerInnen.
Bildung, damit die ArbeitnehmerInnen wirklich teilhaben können am gesellschaftlichen Leben und nicht nur ihre Arbeitskraft verkaufen. K.W
taz: Das war damals eine ganz andere Universität. Kann man die heute noch Studenten erklären? Hans-Georg Isenberg: Nicht nur für die Kooperationsstelle, für die gesamte Universität gilt der Anspruch, Arbeitnehmern verpflichtete Wissenschaft und auch Lehre zu betreiben ... Wo steht diese Verpflichtung? Das steht in der Gründungsakte der Universität und das steht auch im Selbstverständnis dieses Kooperationsvertrag. Wir waren das Bindeglied zur Arbeiterkammer, der Teil, wo der Anspruch überprüfbar und sichtbar wurde, das war Reformuniversität... Der frühere Wissenschaftssenator Horst-Werner Franke ist stolz, daß er das in den 80ern abgeschafft hat. Drittelparität – das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen: Studenten, Hochschullehrer – Assistenten gab es nicht – und sonstige Dienstleister, also einfache Arbeitnehmer, konnten anfangs drittelparitätisch und gleichberechtigt alle Angelegenheiten der Universität bestimmen. Danach kam die Produktionstechnik, kamen die Naturwissenschaften... Unabhängig von Abstimmungs-Paritäten geht es heute vor allem um Drittmittel. Hauptsache ist das Geld. Jeder Unternehmer kann sich seine Wissenschaft heute kaufen. Selbst die, die unter anderen Bedingungen angefangen haben und die einen lauteren Lebenslauf vorzuweisen haben. Alles geht an dieser Uni, was Finanzen beibringt. da kann man mit Affen arbeiten, demnächst mit Menschen – Hauptsache da ist Geld. Im Status des Wissenschaftlers stehen die Titel ganz oben, die Veröffentlichungen und dann das Geld, die Menge des Personals. Als diese Uni anfing, da gab es keine Institute, keine Assistenten, das war eine offene, freie Universität, eine Akademie im klassischen Sinne, auf Kommunikation angelegt. Heute konkurriert jeder, schließt sich hermetisch ab, macht seine Geschäftchen, die nicht offengelegt werden, ich möchte nicht wissen, wieviel Geld von Drittmitteln privat akquiriert werden können, es ist alles undurchschaubar, ein Machtspiel von oben bis unten. Und diese Akademie für Arbeit und Politik ... ... paßt in dieses System nicht hinein. Ich kämpfe dafür, daß das so bleibt. Wir machen ein aufgeklärte politische Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage. Die Akademie hat sozusagen zwei Mütter, die Universität und die Kammer. Die Universität hat sich weit entfernt, die Kammer ist aber auch keine glückliche Mutter mehr... Im Moment sieht es sogar so aus, daß wir in den Kammern und Gewerkschaften starke Unterstützung für das Festhalten an unserem Bildungsauftrag finden. In der Uni gibt es viele, die meinen, wir müßten stärker ein Forschungsinstitut werden. Für den Rektor ist das eine reine Geldfrage. Und für Bildung gibt es kein Geld. Die Kammern haben sich mit ihrem Bildungsarbeit verrant, was die Betriebswirtschaft angeht: Sie haben kurzfristige Mittel und haben auf dieser flüchtigen Basis langfristige Verträge, zum Beispiel mit Personal, geschlossen. Muß man da Abitur haben, um bei der Akademie den zweijährigen Studiengang zu machen? Nein. Das ist ja gerade die Besonderheit. Werden Arbeitnehmer, der an den Zweijahres-Kursen teilnehmen wollen, dafür in ihrem Beruf freigestellt? Nein. Was machen die hinter mit ihrer Bildung? Von den 50, 80 Leuten, die bei den Kursen mitmachen, können hinter einige studieren, Sozialwissenschaften, Ökonomie, Kulturwissenschaften. Die Qualifizierung baut nicht auf auf technischen Kenntnissen. Die baut auf auf ihren Berufserfahrungen, ihren Alltagserfahrungen. Es sind aber auch Techniker darunter ... ... aber die studieren hinter nicht Maschinenbau, sondern Sozialwissenschaften. Wir haben aber auch viele Frauen, die hier die Chance sehen, eine zusätzliche Qualifikation und Kompetenzen zu gewinnen, die sie wieder in ihre alten Berufe führt, insofern ist es auch beruflich. Aber es ist vor allem eine gesellschaftspolitische Bildung. Sie arbeiten in ihren Parteien.. Ist einer der Absolventen Betriebsratsvorsitzender oder Gewerkschaftssekretär? Natürlich. Das ist also auch eine Qualifikation im Rahmen des gewerkschaftlichen Engagements. Ja. Aber darunter sind auch Hausfrauen. Es ist ein völliger Mix, sonst käme eine solche Gruppe nie zusammen. Was soll diese Art von Bildung, bei der es nicht um beruflich nützliches Wissen geht? Es geht mir um einen aufklärerischen Ansatz von Bildung. Aufklärung, um zu der Kraft zu finden, sich sozial einzumischen und nach eigenen Vorstellungen sein eigenes Leben gestalten zu können. Int.: K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen